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einem Achselzucken, welches deutlich besagte, daß er auf einen Aufschluß über diesen Vorgang verzichtete, zeigte Herr von Boiscoran seine Hände.

      Sie waren vollkommen rein und weiß; die Nägel ziemlich lang und sorgfältig gereinigt.

      »Wann haben Sie sich zuletzt die Hände gewaschen?« fragte Herr Galpin-Daveline nach einer genauen Besichtigung.

      Bei dieser Frage klärte Herrn von Boiscorans Gesicht sich auf, und in helles Lachen ausbrechend, rief er: »Meiner Treu'! ich gestehe, daß ich erschrocken war. Ich geriet schon in Unruhe, ja ich fürchtete mich fast!«

      »Und Sie hatten Grund, sich zu fürchten«, entgegnete Daveline, »eine schreckliche Beschuldigung lastet auf Ihnen! Und von der Antwort auf die Frage, die ich Ihnen stelle, und die Ihnen lächerlich scheint, hängen vielleicht Ihr Glück und Ihre Freiheit ab.«

      Für diesmal war kein Irrtum mehr möglich. Herr von Boiscoran fühlte sich von jenem Schauer ergriffen, den die Justiz jedem, auch dem ehrlichsten Menschen, einflößt.

      Er erbleichte und sprach mit bebender Stimme: »Was? – Eine Anklage lastet auf mir, und Sie sind es, Galpin-Daveline, der vor mich hintritt, um mich zu verhören?«

      »Ich bin Beamter, mein Herr!«

      »Aber Sie waren auch mein Freund. Wenn irgend jemand gewagt hätte, in meinem Beisein Sie eines Verbrechens, einer Gemeinheit, einer Schändlichkeit anzuklagen, so hätte ich Sie aus allen Kräften verteidigt; ohne Zögern, ohne Hintergedanken hätte ich Sie verteidigt, bis man mir den greifbaren, unwiderruflichen, überzeugenden Beweis Ihrer Schuld geliefert hätte. Und würde man mich endlich von Ihrer Schuld überzeugt haben, so hätte ich Sie beklagt, aber ich würde mich nicht weniger erinnert haben, daß es eine Zeit gab, in welcher ich Sie so hoch achtete, daß ich Ihnen eine Verbindung erleichterte, welche uns zu Verwandten gemacht hätte ... Aber Sie!?

      ... Man beschuldigt mich, ich weiß nicht wessen, doch augenscheinlich irrtümlich, und alsbald schenken Sie der törichten Anklage Glauben und zeigen sich bereit, mein Richter zu sein! ... Wohl! Es sei! Ich habe mir gestern abend bei meiner Rückkehr nach Hause zuletzt die Hände gewaschen.«

      Es war nicht umsonst, daß Herr Galpin-Daveline sich seines kalten Blutes und seiner Selbstbeherrschung gerühmt hatte. Er zuckte während dieser harten Anrede nicht einmal mit den Wimpern, und immer in demselben Ton fortfahrend, fragte er: »Was ist aus dem Wasser geworden, dessen Sie sich bedienten?«

      »Es muß noch dort in meinem Ankleidezimmer sein.«

      Der Untersuchungsrichter beeilte sich, es in Augenschein zu nehmen.

      Auf dem marmornen Tisch stand eine Porzellanschale voll Wasser. Dieses Wasser war schwarz und schmutzig. Auf dem Grunde sah man deutlich einige verkohlte Überreste. Auf der Oberfläche schwammen sehr kleine, aber doch erkennbare Reste verbrannten Papiers.

      Mit der größten Vorsicht trug der Untersuchungsrichter selbst die Schale an den Tisch, an welchem Méchinet saß, und fragte, indem er sich an Herrn von Boiscoran wandte: »Ist dies das Wasser, in welchem Sie sich nach Ihrer Rückkehr gestern abend die Hände gewaschen?«

      »Ja«, sagte Herr von Boiscoran in einem Ton verächtlicher Sorglosigkeit.

      »Sie haben also verbrannte Gegenstände berührt?«

      »Sie sehen es wohl!«

      Der Staatsanwalt und der Aktuar, die sich fast gegenüberstanden, warfen sich einen bedeutsamen Blick zu. Sie hatten gleichzeitig denselben Eindruck empfunden.

      Wenn Herr Boiscoran nicht schuldig war, so war er jedenfalls ein Mensch von außerordentlicher Kühnheit und Energie, der einen lang überlegten Plan verfolgte; denn seine Antworten schienen ihn als offenbare Geständnisse gleichsam an Händen und Füßen gebunden dem Gericht zu überliefern.

      Der Untersuchungsrichter selbst schien von Erstaunen erfaßt zu sein. Aber das währte nur einen flüchtigen Augenblick.

      »Schreiben Sie«, befahl er dann, sich zu dem Aktuar wendend, und er diktierte ihm das Protokoll mit der größten Sorgfalt, das Gesagte sogar hin und wieder verbessernd, um den rechten Ausdruck im gefeiltesten Stil zu treffen. »Fahren wir fort«, sprach er darauf zu Herrn von Boiscoran. »Sie haben den gestrigen Abend draußen außer dem Hause zugebracht?«

      »Ja!«

      »Sie sind um acht Uhr ausgegangen und erst um Mitternacht zurückgekehrt?«

      »Ja, nach Mitternacht.«

      »Sie hatten Ihr Gewehr mitgenommen?«

      »Ja.«

      »Wo ist es?«

      »Da«, antwortete Herr von Boiscoran, mit einer sorglosen Bewegung nach der Kaminecke weisend.

      Hastig bemächtigte Herr Galpin-Daveline sich des Gewehrs.

      Es war eine Luxuswaffe von der auserlesensten Arbeit. Auf dem Laufe las man den Namen des Fabrikanten: Klebb.

      »Wann haben Sie dieses Gewehr zuletzt abgefeuert?« fragte der Untersuchungsrichter.

      »Vor vier oder fünf Tagen.«

      »Bei welcher Gelegenheit?«

      »Um die Kaninchen zu schießen, die meine Gehölze verderben.«

      Mit aller Aufmerksamkeit, deren er fähig war, untersuchte Herr Galpin-Daveline die Waffe, indem er die Mechanik derselben spielen ließ, welche eine gewisse Ähnlichkeit mit dem System Remington hatte.

      Dann öffnete er den Lauf und überzeugte sich, daß das Gewehr geladen war.

      In jedem Lauf befand sich eine Patrone in einer metallenen Hülse.

      Nachdem dies festgestellt war, stellte er das Gewehr an seinen früheren Platz und fragte, indem er dann die von Pitard gefundene metallene Hülse aus der Tasche zog und Herrn von Boiscoran hinhielt:

      »Kennen Sie das hier?«

      »Sehr wohl!« antwortete Herr von Boiscoran. »Es ist die Hülse einer meiner Patronen, die ich wahrscheinlich nach dem Schuß weggeworfen habe.«

      »Glauben Sie denn der einzige Mensch im Lande zu sein, der eine Flinte von diesem System besitzt?«

      »Ich glaub' es nicht nur, ich bin überzeugt davon!«

      »So daß eine Patronenhülse von Klebb, diese zum Beispiel, gleichviel, an welchem Ort sie gefunden wäre, unzweifelhaft Ihre Anwesenheit daselbst beweisen würde?«

      »Unzweifelhaft nicht. Ich habe mehr als einmal gesehen, wie die Bauernkinder die Hülsen, die ich wegwarf, aufhoben, um damit zu spielen.«

      Während der Gerichtsschreiber seine Feder über das Papier hinfliegen ließ, erlaubte er sich einige bedeutsame Mienenspiele. Er war mit dem Hergang einer Kriminaluntersuchung zu vertraut, um sich nicht von der Taktik des Herrn Galpin-Daveline Rechenschaft zu geben; es war eine gefährliche und hinterlistige Taktik, welche darauf hinausging, den Angeklagten schon vor dem Beginn eines ernstlichen Angriffs zu verwirren.

      »Er spielt ein verzweifelt gefährliches Spiel«, flüsterte er, indem er sich zu Herrn Daubigeon beugte.

      Der

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