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rosa Schimmer. »Verzeiht die Verspätung – ich wurde von der Stadtgarde aufgehalten. Irgendwo ist irgendetwas passiert, ein Feuer, glaube ich, und jetzt filzen sie jeden, der fremd aussieht.«

      »Dann lasst uns schnell verschwinden«, sagte Krona mit einem argwöhnischen Blick auf die Torwachen, »bevor die feststellen, dass noch ein paar mehr unter uns fremd aussehen.«

      »Sind wir vollzählig?« Jerina sah sich erstaunt um. »Ich hatte mit einer größeren Gruppe gerechnet.«

      »Vier ist völlig ausreichend«, sagte Krona entschieden. »Drei wären ausreichend gewesen. Oder wollt Ihr ein Heer bestellen?«

      »Nein«, sagte Jerina gekränkt. »Ihr werdet wissen, was Ihr tut, Hauptmann.«

      »Genau«, bestätigte Krona. »Verlasst Euch nur auf mich. Und jetzt, los geht ’s.«

      Die ersten Tage ihrer gemeinsamen Reise führten sie durch ruhiges Land. Sie folgten der Straße über grüne Grashügel, auf knarrenden Holzbrücken über kleine, lebhaft sprudelnde Bäche, durch lichtes Gehölz, Ausläufer der großen, wilden Wälder, von denen die Flanke des Gebirges bedeckt war, und vorbei an Dörfern und Bauernhöfen, wo sie ihre Lebensmittelvorräte ergänzten. Krona benutzte die ruhigen Stunden des Wanderns, um sich einen Eindruck von ihren Begleitern zu verschaffen.

      Eine bunte Truppe gaben sie ab, das ließ sich nicht leugnen. Der schweigsame Fenrir ging zumeist voran, sein langer, gleichmäßiger Schritt verriet den geübten Wanderer. Krona war froh, ihn als Begleiter gewonnen zu haben, denn seine Ortskenntnis war ausgezeichnet und er führte sie immer wieder auf Abkürzungen abseits der Straße, die ihnen stundenlange Umwege sparten.

      Pintel mit seinen kurzen Beinen bewies eine Ausdauer, die Krona dem schmächtigen Kerlchen niemals zugetraut hätte. Kaum jemals blieb er zurück oder verlangte nach einer Pause, und während der abendlichen Lagerfeuer erwies er sich als unterhaltsamer Geschichtenerzähler und, zur Freude der Reisegefährten, tatsächlich als begabter Koch.

      Jerina blieb für Krona schwer zu durchschauen und damit ein Problem. Die junge Frau hielt sich zurück und beteiligte sich selten an Gesprächen, was man für Schüchternheit hätte halten können, wenn Krona sich nicht immer wieder auf seltsame Art von ihr beobachtet gefühlt hätte. Es schien, als sei Jerina mehr als bedacht darauf, alle verfügbaren Informationen in sich aufzunehmen, ohne jedoch etwas von sich selbst preiszugeben. Krona wurde das Gefühl nicht los, dass sich hinter der linkischen, unbeholfenen Art der jungen Frau ein messerscharfer Verstand verbarg. Fenrir schien ihre Vorbehalte zu teilen, denn am zweiten Abend, als Jerina sich mit Pintel zum Holzsammeln entfernt hatte, kam er zu Krona und ließ sich neben ihr nieder.

      »Ich weiß nicht«, sagte er und deutete leicht mit dem Kinn in die Richtung, in die Jerina sich entfernt hatte. »Ich kann sie nicht leiden. Sie hat etwas Seltsames an sich, findest du nicht?«

      »Ich wünschte auch, sie wäre daheimgeblieben«, bestätigte Krona leise. »Aber nun ist es so, und wir müssen damit klarkommen. Sie ist jung und unerfahren, ich denke, sie tut ihr Bestes.«

      »Das ist es nicht.«

      »Was dann?«

      »Ich weiß nicht. Es ist ein Gefühl, das ich nicht genau benennen kann. Ich werde sie jedenfalls gut im Auge behalten.«

      »Tu das« sagte Krona und verbarg ihr Unbehagen. Fenrir hatte ziemlich genau das ausgesprochen, was sie empfand.

      In dieser Nacht, als Krona wach lag und in die glühenden Reste des heruntergebrannten Lagerfeuers starrte, bemerkte sie, wie Fenrir sich leise aufrichtete, aus seinen Decken schlüpfte und sich lautlos vom Lager entfernte.

      Seine Ausrüstung ließ er unangetastet zurück. Als er länger wegblieb, als nötig gewesen wäre, um sich irgendwo abseits des Lagers zu erleichtern, wurde sie unruhig. Schließlich kroch sie leise fluchend aus ihrem Schlafsack, packte ihr Schwert, entzündete eine Fackel und machte sich auf die Suche.

      Das Wäldchen, in dem sie ihr Lager aufgeschlagen hatten, lag still, dennoch wagte Krona nicht, sich weit von ihren beiden schlafenden Gefährten am Feuer zu entfernen.

      Die Waldluft legte sich wie ein kalter Schleier auf jede unbedeckte Stelle ihres Körpers, Feuchtigkeit tropfte von den Bäumen. Es roch intensiv nach Moos und Erde.

      »Fenrir?«, rief sie gedämpft. »Wo bist du?«

      Keine Antwort. Undurchdringliche Schatten zuckten im Fackelschein. Heidelbeergestrüpp und Unterholz knackten unter ihren Stiefeln und stellten ihr bei jedem Schritt Fußangeln.

      »Fenrir, du verdammter Hund, wenn du dich in Schwierigkeiten gebracht hast, schlitz ich dich auf!«

      »Deine Besorgnis ist rührend.«

      Sie wirbelte herum und riss das Schwert hoch.

      »Fenrir! Meridias nackter Arsch, hast du mich erschreckt!«

      »Was machst du hier draußen?«, fragte Fenrir. Sie musterte ihn, sein Hemd stand am Hals offen, einer der Ärmel war verdreht. Sie hätte schwören können, er hatte Wams und Mantel getragen, als er sich vom Lager entfernt hatte.

      »Und du? Bäume streicheln, oder was?«

      »Übertreib es nicht, Hauptmann.« Fenrirs gelbe Augen leuchteten gefährlich im Fackelschein. »Ich habe eine gewisse Wertschätzung für dich entwickelt. Dennoch kenne ich dich kaum drei Tage, und das ist nicht lange genug, um dich davor zu bewahren, dass man irgendwann einmal deine bleichen Knochen im Moos findet.«

      »Ich bin hier, um dich zu suchen, du Irrer!«, fauchte Krona. »Ich bin es nicht gewohnt, dass Leute sich ohne ein Wort vom Lager entfernen und nächtliche Spaziergänge machen!«

      »Und ich bin es nicht gewohnt, rund um die Uhr überwacht zu werden!«

      »Du wärest dankbar um diese Überwachung, wenn dir etwas zugestoßen wäre!«

      Fenrir lachte böse auf. »Glaub mir, Hauptmann, die Einzige, die dieses Risiko eingeht, bist du. Und jetzt geh zurück zum Lager und leg dich schlafen. Morgen früh werde ich wieder ganz zu deiner Verfügung stehen. Bis dahin kümmere dich nicht um mich.«

      Damit ließ er sie stehen und verschwand lautlos, wie er erschienen war, unter den Bäumen. Sie leuchtete ihm nach, aber schon nach wenigen Schritten war er ihrem Blick entzogen.

      »Prima«, schimpfte sie ihm hinterher. »Lass dich doch von den Wölfen fressen! Ist mir doch egal!«

      Sie blieb noch für einen Augenblick stehen, unschlüssig und mit dem unangenehmen Gefühl, sich zum Narren gemacht zu haben, dann bahnte sie sich durch Gestrüpp und Unterholz den Weg zurück zum Lager, wo sie schließlich verschwitzt, mit Tannennadeln im Kragen und in übelster Laune wieder eintraf.

      »Was ist los?«, murmelte Pintel, als sie die Fackel in der feuchten Erde löschte und zurück in ihren Schlafsack kroch.

      »Nichts«, sagte sie und bemühte sich, normal zu klingen. »Ich habe nur nach dem Rechten gesehen.«

      »Dann ist es ja gut«, murmelte Pintel, zog sich die Decke bis zum Hals und schlief sofort weiter. Krona brauchte lange, bis sie seinem Beispiel folgen konnte.

      Am nächsten Morgen erwähnte keiner von ihnen den Vorfall. Fenrir war wieder da, als Krona erwachte, und im Laufe des Vormittags war die Anspannung zwischen ihnen verflogen.

      Sie näherten sich den flachen, sanften Ausläufern des Gebirges und ließen die bewohnten Gegenden hinter sich. Am fünften Tag ihrer Reise tauchten sie in den kühlen Halbschatten des Waldes und begannen, bergan zu steigen. Obwohl die Tage noch spätsommerlich warm waren, lag der Herbst bereits in der Luft, färbte die ersten Blätter und kühlte die Nächte.

      Die Straße hatten sie längst hinter sich gelassen, aber Fenrir blieb kaum jemals stehen, um sich des Weges zu vergewissern. Krona meinte manchmal, er folgte seiner Nase und nicht seinen Augen. Er führte sie durch hohen, hellen Laubwald, zwischen den mächtigen Stämmen der Buchen hindurch, die aufragten wie Säulen, über felsige Hänge und weiter oben durch feuchte, grüne, efeu- und farnüberwucherte Einschnitte,

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