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doch alles, daß Jacques von Boiscoran schuldig war, und vor die Wahl zwischen einem Freunde und der Gelegenheit zur Überführung gestellt, entschied er sich leicht.

      Nach einer Minute Stillschweigens trat er mit gekreuzten Armen dicht vor den Unglücklichen. »Gestehen Sie jetzt?« fragte er ihn.

      Wie mit Federkraft emporgeschnellt, erhob sich Herr von Boiscoran.

      »Wie?« rief er, »was soll ich Ihnen gestehen?«

      »Daß Sie der Urheber des Verbrechens in Valpinson sind!«

      Mit einer krampfhaften Bewegung barg der unglückliche junge Mann sein Gesicht in beide Hände.

      »Aber – das ist ja Wahnsinn!« rief er. »Ich der Urheber eines so abscheulichen, so feigen Verbrechens! ... Ist es möglich, ist es wahrscheinlich! Selbst wenn ich es einräumte, würden Sie es mir nicht glauben. Nein, Sie könnten es nicht glauben!«

      Es wäre ihm eher gelungen, den Marmor des Kamins zu erweichen als Herrn Galpin-Daveline.

      »Es handelt sich hier nicht um mich«, sprach der Richter in eisigem Ton. »Wozu auf Beziehungen zurückkommen, die vergessen sein müssen? Es ist hier nicht mehr der Freund, ja nicht einmal mehr der Mensch, es ist der Richter, der zu Ihnen spricht. Man hat Sie gesehen ...«

      »Wer ist der Elende, der das behauptet?«

      »Cocoleu.«

      Herr von Boiscoran war wie vom Donner gerührt.

      »Cocoleu«, stotterte er, »der arme epileptische Schwachsinnige, der von der Gräfin von Claudieuse aus Barmherzigkeit aufgenommen wurde?«

      »Derselbe.«

      »Und die zusammenhanglosen Reden eines Elenden, vom Wahnsinn Geschlagenen reichten hin, Sie an meine Schuld glauben zu machen – mich einer Brandstiftung, eines Mordes fähig zu halten?«

      Nie hatte der Untersuchungsrichter jenen feierlichen Ernst stärker entfaltet, welcher die Gemüter verblüfft und mit Furcht erfüllt, als in diesem Augenblicke.

      »Während einer Stunde wenigstens«, sprach er stark betont, »befand sich Cocoleu im Vollbesitz seiner Vernunft; die Wege der Vorsehung sind unerforschlich.«

      »Mein Herr –«

      »Und was Cocoleu gesagt hat, wollen Sie wissen? Daß er gesehen, wie Sie mit eigener Hand ein Schwefelholz angezündet, sich alsdann hinter einem Holzhaufen versteckt und zwei Schüsse auf den Grafen von Claudieuse abgefeuert haben.«

      »Und das ist Ihnen ganz wahrscheinlich vorgekommen?«

      »Nein, ich war wie alle Welt empört. Sie schienen hoch über jeden Verdacht erhaben. Aber siehe – einen Augenblick später hebt man vom Schauplatz des Verbrechens eine Patronenhülse auf, die nur von Ihnen herrühren konnte, und da ich hier unvermutet eintreffe, finde ich in dem Wasser, in welchem Sie sich später die Hände gewaschen haben, Ruß und Überreste verbrannten Papiers.«

      »Ja«, murmelte Herr von Boiscoran, »das ist fatal.«

      »Und das ist noch nicht alles«, fuhr der Richter, mehr und mehr die Stimme erhebend, fort. »Ich verhöre Sie, und Sie geben zu, gestern abend von acht Uhr bis Mitternacht auswärts gewesen zu sein. Ich frage Sie, wo Sie diese vier Stunden zugebracht haben, und Sie verweigern mir die Antwort. Ich beharre darauf, und Sie lügen. Um Sie in Widerspruch zu setzen, bin ich genötigt, Ihnen das Zeugnis Ribots, Gaudrys und der Frau Courtois anzuführen, die Sie gerade da gesehen und erkannt haben, wo Sie nicht gewesen zu sein behaupten. Dieser letzte Umstand allein verurteilt Sie. Wo befanden Sie sich denn und was trieben Sie an diesem Abend, daß Sie mir keinen Aufschluß geben wollen? Sie behaupten, unschuldig zu sein; nun, so seien Sie mir behilflich, Ihre Unschuld an den Tag zu bringen. Sprechen Sie! Was haben Sie von acht Uhr bis Mitternacht getan?«

      Herr von Boiscoran hatte nicht mehr Zeit, zu antworten.

      Schon seit einigen Augenblicken erscholl es vom Hofe wie verworrene Rufe und Tumult einer aufgeregten Menge.

      Mit äußerst bestürzten Mienen trat ein Gendarm herein.

      »Meine Herren«, sprach er, sich an den Untersuchungsrichter und an den Staatsanwalt wendend, »es sind unten an die hundert Bauern, Männer und Weiber, versammelt, die dem Herrn von Boiscoran zu Leibe wollen. Sie fordern ihn und schreien, daß sie ihn ins Wasser werfen wollen. Einige Männer sind mit Heugabeln bewaffnet; aber die Weiber sind die schlimmsten ... Mein Kamerad und ich haben die größte Mühe, sie zurückzuhalten.«

      Und in der Tat hörte man zur Bestätigung seiner Angabe den Lärm sich nähern und verstärken, und sehr deutlich vernahm man den Ruf: »Ins Wasser mit Boiscoran! Ersäuft den Brandstifter!«

      Der Staatsanwalt erhob sich.

      »Gehen Sie hinunter«, befahl er, »und sagen Sie diesen Bauern, daß das Gericht den Angeklagten verhört, daß sie uns stören und daß sie es mit mir zu tun haben werden, wenn sie noch fortfahren zu lärmen.« Der Gendarm gehorchte. Herr von Boiscoran war leichenblaß geworden.

      »Alle diese Unglückseligen halten mich also für schuldig«, murmelte er.

      »Ja«, antwortete Herr Galpin-Daveline, »und Sie würden ihren bis zu einem gewissen Punkte gerechtfertigten Zorn begreifen, wenn Sie alle die traurigen Ereignisse der verflossenen Nacht kennten.«

      »Was denn noch?«

      »Zwei Feuerwehrleute aus Sauveterre, von denen der eine Vater von fünf Kindern war, sind in den Flammen umgekommen. Zwei Männer, ein Pächter aus Bréchy und ein Gendarm, die ihnen Rettung bringen wollten, haben so gefährliche Brandwunden erlitten, daß man für ihr Leben fürchtet.«

      Herr von Boiscoran schwieg.

      »Und Sie sind es«, fuhr der Richter fort, »den man all des Unheils anklagt. Sie sehen wohl, wie notwendig es ist, daß Sie sich rechtfertigen.«

      »Aber – wie kann ich!«

      »Wenn Sie unschuldig sind, gewiß! Weisen Sie Ihr Alibi über den gestrigen Abend nach!«

      »Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich sagen konnte.«

      Der Untersuchungsrichter schien eine Zeitlang zu überlegen.

      »Nehmen Sie sich in acht, Herr von Boiscoran«, sprach er dann, »ich werde mich genötigt sehen, einen Haftbefehl gegen Sie auszustellen.«

      »Tun Sie es.«

      »Ich werde genötigt sein, das Verhör abzubrechen und Sie in das Gefängnis von Sauveterre führen zu lassen.«

      »Sei es!«

      »Sie bekennen demnach ...«

      »Ich bekenne, daß ich das Opfer eines unerhörten Zusammentreffens von Zufällen bin ... daß Sie recht haben, und daß es der Vorsehung überlassen werden muß, gewisse Widersprüche zu erklären. Aber bei allem, was heilig ist, schwöre ich, daß ich unschuldig bin!«

      »So beweisen Sie es!«

      »Ach, es wäre schon geschehen, wenn ich es könnte.«

      »Wollen Sie sich denn ankleiden, mein Herr, und bereithalten, den

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