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musst. Nichts. Alles ist in Ordnung. Komm mit, lass uns an die Stelle gehen, wo du meinst, dass dieses Raumschiff gelandet ist. Lass uns dir zeigen, was für ein alberner, alberner Junge du bist.

      »Geh nicht«, flüsterte Ben. »Geh nicht, geh nicht!« Ich hörte, wie seine Fingernägel an den Armlehnen kratzten.

      Der Junge rannte. Er rannte von Zuhause und vor diesen Fremden weg, die nicht lächeln konnten. Überall, wo er hinsah, entdeckte er die x-förmige Wunde. Der Polizeipräsident hatte eine hinten am Nacken. Menschen, die der Junge schon sein Leben lang kannte, waren plötzlich anders, und sie wollten, dass er bei ihnen blieb, bis seine Eltern ihn abholten. Alberner, alberner Junge, sagten sie. Unterirdische Marsmenschen, die die Weltherrschaft übernehmen wollen? Wer glaubt denn an so was?

      Am Ende dieses Horrorstreifens fand die Armee ein Tunnelnetzwerk, das die Marsmännchen in die Erde gegraben hatten. Dort unten hatten die Marsbewohner eine Maschine, die einem in den Nacken schnitt und Menschen zu ihresgleichen machte. Der Anführer der Marsmännchen, ein Kopf mit Tentakeln in einer Glasschale, sah wie etwas aus, das aus einer Klärgrube hochgekrochen war. Der Junge und die Armee kämpften gegen die Marsbewohner, die durch die Tunnel torkelten, als hätten sie mit der Schwerkraft zu kämpfen. Als die Maschinen der Außerirdischen mit den Panzern der Armee zusammenstießen und das Schicksal der Erde in der Waagschale hing …

      … wachte der Junge auf.

      Ein Traum, sagte sein Vater. Seine Mutter lächelte ihn an. Ein Traum. Du musst keine Angst haben. Leg dich wieder schlafen, wir sehen uns am Morgen.

      Nur ein schlimmer, schlimmer Traum.

      Und dann stand der Junge im Dunkeln auf, spähte durch sein Teleskop und sah, wie sich eine fliegende Untertasse aus dem stürmischen Nachthimmel auf einen Sandhügel hinter seinem Haus niedersenkte.

       Ende?

      Im Kinosaal ging das Licht an. Die Samstagnachmittagsvorstellung war vorbei.

      »Was ist denn mit denen los?«, hörte ich Mr. Stellko, den Manager des Lyric, zu einem der Angestellten sagen. »Wieso sind die denn alle so still?«

      Wahre Panik kennt keine Worte.

      Irgendwie gelangten wir zu unseren Fahrrädern und traten in die Pedale. Manche Kinder gingen zu Fuß nach Hause, andere warteten, dass ihre Eltern sie abholten. Das, was wir gerade gesehen hatten, verband uns alle, und als Ben, Johnny und ich an der Tankstelle in der Ridgeton Street Halt machten, um Johnnys Vorderreifen aufpumpen zu lassen, ertappte ich Ben dabei, wie er Mr. Whites Nacken anstarrte – dort, wo die sonnenverbrannte Haut in Falten lag.

      An der Kreuzung von Bonner und Hilltop Street trennten sich unsere Wege. Johnny raste nach Hause, Ben strampelte sich mit seinen kurzen Beinen ab, und ich kämpfte jeden Meter mit meiner rostigen Kette. Mein Fahrrad hatte seine besten Tage hinter sich. Es war bereits uralt gewesen, als es über einen Flohmarkt seinen Weg zu mir gefunden hatte. Ich bettelte ständig um ein neues, aber mein Vater sagte, ich würde mich entweder mit dem zufriedengeben müssen, was ich hatte, oder ohne eins auskommen müssen. In manchen Monaten hatten wir kaum ausreichend Geld; es war ein Luxus, samstags ins Kino zu gehen. Irgendwann später wurde mir klar, dass der Samstagnachmittag die einzige Gelegenheit war, zu der die Matratzenfedern meiner Eltern eine Symphonie singen konnten, ohne dass ich mich fragte, was da los war.

      »Hast du Spaß gehabt?«, fragte meine Mutter, als ich reinkam. Ich hatte erst noch mit Rebel gespielt.

      »Ja, Ma’am«, sagte ich. »Der Tarzan-Film war klasse.«

      »War das nicht ein Doppelfilm?«, fragte Dad, der mit hochgelegten Füßen auf dem Sofa saß. Im Fernsehen lief ein Spiel aus der Baseballliga; es war diese Jahreszeit.

      »Ja, Sir.« Ich ging an ihnen vorbei, um mir aus der Küche einen Apfel zu holen.

      »Na, und worum ging’s in dem zweiten Film?«

      »Ach … um nichts«, antwortete ich.

      Eltern können eine Flunkerei schneller riechen als eine verhungernde Katze eine Maus. Sie ließen mich den Apfel holen, ihn unter dem Wasserhahn waschen, ihn trockenreiben und ins Wohnzimmer zurückbringen. Sie ließen mich einen Bissen nehmen, und dann sah mein Dad vom Fernseher weg und fragte: »Was ist mit dir los?«

      Ich kaute am Apfel. Mom setzte sich neben Dad und beide hatten ihren Blick auf mich gerichtet. »Sir?«, fragte ich.

      »Jeden Samstag platzt du hier rein wie ein Wilder und willst uns jedes einzelne Detail aus dem Film erzählen. Wir können dich kaum davon abhalten, uns jede einzelne Szene vorzuspielen. Also, was ist heute mit dir los?«

      »Äh … ich glaube, ich … weiß nicht so recht.«

      »Komm mal her«, sagte Mom. Als ich gehorchte, legte sie mir ihre Hand auf die Stirn. »Fieber hast du nicht. Cory, ist dir schlecht?«

      »Mir geht’s gut.«

      »Also der eine Film war über Tarzan«, bohrte mein Vater dickköpfig wie eine Bulldogge weiter. »Und worum ging’s in dem anderen Film?«

      Ich nahm an, dass ich ihnen den Titel sagen konnte. Aber wie konnte ich ihnen erklären, worum es wirklich gegangen war? Wie konnte ich ihnen sagen, dass der Film, den ich eben gesehen hatte, die Urangst eines jeden Kindes berührte: Dass die Eltern in einem unwiederbringlichen Moment für immer dahingerafft und durch kalte Fremde ersetzt werden, die nicht lächeln können?

      »Es war … ein Monsterfilm«, entschied ich zu antworten.

      »Na, dann war es ja genau das Richtige für dich.« Als ein Baseballschläger wie eine Pistole knallte, richtete Dads Aufmerksamkeit sich wieder auf das Spiel. »Boah! Lauf, Mickey, lauf!«

      Das Telefon klingelte. Ich beeilte mich ranzugehen, bevor meine Eltern noch mehr Fragen stellen konnten. »Cory? Hallo, hier ist Mrs. Sears. Kann ich bitte mit deiner Mutter sprechen?«

      »Einen Moment. Mom?«, rief ich. »Telefon für dich!«

      Mom nahm den Hörer, und ich musste aufs Klo. Zum Glück nur pinkeln. Ich war mir nicht sicher, ob ich mich mit der frischen Erinnerung an die Tentakel des Marsmännchenkopfs auf die Toilette setzen wollte.

      »Rebecca?«, sagte Mrs. Sears. »Wie geht’s?«

      »Gut, Lizbeth. Hast du deine Lotterielose noch bekommen?«

      »Oh, ja. Vier Stück. Und ich hoffe, dass wenigstens eins davon gewinnt.«

      »Schön.«

      »Also, weshalb ich anrufe – Ben ist eben vom Kino zurückgekommen, und ich wollte wissen, wie es Cory geht.«

      »Cory? Der …« Sie stockte und ließ sich mein seltsames Benehmen durch den Kopf gehen. »Er sagt, dass mit ihm alles in Ordnung ist.«

      »Ben auch, aber er benimmt sich etwas … ich weiß nicht, als ob ihn irgendwas quält oder so. Normalerweise lässt er Sim und mir keine Ruhe und will uns von den Filmen erzählen, aber heute bringen wir kein Wort aus ihm heraus. Jetzt ist er hinten im Garten. Er sagte, er wollte nach irgendwas gucken, aber nach was, will er uns nicht sagen.«

      »Cory ist im Badezimmer«, sagte meine Mutter, als wäre das auch ein Teil des Rätsels. Sie senkte die Stimme für den Fall, dass ich sie über das Geräusch meines Pinkelns hören konnte. »Er benimmt sich auch komisch. Glaubst du, dass im Kino irgendwas zwischen ihnen vorgefallen ist?«

      »Der Gedanke kam mir. Vielleicht haben sie sich gestritten.«

      »Ja, sie sind ja schon lange Freunde, aber es kommt vor.«

      »Ist mir mit Amy Lynn McGraw auch passiert. Sechs Jahre lang waren wir beste Freunde und dann haben wir wegen einer verlorengegangenen Packung Nähnadeln ein ganzes Jahr nicht miteinander geredet. Aber ich habe mir gedacht, dass die Jungs sich vielleicht noch mal treffen sollten. Falls sie sich gestritten haben, sollten sie es vielleicht schnell wieder ins Reine bringen.«

      »Das macht Sinn.«

      »Ich wollte Ben fragen, ob er möchte, dass

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