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      Heute hatte Leni ihr frischgebackene Schokoladen-Muffins mitgegeben, die nicht nur köstlich aussahen, sondern auch ganz fantas­tisch schmeckten, von außen waren sie kross, innen hatten sie eine leicht cremige Konsistenz, so dass man sofort geneigt war, mit der Zunge in diese herrliche Schokoladenmasse hineinzutauchen.

      Seit Jan da war, hatten sie nicht über die Reise nach Frankreich gesprochen, aber heute wollte Bettina es ansprechen.

      Schließlich hatte sie Marcel ihr Kommen zugesagt, und Jan hatte ihr versprochen, mit auf das Chateau zu fahren, weil sie Probleme damit hatte, dort unter so anderen Voraussetzungen aufzutauchen, nämlich als Erbin.

      Bettina bemerkte, wie Jan zu einem dritten Muffin griff und genießerisch hineinbiss. Unabhängig davon, dass die Muffins wirklich ganz hervorragend waren, musste er ja auch Hunger haben, denn er machte niemals eine Mittagspause und aß demzufolge nichts, während sie sich die gemeinsamen Mahlzeiten bei den Dunkels nicht nehmen ließ.

      »Kommst du mit deiner Arbeit gut voran?«, erkundigte sie sich schließlich.

      »Ja, es geht besser als ich dachte«, sagte er, »aber das liegt daran, dass ich hier nicht abgelenkt werde. Ich denke noch zwei, drei Tage, dann ist es geschafft.«

      »Dann können wir also auf das Chateau fahren?«, erkundigte sie sich hoffnungsvoll.

      Jan schüttelte den Kopf.

      »Nein, Liebes, das geht diesmal leider nicht. Wenn meine Arbeit fertig ist, muss ich weg. Ich sagte doch schon, dass etwas sehr Dringendes auf mich wartet.«

      »Etwas, was so dringend ist, dass du nicht ein paar Tage für mich einschieben kannst? Jan, du hast es mir versprochen, mich zu begleiten.«

      »Ja, das weiß ich, und ich werde es auch tun, beim nächsten Mal.«

      »Beim nächsten Mal, ich habe Marcel mein Kommen zugesagt. Er rechnet damit.«

      Er langte über den Tisch, griff nach ihrer Rechten, die nervös mit der Serviette spielte, umfasste sie sanft.

      »Liebes, du hast ihm keinen fes­ten Termin genannt, und selbst wenn es so wäre, könntest du ihn canceln. Du bist der Boss und entscheidest.«

      »So einfach ist es nicht, die Leute auf dem Chateau wollen wissen, wie es dort weitergeht.«

      »Und das weißt du? Das kannst du ihnen sagen?«

      Bettina entzog ihm abrupt ihre Hand.

      »Nein, das kann ich nicht, aber deswegen sollst du ja mitkommen.«

      »Um für dich zu entscheiden? Meine Liebe, das würde mich sehr überfordern. Ich kann dir nicht sagen, was du tun sollst. Warte einfach noch ein paar Wochen. Du hast es so lange hinausgeschoben. Jetzt musst du auch nichts über’s Knie brechen.«

      »Aber ich habe Angst …«

      Er winkte ab.

      »Du hast keine Angst, du fühlst dich nur unbehaglich. Angst ist das Stoppschild des Lebens … Du hast dein Leben im Griff, hast schon so vieles erreicht. Chateau Dorleac ist bei diesem Marcel in allerbesten Händen, du kümmerst dich von hier aus. Schieb die Reise auf, beim nächsten Mal werde ich dich begleiten.

      In spätestens zwei Wochen werde ich wieder hier sein. Dann fliegen wir sofort nach Frankreich, versprochen. Und, sag ehrlich, in dieser Zeit brennt ja dort wohl nichts an.«

      Das war es nicht, und so einfach konnte er es sich nicht machen.

      »Für Marcel ist es wichtig, dass ich so schnell wie möglich komme und für die anderen dort unten auch.«

      »Liebes, du hast dir in dein hübsches Köpfchen gesetzt, dass genau jetzt diese Reise stattfinden soll, aber im Leben gibt es keine starren Regeln, da muss man flexibel sein.«

      »Aber Versprechen muss man einhalten«, wandte sie ein.

      Er lächelte.

      »Mein Liebes, das wirst du doch auch. Ich kann jetzt wirklich nicht mit dir nach Frankreich fahren, und weißt du, manchmal ist es sogar gut, etwas aufzuschieben. Vieles erledigt sich dadurch sogar von selbst.«

      Was sollte das denn?

      »Vielleicht hast du recht, aber in diesem Fall kommt ganz bestimmt nicht eine Zauberfee, die die Dinge für mich regelt.«

      Er zog den Teller, auf dem noch zwei Muffins lagen, wieder zu sich heran, nahm eine dieser Köstlichkeiten herunter und führte sie genießerisch zum Mund, um genuss­voll hineinzubeißen.

      »Entschuldige«, sagte er, nachdem er den Bissen heruntergeschluckt hatte, »ich konnte einfach nicht widerstehen, sie sind einfach himmlisch, und ich sollte es mir angewöhnen, mittags etwas zu mir zu nehmen, damit ich nicht heißhungrig über alles herfalle.«

      Wollte er jetzt einfach ablenken, weil es ihn nervte, weiter über diese Reise zu reden?

      Schon wollte Bettina zu einer heftigen Bemerkung ansetzen, als er ihr zuvorkam.

      »Ich bitte dich wirklich, die Reise aufzuschieben, zumal du doch überhaupt noch nicht weißt, wie es auf dem Chateau weitergehen soll. Das Konzept musst du schon vorher haben, denn du glaubst doch nicht, dass dir die Erleuchtung da unten einfach so zufliegt?«

      Das stimmte schon, was er da sagte, aber eigentlich war es ihr nicht so sehr darum gegangen, ein Konzept zu haben und eine Entscheidung zu treffen, sondern den ersten Aufenthalt auf dem Chateau zu überstehen mit der Gewissheit, dass Jörg dort niemals mehr auftauchen würde und sie seine Erbin war.

      »Lass uns das Thema wechseln«, schlug sie vor.

      »Bist du jetzt sauer, Bettina?«, wollte er wissen und schaute sie prüfend an.

      Bettina schüttelte den Kopf.

      »Nein, ich bin nicht sauer, nur enttäuscht, weil …«, sie brach ihren Satz ab, weil sie nicht schon wieder herunterleiern wollte, dass er ihr fest versprochen hatte, sie zu begleiten. Das wollte er ja noch immer, nur sie klammerte sich fest daran, dass es diesmal geschehen musste. War sie zwanghaft, wie Grit, ihre Schwester, ihr manchmal vorwarf?

      Er stand auf, trat neben ihren Stuhl, zog sie zu sich empor. Er nahm sie in die Arme, sie hörte den gleichmäßigen Schlag seines Herzens.

      Behutsam strich er ihr über das Haar, das glücklicherweise schon ein ganzes Stück gewachsen war, auch wenn es längst noch nicht seine ursprüngliche Länge erreicht hatte, nachdem sie es in einem Anflug von Wahnsinn, anders konnte man es ja wohl nicht bezeichnen, hatte raspelkurz abschneiden lassen. Und das alles nur aus Verzweiflung darüber, dass Thomas verheiratet war und sie hintergangen hatte …

      »Sei nicht traurig, mein Liebes. Ich will mich wirklich nicht drücken, im Gegenteil, ich freue mich auf Frankreich und das Chateau, doch meine Reise jetzt ist wichtiger als alles andere. Irgendwann wirst du mir da zustimmen.«

      Warum sagte er ihr einfach nicht, was so wichtig war, sondern eierte herum.

      »Und was …«

      Er legte ihr einen Finger auf die Lippen und hinderte sie so am Weitersprechen.

      »Ich kann nicht darüber sprechen, noch nicht.«

      Na bravo!

      »Was hältst du von einem Spaziergang?«, lenkte sie ab, weil es überhaupt nichts brachte, jetzt weiter darüber zu diskutieren. Fakt war schließlich, dass Jan sie wegen einer unaufschiebbaren Reise nicht begleiten konnte, wollte, was auch immer, und sie musste mit ihrer Enttäuschung fertig werden, dass aus der gemeinsamen Fahrt nach Frankreich nun nichts wurde, zumindest vorerst nicht.

      Er ließ sie los, nachdem er ihr einen sanften, zärtlichen Kuss auf die Stirn gedrückt hatte.

      »Eine wunderbare Idee, mein Herz, lass uns direkt losgehen, ehe die Sonne verschwindet.«

      *

      Nach Jan’s Abreise hatte der Alltag Bettina wieder voll im Griff. Es war doch einiges liegen geblieben, was jetzt aufgearbeitet werden musste.

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