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      Als ich auf das Werkzeug gelehnt dastand, plapperte er los. Zuerst: »Bitte«. Dann sagte er das Schlimmste, was er hätte sagen können: »Longview.« Mein Name. Longview Moody – ein dämlicher Name, den mir ein Idiot gegeben hatte. Ihn aus dem Mund dieses dauerkichernden Trottels zu hören, machte ihn mir noch verhasster.

      »Longview«, sagte er wieder mit flehentlich erhobenen Händen.

      »Was?«, entgegnete ich – nicht sicher, ob ich wissen wollte, was er meinte oder nur zur Klarstellung fragte. Ich war diesen Kerlen nahezu wortlos übergeben worden. Vielleicht hatte man ihnen gesagt, wer ich war, aber wieso? Für die war ich nicht mehr als ein Stück Fleisch, das man loswerden musste.

      Er zeigte ungefähr auf seinen Schritt und sagte: »Dienstmarke.« Mit zwei Fingern griff er in die Hosentasche.

      Ich nickte und lächelte. Was sollte mich das schon kümmern? Mexikanische Cops konnte man sich für einen Appel und ein Ei an der Grenze kaufen. Die wirklich korrupten gab es im Dutzend billiger. Ich ließ ihn danach greifen und dachte darüber nach, welche Enttäuschung es wohl für ihn wäre, wenn ich ihm zeigte, dass mir seine Marke scheißegal war. Wahrscheinlich war sie ihm genauso egal, bis er sich dahinter verstecken musste. Menschen wie ich – Gangster also – sind ehrlicher, als man denkt. Wir wollen, dass unsere Cops anständig sind. Scheiße, niemand mag einen Heuchler, und es gibt keine größere Heuchelei, als einen korrupten Bullen.

      Grinsekeks fummelte die Marke aus der Tasche und hielt sie hoch. Es war eine goldfarbene Dienstmarke mit einem blauen »US« in der Mitte, wie ein schlechter Witz. Außen herum standen die Worte »Drug Enforcement Agency – Special Agent. DEA« – der hielt mir eine DEA-Marke unter die Nase.

      Ich drehte mich um, spuckte auf den staubigen Boden und wartete, was wohl als Nächstes käme. Es war mühsam, zu atmen, und mir grummelte der Magen. Was sollte ich tun? Was wollte ich tun? Der Kerl hätte mich mit einem Lächeln kaltgemacht. Ich konnte ihn genauso gut hier zum Sterben in der Wüste zurücklassen, aber so grausam bin ich nicht.

      Ich bin viel schlimmer.

      Ich hob die Schaufel und brach ihm das andere Bein. Als er nach dem zu Boden gefallenen Revolver griff, auch wenn er leer war, zerquetschte ich seine Finger unter dem Stiefelabsatz und kickte die Waffe weg. Er wand sich im Staub wie ein Fisch auf dem Trockenen, der hoffte, das nächste Zucken würde ihn wieder ins Wasser befördern. Dabei rollte er in das mittlere Grab, zu einem der Männer, die er getötet hatte.

      Das Lachen war ihm vergangen. Seine Schreie passten irgendwie besser zur Nacht. Und zu meiner Stimmung, das ist mal sicher. Er rollte auf den Bauch und versuchte sich aus dem flachen Grab wieder herauszuziehen. Ein Teil der Erde, die er dabei aufwühlte, fiel ihm in den Mund, aber er schrie weiter. Sie landete in seinem Gesicht und den Haaren, bedeckte ihn mit dem Staub, zu dem er wohl bald zurückkehren würde.

      Ich trat in das Grab und steckte die Hand in seine hintere Hosentasche. Sie war ausgebeult und ich dachte, es könnten die Autoschlüssel sein. Es war eine Handvoll loser Patronen. Ich warf sie in die Dunkelheit, bis auf eine. Ich griff nach dem Revolver und der Dienstmarke. Die Marke steckte ich ein, und nachdem ich die Trommel der Waffe geleert hatte, lud ich sie mit der einen verbliebenen Kugel.

      Dann merkte ich, dass der Komiker aufgehört hatte zu schreien und mich von seinem Grab aus ansah.

      »Das kannst du nicht tun«, sagte er. Seine Stimme war so schwach wie die Behauptung, die er geäußert hatte. Er wusste sehr wohl, dass ich es konnte.

      »Eigentlich bin ich hier fertig.« Ich hielt den Revolver hoch, damit er ihn sehen konnte. »Den Rest musst du schon selber machen.« Damit ließ ich die Waffe fallen.

      »Das kann ich nicht.«

      »Sicher kannst du das. Wenn du es nur wirklich willst.«

      »Hab doch Mitleid.«

      Ich sah ihn finster an und dachte sogar einen Moment darüber nach – einen Moment länger als er es verdient hatte – und sagte: »Nein.«

      Er bettelte weiter. Ich ignorierte ihn, während ich den Boden nach der Automatik, Kaliber .40, absuchte, die man mir an den Kopf gehalten hatte. Sie lag in dem Loch, das mein Grab hatte werden sollen. Ich durchsuchte die Taschen des Mannes, der den Schaufelstiel in der Brust stecken hatte. Er besaß ein Ersatzmagazin, aber keinen Autoschlüssel. Ich verschwendete ein paar Minuten damit, danach zu suchen, bevor mir einfiel, im Chevy nachzusehen. Der Schlüssel steckte im Zündschloss, daran ein Ring mit ein paar anderen, von denen ich nicht wusste, wofür sie waren, und einem kleinen Plastik-Jesus. Der Wagen sprang sofort an. Danke, Jesus.

      Als ich zurücksetzte und den Weg entlangfuhr, der wer weiß wohin führte, sah ich, wie der Komiker aus dem Grab kroch. Er versuchte so schnell wie möglich an die Waffe zu kommen, die ich im Staub hatte liegenlassen. Ich fragte mich, ob er auch das Heulen des Kojoten gehört hatte.

      Der inoffizielle Friedhof lag tief in der Wüste. Nach 20 Minuten auf der staubigen Schotterpiste, fragte ich mich, ob ich genug Sprit hatte, um wieder in die Vereinigten Staaten zu kommen. Das führte zu einer weiteren Frage. Wollte ich wirklich dahin? Ich hatte in Juarez Kohle abgeliefert, als sie mich geschnappt hatten. Eine Menge Leute wissen vielleicht nicht, dass es schwerer sein kann, Geld zu transportieren als Drogen. Es war meine Spezialität. Ursprünglich habe ich es nur gestohlen, später transportiert. Es stellte sich raus, dass man sehr viel besser Geld machen kann, wenn man auf die Kohle aufpasst, statt sie zu stehlen. Ich habe gesagt besser, nicht mehr. Die Wahrheit ist, dass eine Menge Kerle, die klauen, einen gewissen Teil ihres Lebens im Knast sitzen. 100.000 wären für den durchschnittlichen Berufskriminellen eine Menge Geld. Und es hört sich auch nach einer Menge an, bis man die Kosten berücksichtigt. Wenn man für ein Familienunternehmen arbeitet, sacken die schon mal einen fetten Brocken ein. Selbst Verbrechen wird besteuert. Die Anwälte wollen auch noch ihren Teil. Und dann ist da der Preis, auf den es tatsächlich ankommt – Gefängnis. Nehmen wir mal an, man hat keine Knarre benutzt und kriegt nur 15 Jahre; zehn davon sitzt man ab für seine 100.000. In irgendeinem beschissenen Großraumbüro hätte man mit legaler Arbeit mehr verdient. Aber wenn Kriminelle clever genug wären, ihr Leben auf die Reihe zu kriegen, würden die Anwälte verhungern.

      Der Weg war mehr Trampelpfad als Straße und ich fuhr schneller, als jemand mit gesundem Menschenverstand es getan hätte. Gleichzeitig versuchte ich zu rekonstruieren, wie ich eigentlich hier gelandet war. Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort aufgetaucht. Kein Cent hatte gefehlt. Ich hatte keine Spuren hinterlassen. Alles hätte prima laufen sollen. Trotzdem war irgendjemand angepisst gewesen.

      Der Schlag war aus dem Nichts gekommen. Ein kräftiger Hieb mit einem Pistolengriff auf den Hinterkopf, der mich zu Boden gehen ließ. Ich hatte Sternchen gesehen und alle Geräusche schienen lange Zeit nur wie durch eine dicke Wand an mein Ohr zu dringen. Ich glaube nicht, dass ich wirklich bewusstlos wurde. Nicht, dass es was geändert hätte. Eine Sekunde, nachdem das Feuerwerk im Kopf hochgegangen war, schlug ich auf dem Boden auf. Bevor ich es mir da aber bequem machen konnte, wurden meine Hände hinter dem Rücken gefesselt. Danach hatte ich mich eine Weile auf dem Boden gewunden, auf dem nach Hund stinkenden Teppich, bis man mir einen Sack über den Kopf gezogen hatte. Hände hatten mich an den Fußknöcheln gepackt. Ich war über den Teppich gezerrt und dann von zwei Männern hochgehoben worden. Sie hatten mich nach draußen getragen und in den hinteren Fußraum des Wagens geworfen. Ich glaube, die beiden anderen Männer waren schon im Kofferraum verstaut gewesen, also konnte ich mich eigentlich nicht über den Reisekomfort beklagen.

      Das alles wieder in meinem Kopf ablaufen zu lassen, half mir aber nicht, das Warum zu verstehen. Genauso wenig wie das Wo. Im Wagen hatte kaum jemand etwas gesagt und mein Kopf steckte in einem Sack. Ich hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war. Ich hätte an jedem beliebigen Ort im Umkreis von ein paar hundert Meilen um Juarez sein können, wo die Geldübergabe stattgefunden hatte.

      Irgendetwas bewegte sich in den schaukelnden Scheinwerfern des Chevy. Pechschwarz flatterten sie wie finstere Engel empor, die aus einer Wunde im Erdboden entkommen – Vögel. Sie hatten sich am Kadaver eines Gürteltiers gelabt. Ich steuerte vorsichtig um das tote Tier herum. Im Rückspiegel

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