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der ja symbolisch für alles steht, was zusammenwachsen soll, obwohl es nicht zusammenpasst. Das Treffen der vier Supergemeinden - neben dem Selfkant noch List bei Sylt, Oberstdorf und Görlitz - fand im neutralen Wiesbaden unter dem Beisein von Johannes Rau, Gerhard Schröder und Noch-Ministerpräsident Clement statt und erhielt die lustige Wortspiel-Bezeichnung „Zipfel-Gipfel“. Damit ist allerdings nicht die traditionelle Kopfbedeckung der Selfkänter gemeint, sondern die geographische Lage der Beitrittsgemeinden. Nun handelt es sich ja um vier sehr unterschiedliche Gemeinden. Zwei von ihnen haben es geschafft; sie haben zumindest touristisch gesehen ihre Schäfchen im Trockenen. Zum einen der weltbekannte Wintersportort Oberstdorf im Süden, zum anderen die Gemeinde List, in der das Kurlauben ebenfalls sylthaft teuer ist. Beim Selfkant und bei Görlitz hingegen handelt es sich in touristischer Hinsicht wohl noch um sehr geheime Geheim-Tipps. Trotzdem finde ich, dass wir Görlitz auf jeden Fall etwas voraus haben. Schließlich wurde der Selfkant früher an Deutschland zurückgegeben als die DDR. Ein Ereignis, das Bürgermeister Willi Otten unsicheren Quellen zufolge so kommentiert haben soll: „Ein kleiner Schritt für den Selfkant, aber ein großer Schritt für den Kreis Heinsberg.“ So ist es.

      22.12.2001

      In Deutschland wird eine neue Währung eingeführt. Und das Beste ist - sie gilt sogar im Kreis Heinsberg.

      Vergangenen Montag war vorzeitig Bescherung. Da nämlich konnte man sich seine so genannten Starter-Kits abholen. Starter-Kits sind nicht etwa in der Pubertät befindliche Jugendliche, sondern Geldbeutel mit den neuen Euromünzen. Endlich haben wir das, was die Ossis schon vor über zehn Jahren hatten - Begrüßungsgeld. Wir begrüßen eine neue Währung. Für 20 Mark kann sich seit Montag jeder ein kleines Tütchen mit wertvollem Inhalt kaufen. So ähnlich wie früher am Hauptbahnhof, nur dass es dies mal legal ist. Unternehmer bekommen sogar schon die neuen Scheine. Die sehen nicht nur aus wie Monopoly-Geld, sondern sind zurzeit auch noch genauso viel wert. Denn erst ab dem 1. Januar dürfen wir das neue Geld auf den Kopf hauen. Für alle, die bis heute mal wieder keine Weihnachtsgeschenke gekauft haben, ist die neue Kohle natürlich ein Segen. Denn noch nie hat Geld schenken so viel Freude bereitet wie in diesem Jahr. Was wird das für ein Festtagsspaß, wenn man unter dem Weihnachtsbaum zum ersten Mal voller Ehrfurcht das Geld einer neuen Epoche in den Händen hält! An die neuen Münzen und Scheine wird man sich erst noch gewöhnen müssen, weil sie noch so unschuldig und rein wirken. Aber ich bin sicher, nach wenigen Wochen werden die genauso schäbig aussehen, wie wir das von unserer DM gewohnt sind. Ich freue mich jedenfalls auf die neue Währung. Man wird zwar nach wie vor im Urlaub in Spanien und Frankreich übers Ohr gehauen, aber ab dem 1. Januar merkt man es wenigstens direkt.

      24.08.2002

      In Vorbereitung auf die anstehende Wahl habe ich mir mal die Internetpräsenzen der einzelnen Bundestagskandidaten aus dem Kreis Heinsberg vorgenommen. Heute ist Top-Favorit Leo Dautzenberg dran. Vor vier Jahren noch war er „einer von uns“, mittlerweile ist er immerhin noch „unser Berliner“. Auf Leos Homepage wird konsequent sein genialer Wahlplakat-Schachzug mit dem Berliner weitergeführt. Zur Erinnerung: Auf dem Plakat ist nur ein angebissener Berliner zu sehen, darunter der Schriftzug „Leo Dautzenberg“. Bereits auf der Startseite springt uns ein tolles Foto von Leo an - ganz aristokratisch mit Einstecktuch. Darunter ein grellgelber Stern mit der neudeutschen Inschrift „new“ und dann natürlich allgegenwärtig die unglaublich erfolgreiche Berliner-Kampagne. Viele werden sich in den letzten Wochen gefragt haben: Was soll das? Soll es bedeuten, dass Leo gerne Teilchen isst? Natürlich nicht, denn das sieht man auch so. Soll der benutzte Berliner etwa bedeuten, dass der Wähler mittlerweile sehr angefressen ist? Nein, das Bild soll einfach nur aussagen, dass Leo unbedingt wieder nach Berlin will, sobald der lästige Wahlkampf im Kreis Heinsberg vorbei ist. Ganz interessant übrigens: Die auslaufende Marmelade soll die Umrisse des Kreises Heinsberg zeigen. Nette Idee, wenngleich vielleicht nicht ganz so glücklich in der Aussage. Der Kreis Heinsberg - ein Auslaufmodell? Zurück zur Homepage. Leo gibt sich als Familienmensch. Man findet kaum eine Stelle, an der einem nicht seine ganze Familie entgegenlacht. Beim Wandern, beim „Über-eine-Brücke-Gehen“, beim „Einfach-nur-in-die-Kamera-Lächeln“. Dazu gibt’s ordentlich Seitenhiebe auf Zöpel und knackige politische Parolen - alles poppig, schrill und bunt aufbereitet. Hier hat ein PR-Profi seine Hausaufgaben gemacht. MTV trifft CDU.

      25.01.2003

      Bei der Wahl im September hatte sie sich noch dezent im Hintergrund gehalten: die PDS, die Partei, die bislang hier im westlichsten Westen der Bundesrepublik eher ein Schattendasein führte. Doch die Zeiten scheinen vorbei. Der PDS-Kreisverband Heinsberg haute kürzlich eine Pressemitteilung raus, die den eta blierten Parteien mit Sicherheit die Knie schlottern lässt. Der Kreisverband besteht erst seit August 1998, hatte aber unmittelbar nach der Wahl einen Mitglieder-Zuwachs von sage und schreibe über 30% zu verzeichnen! Eine Steigerungsrate von der CDU, SPD, Grüne und erst recht die FDP nur träumen können. Natürlich hat zu diesem Linksruck im Kreis Heinsberg auch die Tatsache beigetragen, dass Gerhard Schröder vor der Wahl so viele vollmundige Versprechungen gemacht hat, weil er davon ausging, dass er sowieso von Stoiber abgelöst wird. Als sich aber dann weit mehr Bundesbürger als erwartet verwählten, hatte Schröder den Salat. Auf Schröder sind natürlich viele Leute so sauer, dass sie dagegen protestieren, indem sie entweder den Steuersong kaufen oder aber die Partei wechseln. Und da sich die etablierten Parteien mittlerweile nur noch farblich unterscheiden lassen, wird’s auch gerne mal extrem. Wie jetzt im Kreis Heinsberg passiert. Über 30% plus für die PDS West-West. Der Kreis Heinsberg droht tief rot zu werden. Da muss sich selbst Superstar Dautzenberg in Zukunft schon etwas mehr einfallen lassen als ein paar angebissene Berliner. Ein bisschen Zeit bleibt uns allerdings noch, bevor wir in den Kommunismus abrutschen - schließlich hat sich die Mitgliederzahl der PDS Heinsberg nach der Wahl erst mal nur von sechs auf acht Mitglieder hochkatapultiert.

       Verkehrstechnisches

      24.02.1996

      Am 26. Februar ist es endlich so weit. Die Erweiterung der A46 wird eröffnet. Das bedeutet nicht nur, dass Verkehrsmeldungen im hiesigen Lokalfunk ab sofort einen Hauch von Sinn bekommen, sondern auch, dass in unserer Gegend ein neues Zeitalter anbricht. Ein wunderbares Gefühl. Unsere Region bekommt eine neue, eigene Identität. Ab dem 26. Februar können wir bis „Janses Mattes“ rasen, ohne uns um Radarfallen, Bodenwellen oder rote Ampeln - die natürlichen Feinde des einfachen Autofahrers - zu scheren. Ein Gefühl von Freiheit, jetzt auch im Kreis Heinsberg. Überhaupt Heinsberg. Sogar unsere Kreisstadt, diese wunderbare Provinz-Metropole inmitten üppiger Spargel- und Rübenfelder ist jetzt schon fast schnell zu erreichen. Zumindest muss man sich als Erkelenzer ab übermorgen nicht mehr zwei Tage Urlaub nehmen, wenn man beim Straßenverkehrsamt eine Bescheinigung abholen will. Ein halber Tag müsste knapp reichen. Dem Umstand der Anpassung unseres Autobahnstandards an absolutes Weltniveau wurde jedoch bereits vor einigen Monaten Rechnung getragen. Hießen die Autobahnausfahrten bis vor einem halben Jahr noch provinziell vertretbar „Granterath/Baal“ oder ähnlich, so heißt es seitdem völlig korrekt „Erkelenz Ost“, „Erkelenz Süd“, „Erkelenz Nord-Südwest“ oder so ähnlich. Schon daran merken wir: Diese Autobahn ist mehr als ein Stück grauer Asphalt. Diese Autobahn bedeutet: Der Kreis Heinsberg hat endgültig seinen Provinzstatus abgeschüttelt. Der Kreis Heinsberg gehört dazu. Dafür sind wir dankbar.

      09.06.2001

      Künftig wird es im Kreis Heinsberg deutlich weniger Verkehr geben. Das liegt aber nicht etwa daran, dass Pro7 „Liebe Sünde“ abgesetzt hat, sondern an der KWH. Die Kreiswerke Heinsberg streichen nämlich drastisch ihren Busfahrplan zusammen. Bei der Bekanntgabe dieser Maßnahme wurde aber nicht etwa mitgeteilt: „Wir fahren jetzt nicht mehr so oft mit den Bussen, weil sowieso keiner mitfährt.“ Das wäre zwar die korrekte Formulierung, hört sich aber irgendwie nicht gut an für ein Unternehmen mit Klasse.

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