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verhandeln wir, sobald Ihr mir sagt, dass Ihr wirklich interessiert seid.«

      »Ich überleg’s mir.«

      Sie begann, in dem engen Bäckerladen herumzuwandern. Das Gespräch hatte einen toten Punkt erreicht, aber sie verspürte wenig Lust, sich wieder hinaus in den kalten Nieselregen zu begeben. Sie schlenderte hinter den Verkaufstisch und zog eher aus Langeweile denn aus Neugier eine Schublade auf. Sie enthielt einen hölzernen Einsatz mit drei Vertiefungen. In einer davon lagen einige Kupferpfennige, die anderen waren leer. Krona kramte in ihren Taschen, bis sie eine kleine silberne Viertelkrone gefunden hatte, und legte sie in die mittlere der Vertiefungen. Es war eine fürstliche Bezahlung für ein Frühstück, aber sie hoffte, dass es die Bäckerin von dem Gedanken abbringen würde, ihr die Stadtwache hinterher zu schicken.

      Sie schloss die Schublade, nahm sich ein Hörnchen und biss hinein. Fenrir saß nach wie vor entspannt, aber wachsam auf seinem Hocker und beobachtete sie. Der Regen draußen nahm zu, hin und wieder peitschte der Wind einen prasselnden Schauer gegen die Fenster. Allein bei dem Gedanken an das Wetter zog Krona die Schultern hoch. Sie hatte gehofft, es würde trocken sein, während sie in diesem Wald unterwegs war. Ihr Körper war nicht mehr sehr tolerant gegenüber regnerischen Nächten auf kalten, durchweichten Böden.

      Sie stellte sich das Markholt-Erbe vor, eine Kammer voller Gold und Edelsteine, kostbarer Geschmeide und fremdländischer Artefakte. Es würde der jungen Erbin sicher nicht auffallen, wenn irgendwo ein Edelstein fehlte. Ein schön geschliffener, erbsengroßer Diamant, und der Winter wäre gerettet. Sie würde ein kleines Haus mieten, weit entfernt von der biederen Halmesholmer Gesellschaft, und einfach nur ausruhen, während draußen der Schnee fiel.

      »Wie viele Mitstreiter habt Ihr eigentlich bisher angeworben?«, fragte Fenrir in ihre Gedanken hinein. Sie zuckte zusammen und biss heftiger in das Hörnchen als beabsichtigt. Es war mit Marmelade gefüllt, stellte sie fest, als die rote, noch warme Flüssigkeit ihr über das Kinn lief. Sie fing sie mit dem Handrücken auf und lutschte sie sorgfältig ab, bevor sie antwortete.

      »Bisher noch keinen. Ich ließ gestern einen Aushang auf dem Marktplatz machen und beauftragte einen Marktschreier mit der Bekanntgabe. Die Interessenten sollen sich heute, zwei Stunden nach Sonnenaufgang, im Goldenen Horn einfinden. Dann werde ich mal sehen, was ich so zur Auswahl habe.«

      »Die Auswahl wird nicht sehr groß sein. Dies ist eine ruhige Stadt in einer ruhigen Gegend.«

      »Das lasst nur meine Sorge sein. Ihr für Euren Teil überlegt Euch lieber, ob Ihr nun dabei seid oder nicht.«

      »Ich denke, ich bin dabei.«

      »In Ordnung.« Krona verbarg ihre Erleichterung, die nur seinen Preis in die Höhe treiben würde. »Wenn alles gut geht, brechen wir morgen bei Sonnenaufgang auf.«

      »Einverstanden«, sagte er und erhob sich. »Und nun brauche ich etwas frische Luft, das heißt, so frisch man sie eben in dieser stinkenden Stadt bekommen kann. Ich sehe Euch später im Goldenen Horn.«

      Er schulterte seinen Rucksack und schob sich an ihr vorbei. Dicht vor ihr hielt er inne und lächelte. Überrascht stellte sie fest, dass das gelbliche Leuchten in seinen Augen nicht vom Schein der Lampen stammte. Es war die eigentliche Farbe seiner Augen.

      »Falls Ihr heute noch plant, weitere Handelsleute einzuschüchtern, solltet Ihr die Marmelade aus dem Mundwinkel wischen«, sagte er. »Ihr verhunzt sonst Euren ganzen Auftritt.«

      Sie schlug die Hand vor den Mund und wandte sich ab, während Blut ihr in die Wangen schoss. Mit dem Ärmel beseitigte sie das kleine Missgeschick. Als sie sich wieder zu ihm drehte, war er bereits unter der Tür.

      »Danke für das Frühstück«, sagte er, dann verschwand er im Regen.

      »Wer hat gesagt, dass ich Euch einlade?«, rief sie ihm hinterher, war aber nicht sicher, ob er es noch gehört hatte. »Ich zieh’s Euch vom Lohn ab«, knurrte sie leise.

      Sie beendete ihr Frühstück, hob dann ihren Rucksack auf den Tisch und verstaute ein Fladenbrot und einige Brötchen darin. Mit Mühe schloss sie die Klappe. Von den Bäckersleuten war nichts zu sehen oder zu hören.

      »Ich bedanke mich für den gastfreundlichen Empfang«, rief sie nach hinten. »Ich würde Euch ja sogar weiterempfehlen, aber ich kenne niemanden in dieser Stadt! Also, nichts für ungut!«

      Der Morgen empfing sie grau und nasskalt. Sie zog den Kopf zwischen die Schultern und marschierte los.

      Drei Stunden später schien es, als würde Fenrirs Vorhersage sich bewahrheiten. Krona saß in dem stillen Nebenraum des Gasthofes zum Goldenen Horn und wartete auf die Bewerber, die schlichtweg ausblieben. Nicht einmal der Waldläufer mit den seltsamen Augen hatte sich wieder blicken lassen. Sie hatte die Füße an der Tischkante abgestützt und schwenkte Tee in ihrem Becher, dem dritten an diesem Morgen. Diesen allerdings hatte sie durch einen Schuss Klaren verstärken lassen, was ihren Missmut etwas besänftigte. Draußen peitschten heftige Windstöße den Regen gegen die dicken, trüben Scheiben. Sie überlegte, ob sie den Auftrag alleine durchführen sollte, falls sich niemand sonst fand. Es gab ein schlagendes Argument dafür: fünfundachtzig Goldkronen und zehn Prozent des Fundes. Was konnte ein Gelegenheitsabenteurer wie Mandor Markholt schon an Gefahren erzeugen, denen sie nicht auch alleine gewachsen war? Sie streckte sich und gähnte. Wenn nur der Regen nachließe.

      »Ich hoffe, ich störe nicht«, sagte eine helle Stimme. Krona erschrak zu Tode, fuhr in die Höhe, vergaß den Becher in ihrer Linken und schüttete sich heißen Tee über die Hand. Lauthals fluchend schüttelte sie die Flüssigkeit ab, während sie den tropfenden Becher von sich weg hielt.

      »Hab ich Euch erschreckt?«, sagte die Stimme. »Das tut mir leid. War nicht meine Absicht.«

      Der Sprecher, der wie aus dem Boden gewachsen vor ihr stand, hatte höchstens die Größe eines Zwergen, doch war er viel zu schmächtig, um einer zu sein. Sein Gesicht war bartlos und sehr jung, und riesengroße Augen leuchteten darin in wasserhellem Blau. Ein blonder Schopf stand ihm wie gesträubtes Gefieder vom Kopf ab, und daraus hervor ragten zwei große Ohren, die in zartem Rosa leuchteten und in auffallender Art nach vorne gerichtet waren.

      Sie stellte den Becher auf dem Tisch ab und musterte den Ankömmling, nicht gerade begeistert von dem, was sie sah. Selbst wenn man sich an seiner winzigen Statur nicht störte, so war er doch viel zu jung. Er konnte gar keine Wildniserfahrung haben.

      »Ich weiß, was Ihr denkt«, sagte der Kleine. »Keine Sorge, jeder denkt das, der mich sieht. Er denkt, warum ist der Kerl nur so klein? Die Antwort ist, ich kann’s Euch nicht sagen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt in meiner Jugend habe ich mich eben darauf beschränkt, meinen Verstand zu vergrößern. Gestattet übrigens, dass ich mich vorstelle«, damit deutete er eine drollige Verbeugung an. »Mein Name ist Pintel Luffelheim, und ich habe Euren Aushang auf dem Marktplatz gelesen. Ich sehe, Ihr werdet von Bewerbern nicht gerade überrannt. Also habt Ihr vielleicht Verwendung für mich.«

      »Ihr seid über eine Stunde zu spät«, erklärte Krona düster. »Die anderen Bewerber sind längst weg.«

      »Ach so«, sagte der Kleine und verzog den Mund zu einem breiten, äußerst ansteckenden Grinsen. »Und? War was dabei?«

      »Ich habe mich noch nicht entschieden. Also … wie, dachtet Ihr, könnte denn meine Verwendung für Euch aussehen?«

      »Keine Ahnung«, sagte Pintel achselzuckend. »Ich weiß ja noch nicht, worum es geht.«

      »Setzt Euch«, wies Krona ihn an und zeigte auf einen Stuhl.

      Pintel kletterte darauf und stützte das spitze Kinn auf die Fäuste, während Krona in kurzen Zügen die Art der Unternehmung beschrieb.

      »Prima«, sagte Pintel, als sie geendet hatte. »Klingt genau nach der Art von Abwechslung, die ich suche. Ich bin dabei, wenn Ihr mich haben wollt.«

      »Ich wiederhole meine Frage«, sagte Krona.

      »Worin liegt mein Nutzen, wenn ich Euch wähle? Was ich plane, ist Arbeit, kein lustiges Picknick.«

      »Euer

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