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Sie Schauspielerin sind? Wir haben nämlich eine berühmte Künstlerin in unserer Mitte.«

      Bisher hatte er nicht gewußt, daß ein Mensch seine Augenfarbe wechseln konnte. Aber ihre wirkten jetzt beinahe schwarz. Wie wütend sie war, konnte man von ihrem Gesicht ablesen. O ja, sie besaß eine ausdrucksvolle, sprechende Mimik. Sie war eben einen Vollblutschauspielerin.

      »Warum hätte ich es sagen sollen? Macht der Beruf einen Unterschied? Haben Sie mir sofort erzählt, daß Sie Werbefachmann sind? Meinen Sie, die Kinder hätten mich netter gefunden, wenn sie von meinem Beruf erfahren hätten?«

      Er kam sich plötzlich albern vor. Und doch sagte er noch immer in dem lächerlich gekränkten Ton:

      »Ich meine doch, Sie hätten es sagen sollen. Ich war sehr überrascht, als ich Sie gestern abend im Fernsehen sah.«

      Sie reckte den Kopf und musterte ihn kühl.

      »Das Stück ist nicht schlecht. Der Intendant bemüht sich, nur wirklich gute Aufführungen zu bringen. So, Kinder, es wird Zeit für mich.« Sie sprang auf, natürlich protestierten die Kinder heftig, sie warfen sogar ihrem Vater vorwurfsvolle Blicke zu.

      »Warum denn, Marie-Luise?« jammerte Doris, und Thomas wollte wissen: »Ich verstehe nur Bahnhof, Papa. Warum ist das denn so wichtig, ob Marie-Luise Schauspielerin ist oder nicht.«

      »Für euren Vater ist das offensichtlich wichtig«, spöttelte sie und strich das Haar hinters Ohr zurück. Für ihn hatte sie keinen Blick, sie sah nur die Kinder.

      »Früher hatten Schauspieler keinen guten Ruf. Man nannte sie das fahrende Volk, und jemand, der auf sich hielt, hätte nie eine Schauspielerin in sein Haus eingeladen.«

      »Sie wissen genau, daß ich von solchen veralterten Ansichten weit entfernt bin.« Die Kinder blickten ihn ängstlich an. So hitzig sprach ihr Vater selten.

      Kein Wunder, daß sie sich beide an sie drückten, als müßten sie sie beschützen.

      »Wie käme ich dazu, den Beruf einer Künstlerin nicht zu würdigen? Aber Sie…«

      »Papa«, Thomas begriff das alles nicht. »Ich glaube, du bist einfach müde und kaputt, sonst würdest du bestimmt nicht so einen Quatsch reden. Marie-Luise ist Marie-Luise, ob sie nun Schauspielerin ist oder nicht. Wir haben herrlich gespielt, und wenn du nicht gekommen wärst, dann spielten wir immer noch.«

      »Nein, Papa«, Doris konnte es nicht ertragen, wenn ihr Vater traurig war. Er sah so komisch aus. »Du mußt dich jetzt unbedingt ausruhen. Trude wird dir deinen Kaffee bringen. Und wenn du dich ausgeruht hast, dann kommst du wieder zu uns. Marie-Luise, Papa kann doch mitspielen. Er könnte der Großvater sein. Ich hätte so schrecklich gern einen Großvater.«

      »So alt bin ich ja nun wirklich nicht«, protestierte er. Thomas schüttelte nur den Kopf.

      »Du bist heute aber wirklich komisch, Papa. Ich bin doch auch kein richtiger Vater, und Marie-Luise keine richtige Mutter. Wir spielen das doch nur.«

      Doris schluckte. Ihr Stimmchen war so leise, man konnte sie kaum verstehen.

      »Das ist aber schade. Ich meine, es ist schade, daß Marie-Luise nicht unsere Mutter ist.«

      »Schluß jetzt!« Marie-Luise zog Doris an den Haaren und lachte dabei. »Ich muß leider wirklich fahren. Es ist gut, daß euer Vater gekommen ist und mich daran erinnert hat. Ich muß um sieben Uhr im Theater sein.«

      Thomas musterte sie neugierig. »Was machst du da? Mußt du immer abends arbeiten?«

      »Nein, nicht immer, Thomas, aber sehr oft. Wenn das Stück, in dem ich spiele, aufgeführt wird, muß ich natürlich da sein.«

      »Kommst du morgen wieder?« wollte Doris ängstlich wissen und war nicht bereit, Marie-Luises’ Hand loszulassen.

      Max räusperte sich die Verlegenheit aus der Kehle.

      »Ich glaube, Sie haben eben einiges falsch verstanden. Ich war nur so überrascht, und ich dachte, eine Dame, die so berühmt ist wie Sie…«

      »Kommst du morgen oder nicht?« verlangte Thomas mit schriller Stimme zu wissen. »Bitte, bitte, Marie-Luise, komm doch.«

      »Aber nur, wenn es eurem Vater recht ist.« Sie sah ihn dabei mit einem Blick an, daß er weiche Knie bekam.

      »Aber, Marie-Luise«, riefen beide Kinder verständnislos.

      »Fräulein Wagner hat nur Spaß gemacht«, erklärte Max energisch. »Nein, Kinder, ihr bleibt hier, ich bringe Fräulein Wagner zum Auto.«

      »Aber ärgere sie nicht, Papa«, rief Doris ängstlich, »wir haben sie nämlich lieb.«

      Er öffnete die Gartentür für sie. Marie-Luise drehte sich noch einmal um und winkte den Kindern zu. Wie verloren und unglücklich sie aussahen.

      »Sie müssen mich für einen rechten Tölpel halten«, murmelte Max bitter und öffnete die Autotür für sie. »Zuerst halte ich Sie für mein neues Hausmädchen. Ein Hausmädchen, das mit dem Pferd angeritten kommt und dann…«

      »Sie sollten sich nicht so viel unnütze Gedanken machen.« Ob sie wohl wußte, welche Macht ihre Augen besaßen?

      »Ich will einfach nicht, daß den Kindern weh getan wird«, murmelte er heftig. »Sie haben den Tod ihrer Mutter noch lange nicht überwunden. Und ich sehe doch, wie sie ihr Herz an Sie hängen.«

      »Mir geht es ebenso. Die beiden sind in mein Herz hineingehüpft und haben es sich darin bequem gemacht. Des Morgens, wenn ich aufstehe, freue ich mich schon auf unser Zusammensein. Wirklich, Herr Gilberg, ich verstehe es nicht, so sehr ich mich auch darum bemühe. Was haben Sie gegen meinen Beruf? Es ist der Beruf, der Sie stört, nicht wahr?«

      Er hielt seine Aktentasche noch immer in der Hand. Er sah sie an und hatte das lächerliche Gefühl, daß ihm der Boden unter den Füßen fortgezogen würde.

      Sie war keineswegs so, wie er sich eine Diva vorstellte. Sie wirkte weder raffiniert noch dekadent. Sie machte einen normalen, einfachen Eindruck, und das lag nicht nur an ihrer Kleidung.

      »Es ist nicht der Beruf«, erklärte er ihr heftig. »Es ist das ganze Drum und Dran, was damit zusammenhängt. Sie sind berühmt, Ihnen liegen vermutlich die reichsten Männer zu Füßen. Wahrscheinlich sind Sie der Star jeder Gesellschaft, man reißt sich um Sie. Da werden Sie doch keine Lust haben, mit meinen Kindern Ihre kostbare Zeit zu vergeuden.«

      »Jetzt hören Sie auf!« Sie unterbrach ihn entrüstet. »Sagen Sie besser nichts mehr, ich könnte sonst sehr ärgerlich werden. Was ist denn der ganze Rummel, der um mich gemacht wird, gemessen an der Zuneigung, die mir die Kinder entgegenbringen? Die Menschen, die um mich herumtanzen, als wäre ich ein goldenes Kalb, die meinen doch nicht mich, den Menschen Marie-Luise. Sie meinen das Äußere. Wirklich, Max, wir sollten uns einmal in Ruhe darüber unterhalten. Sie haben eine völlig verdrehten Meinung von mir. Außerdem denken sehr viel Schauspieler genau wie ich. Der Rummel gehört dazu, das Aufsehen ist oft nicht angenehm, aber das ist die Kehrseite des Ruhms. Man muß sich das Privatleben stehlen, ohne die Menschen zu verärgern. Ich liebe meinen Beruf, ich habe schwer für meinen Erfolg gearbeitet. Glauben Sie nicht, daß er mir in den Schoß gefallen ist.«

      Sie hatte den Schmutzfleck noch immer auf der Wange, in ihren Haaren spielte der Wind und warf eine Strähne über ihre Stirn. Max hatte sie ihn genannt. Sie hatte sich einfach über die Förmlichkeit hinweggesetzt. Er empfand diese Geste wie ein kostbares Geschenk.

      »Sie sollten sich das Stück im Theater ansehen.« Ihr Lächeln machte seine Knie weich. »Wenn Sie wollen, lasse ich eine Karte an der Kasse für Sie hinterlegen. Sie müssen mir nur Nachricht geben, wann. Das Stück steht noch eine Weile auf dem Spielplan.«

      Er hatte seine Kinder vergessen, er begriff nicht einmal mehr, warum er sich die ganze Nacht und viele Stunden am Tag herumgequält hatte.

      »Warum nicht gleich heute abend?«

      Sie musterte ihn mit freundschaftlicher Gründlichkeit. »Sind Sie denn nicht

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