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nennen«, sagte der Fremde. Krona lachte. »So, na dann mögt Ihr mich Krona Karagin nennen, denn einen anderen Namen habe ich nicht. Und woher kommt Ihr? Ich nehme an, Ihr seid in dieser Stadt so fremd wie ich.«

      »Ich bin fremd in jeder Stadt. Ich halte mich fern von Städten, wann immer es geht. Ich bin nur hier, um meine Ausrüstung zu ergänzen.«

      »Menschenscheu?«

      »Gelegentlich.«

      »Wo bleibt der verfluchte Tee? Meridias nackter Arsch, sie wird es bereuen, wenn ich ihn mir selber holen muss!«

      Nur Augenblicke später erschien die völlig eingeschüchterte Bäckerin mit zwei Tonbechern und einer Kanne, aus der es dampfte.

      »Danke schön«, sagte Krona liebenswürdig. »Stellt es hier ab. Sehr aufmerksam von Euch.«

      Sie klopfte neben sich auf den Tisch, und die Bäckerin tat, wie ihr geheißen, und flüchtete in die hinteren Räume.

      »Ich sehe, Ihr habt Euren Spaß«, sagte Fenrir mit einem Lächeln, das sein bisher so ernstes Gesicht auf eine überraschend gewinnende Art aufhellte.

      »Ja.« Krona erwiderte das Lächeln sehr vergnügt. »Macht mir wirklich gute Laune, so etwas.«

      Sie tranken Tee, aßen von dem noch warmen Gebäck und lächelten sich hin und wieder über die Ränder ihrer Becher hinweg an.

      Krona betrachtete ihr Gegenüber möglichst unauffällig. Dieser Fremde hatte zwei Gesichter. Zwar saß er ruhig auf seinem Hocker und trank in kleinen Schlucken den heißen Tee, aber die Art, wie das kleinste Geräusch seine Aufmerksamkeit weckte, selbst wenn nur eine Maus im Stroh auf dem Boden raschelte oder der Wind draußen um die Häuserecke pfiff, verriet ihr, dass seine Sinne geschärft waren. Er schien auf der Hut, wie ein Raubtier, entspannt, aber aufmerksam. Wenn er dann lächelte, war der lauernde Eindruck aus seinem Gesicht verschwunden.

      Sie mochte dieses Lächeln, fühlte sich empfänglich dafür, obwohl die Wärme ihrer nächtlichen Bekanntschaft ihr noch zwischen den Schenkeln lag. Sie legte den Kopf ein wenig schräg und musterte sein Schwert. Es schien eine sauber gearbeitete Waffe zu sein, und sie war tadellos gepflegt.

      »Und?« Der Fremde verzog spöttisch den Mund. »Was ist das Ergebnis Eurer Musterung, Hauptmann?«

      Krona spürte, wie das Blut ihr in die Wangen schoss, und versteckte ihr Gesicht in ihrem Becher. In ihrer Hast verbrannte sie sich die Lippen und unterdrückte einen Fluch.

      »Ich habe nachgedacht«, erklärte sie und betastete vorsichtig ihre Oberlippe. »Ihr sagtet, Ihr würdet die Stadt meiden. Bedeutet das, Ihr kennt Euch in den Wäldern hier in der Gegend aus?«

      »Ich kenne jeden Baum zwischen hier und dem Wetterstein«, bestätigte Fenrir.

      »Und Ihr könnt auch mit diesem Schwert umgehen?«

      »Wenn es sein muss. Was bewegt Euch zu diesen Fragen?«

      Krona schluckte den letzten Bissen ihres Apfelkrapfens hinunter und leckte sich Fett und Zucker von den Fingern.

      »Einen wie Euch könnte ich gut gebrauchen. Ich suche Leute für einen Auftrag. Zwei, drei Wochen. Begrenztes Risiko.«

      »Bezahlung?«

      »Aber natürlich. Umsonst ist nur der Tod.«

      »Und dieser Auftrag ist außerhalb der Stadt zu erledigen?«

      Krona hatte den seltsamen Eindruck, dass dieser Umstand dem Fremden wichtiger war als die Höhe des Verdienstes.

      »Ja«, sagte sie. »In den Wäldern unterhalb des Wetterstein. Es gibt eine Karte, aber die ist wirklich nicht sehr genau.«

      »Vielleicht erzählt Ihr mir zunächst, worum es sich handelt?«

      Diesmal blies Krona über ihren Tee, bevor sie einen Schluck nahm. Ihre Oberlippe prickelte unangenehm. Für einen Augenblick bereute sie, dass sie ihren militärischen Rang erwähnt hatte. Ein Hauptmann, der sich anwerben ließ wie ein gemeiner Söldner. Die Geschichte eines Abstiegs.

      »Es gibt ein angesehenes und sehr reiches Handelshaus hier in der Stadt«, holte sie aus. »Mandor Markholt der Ältere. Stoffe und Gewürze. Dieser Markholt war ein alter Bekannter von mir. Wir haben einige Reisen gemeinsam unternommen, bevor er sesshaft wurde und das Abenteurerleben aufgab – was ich auch hätte tun sollen, nebenbei bemerkt. Ich kam kürzlich hierher, um ihn aufzusuchen, erfuhr dann aber, dass er vor einigen Wochen gestorben ist.«

      »Das tut mir leid«, sagte Fenrir.

      »Muss es nicht. Er war nicht gerade einer meiner engsten Freunde. Ist ein bisschen verbohrt geworden, seit er in den Handel eingestiegen ist.«

      »Was wolltet Ihr von ihm?«

      Krona zögerte kurz.

      »Ich wollte mir Geld leihen. Ich komme gerade von einer Seereise, die meine Ersparnisse aufgebraucht hat, und der Winter steht ins Haus.«

      »Verstehe.«

      »Das glaube ich nicht, aber es tut auch nichts zur Sache. Ich traf seine Nichte an, Jerina Markholt, sie ist die Erbin des gesamten Unternehmens. Ein linkisches, reizloses Mädchen, keine zwanzig Jahre alt, und reichlich überfordert mit der Situation. Ich kam gerade im rechten Augenblick, aus ihrer Sicht. Es gibt da nämlich ein kleines Problem mit der Erbschaft, genauer gesagt, mit den Schätzen, die der alte Markholt von seinen Reisen mitgebracht hat. Er hat sie ihr nicht einfach hinterlassen, sondern er hatte die schrullige Idee, dass die Kleine sich das Erbe erarbeiten soll. Er hat in diesen Wäldern ein Versteck angelegt, wo der ganze Schatz liegt, aber laut Testament kann man nicht einfach reinmarschieren und das Zeug mitnehmen, sondern muss eine Art Hindernislauf hinter sich bringen. Prüfungen verschiedener Art, Kampfkraft und Ähnliches. Das Testament sagt, man sollte es nicht ohne einige gute Freunde an seiner Seite versuchen.«

      »Und Euch als alte Bekannte des Verstorbenen hat diese junge Dame um Unterstützung ersucht«, ergänzte Fenrir.

      »Genau genommen beabsichtigt diese junge Dame nicht, sich selbst die Hände schmutzig zu machen. Das Handelshaus wirft einen Haufen Gewinn ab. Genug, um Leute zu bezahlen, die das für sie erledigen.«

      »Ihr werdet doch nicht etwa Geld nehmen für diesen Freundschaftsdienst?«

      »Na, aber doch. Ich habe vor, den Winter in einem netten, ruhigen Haus zu verbringen und nicht irgendwo unter Bäumen auf gefrorenem Boden.«

      Fenrir sah sie lange an, mit dem eigenartigen gelben Widerschein in den Augen.

      »Was?«, fauchte sie schließlich. »Ihr glaubt doch nicht, dass die Kleine sich arm macht, indem sie mir den Ausflug bezahlt! Jeder muss sehen, wo er bleibt, oder nicht?«

      Er hob abwehrend die Hände. »Es liegt mir fern, moralische Urteile zu fällen. Ihr werdet schon wissen, was Ihr tut.«

      »Schön. Moral macht nämlich nicht satt. Eine anständige Bezahlung aber schon.«

      »Und Euer Schwert gehört jedem, der anständig bezahlt?«

      Krona rutschte vom Verkaufstisch. »Ich suche mir einen anderen. Ihr stellt mir zu viele Fragen.«

      »Ist das nicht verständlich? Ich muss doch ein wenig über Euch wissen, bevor ich entscheiden kann, ob ich auf Euer Angebot eingehe.«

      Sie blieb mitten im Raum stehen, die Arme vor der Brust verschränkt, die linke Hand ruhte auf dem glatten, abgegriffenen Knauf ihres Schwertes, und sah zu ihm hinunter.

      »Nicht jedem«, sagte sie schließlich. »Aber die Wahrscheinlichkeit steigt mit der Höhe der Bezahlung. In diesem Fall sage ich mir, dem alten Markholt kann es egal sein, und es ist gutes, schnell verdientes Geld.«

      »Wie viel?«

      »Fünfundachtzig Goldkronen, zuzüglich zehn Prozent des Gegenwertes von dem, was wir finden.«

      »Für jeden?«

      Sie lachte auf. »Nein. Für mich. Und ich bezahle

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