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Verdecken sie den Hut, ist das Licht fort. Geben sie ihn wieder frei, sieht der nächste Posten den Leuchtpunkt in der Nacht. Sie könnten eine Meile voneinander entfernt sein und sich doch auf diese Weise verständigt haben.

      Der Chiricahua hielt an. Sie waren bis auf Felsen über einem Einschnitt gekommen, und der Indianer bückte sich. Als er sich aufrichtete, zerbrach er ein Streichholz zwischen den Fingern.

      »Hier war die andere?« fragte Concho. »Du meinst, er hat die Signale des ersten Postens gesehen und selber welche weitergegeben? Und unsere beiden Freunde – sie ritten also im Bogen nach rechts hier vorbei, doch nicht weit genug? Der Posten sah sie und blieb hinter ihnen?«

      Der Chiricahua nickte, wandte sich nach rechts und lief los. Es dauerte keine acht Minuten, dann hielt er wieder an, das Gesicht in den Wind gewendet. Auch Concho zog die Luft ein. Die Hand des Indianers machte Bewegungen, als hätte sie sich in eine Vogelschwinge verwandelt. Danach stieß sie steil hinab. »Geier, Mattare?«

      Wieder nickte der Indianer, stieg über Felsen in die Tiefe. Der Geruch wurde jetzt stärker, wurde so widerlich, daß sie aus der Windrichtung hasteten und dann von der Seite her durch Büsche und Kakteen an die Felswand zurückkehrten. Sie stießen auf das Maul eines Seitentales, auf Sand. Knochen – Eingeweide… bestialischer Gestank empfing sie.

      Concho Hurst starrte auf die vom Mondlicht angestrahlte Grube, die man nicht tief genug und auch nicht fest genug zugestampft hatte. Zuerst waren Kojoten gekommen, deren Heulen nun aus einiger Entfernung zu hören war. Wahrscheinlich waren die Kojoten satt. Und die Geier fraßen nachts nicht.

      Schweigend warf Concho dem Indianer das Lasso zu. Der stieg in die Grube, machte eine Schlinge, zog etwas heraus – den Rest eines Mannes, dessen Kopf ein Machetenhieb zertrümmert hatte.

      »Du kanntest Gonzales, Mattare?« Der Indianer nickte. Es war Gonzales, es gab keinen Zweifel.

      »Brown?« fragte Concho gepreßt. »Liegt der…«

      Mattare schüttelte den Kopf, deutete nach Westen, lief, nachdem er das Lasso abgestreift hatte, wieder los.

      Wir werden auch Brown finden, dachte Concho bitter. Sie machten nur einen Fehler, sie ritten zu lange auf der Fährte. Sie hätten von ihr abbiegen und nur ab und zu wieder in ihrer Richtung vorstoßen sollen, um sie nicht zu verlieren. Wir werden auch Brown finden.

      Sie fanden ihn. Es war eine Viertelstunde später, als der Chiricahua auf die Brandstelle eines toten Feuers stieß. Asche in kleinen, in diesem Tal von keinem Wind zerstäubten Flocken – Knochen, Reste einer Mahlzeit von vielen Männern. Der Chiricahua war wie ein Tier, ein einsamer Wolf, der etwas suchte und sich auf seinen Instinkt verließ. Er lief nicht mehr, er ging auf die Büsche zu.

      Sie haben ihn liegenlassen, dachte Concho – für die Geier! Haben sie nicht daran gedacht, daß Geier jedem Scout verraten, daß etwas geschehen ist? Oder… warum sonst – warum sonst haben sie ihn nicht wie Gonzales begraben?

      Er starrte einen Moment auf den Körper hinab. Da war nur der Rumpf mit ein paar Kleiderfetzen, an denen zu sehen war, daß es ein Amerikaner gewesen war, der hier gelegen hatte. Der Kopf lag etwa zehn Schritt weiter. Die Geier hatten ihn hergetragen und außer den Augen nicht viel an ihm gefunden.

      Concho Hurst fror leicht.

      »Mattare…«

      Der Chiricahua kam lautlos über die kahle Fläche der Lichtung. Er war schon weitergegangen, hatte sich umgesehen. Seine Hand deutete auf einen Fleck an den Büschen, der aussah, als wäre die Erde frisch umgegraben und dann festgestampft worden. Er begann auf seine Art zu reden. Für einen Fremden wäre es unverständlich geblieben, auch wenn er auf seine Hände und sein Mienenspiel geachtet hätte. Der Indianer redete mit dem ganzen Körper.

      Drei Tote, sagte die Zeichensprache des Chiricahua, Mexikaner – Bravados. Brown muß sie umgebracht haben. Sie haben dort drüben gelegen, ehe man sie begrub – drei Männer. Es war Brown, verstehst du, Concho? Sie haben ihn darum nicht begraben. Sie tun das nie, wenn jemand ihre Freunde, Vettern oder Brüder getötet hat. Dann lassen sie den Mörder für die Geier liegen. Sie fingen ihn und banden ihn an vier Pflöcke, dann folterten sie ihn – nicht sehr. Danach banden sie ihn los und ließen ihn laufen!

      »Was? Sie ließen ihn laufen? Warum das?«

      Ich weiß nicht, Concho. Es hat einen Zweikampf gegeben – dort, wo er liegt. Ein Mann ist ihm nachgerannt. Er hat ihm erst den Arm zerschlagen, danach den Hals… und dann ließ er ihn liegen für die Geier!

      »Warum haben sie ihn nur wieder losgebunden – verstehst du das, Mattare?«

      Nein, sagte der Chiricahua, seine Finger bewegten sich. Sie hätten ihn töten können, als er gebunden war. Komm mit, ich muß dir etwas zeigen.

      Es war unheimlich – selbst für Concho, der den Chiricahua nun fast elf Jahre kannte. Der Indianer hatte die Stimme verloren, aber all seine anderen Sinne hatten sich zur Perfektion entwickelt. Manchmal überraschte er Concho damit, daß er ihn nur ansah und – seine Gedanken erriet!

      Jetzt lief er vor ihm her. Er sagte mit der einen Hand, daß sie hier niemand zu fürchten hätten, die Bravados wären alle längst fort. In einer Mulde blieb er stehen. Vor ihm lag ein runder Stein am Boden – es gab ein paar Eindrücke hier. Der Chiricahua bückte sich, hob etwas auf. Es waren einige lange schwarze Haare.

      »Eine Frau, Mattare?«

      Ja, eine Frau, Concho. Sie war hier… mit einem Mann, ein großer Mann, größer als Mexikaner es sind, ein blonder Mann – sieh her, er trug einen Revolver wie du – an der Hüfte. Hier lag er… mit der Frau.

      Concho Hurst starrte auf den Boden. Er nickte nur.

      »Und – was meinst du?«

      Garcia, denke nach… Garcia hat eine Schwester, Concho.

      »Tatsächlich, ich erinnere mich«, sagte Concho überrascht. »Du meinst, sie war das hier? Vielleicht ist das eine Erklärung dafür, daß sie Brown losbanden – oder bat der Amerikaner darum?«

      Vielleicht sie – vielleicht der Amerikaner. Wir sollten sehen, wo sie geblieben sind – die Männer und die Frau, Concho!

      Der Chiricahua wartete keine Antwort ab. Er stieg auf sein Pferd, das Gesicht ausdruckslos. Seine linke Hand griff, während sie davonritten, in die Satteltasche. Er bevorzugte getrocknetes Fleisch. Er zog sein Messer, nahm das Fleisch aus der Satteltasche, schnitt mit diesem kleinen, aber haarscharfen Skalpmesser, indem er zuerst in das Fleisch biß, blitzschnell vor seinen Lippen her. Die Portion, die er dann kaute, war genau mundgerecht.

      Concho sah weg – er hatte das Gefühl im Magen, zuviel gegessen zu haben und gleich brechen zu müssen.

      Der Chiricahua hielt plötzlich an, blickte nach dem Himmel, den Sternen…

      »Mattare, sie sind nach Südosten geritten, siehst du das – immer nach Süd­osten! Mattare – Brown – sie haben Brown ausgefragt. Erinnere dich – Rutherford sagte etwas. Mattare, Brown hat gewußt, daß zweihundert Gewehre nach Monterrey gebracht werden sollen. Mattare, das sind sie – und sie haben eine Teufelei vor, wette ich. Eilig hatten sie es nicht besonders. Und dennoch, wenn sie diese Richtung beibehalten haben, dann sind sie etwa zwischen Paras und Cerralvo. Sie haben drei Tage Vorsprung, sie sind längst dort. Der Transport geht doch…«

      Der Chiricahua stieß einen dumpfen Laut aus.

      Concho nickte und ritt jäh wieder an. Jetzt ließ er das Pferd laufen und riß das Ersatzpferd heftig mit. Der Chiricahua fegte an seiner Seite vorwärts.

      »Mattare – denke an Garcia und das erbeutete Geld. Er kann sich hundert Männer dafür kaufen. Für zwei Dollar bekommt er jeden herumlungernden Peon in seinen Dienst. Er hat immerhin die Waffen der Wageneskorte und die von Brown und Gonzales. Das sind mindestens fünfzehn Gewehre mehr und die gleiche Anzahl Revolver. Der Kerl kann also dreißig Mann sofort bewaffnen. Und für zweihundert bekäme er Gewehre, wenn… der Teufel, das ist es! Der Transport muß in dieser Nacht über die Grenze gehen. Morgen ist er in der Gegend von Paras.

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