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aufs Neue den Befehl, begann mit zitternden Händen und steifen Fingern die Kleidung abzulegen. Schlotternd stand er kurz darauf nackt vor ihnen.

      »Geh bade!«, befahl Hugo, »wirds bald? Oder soll ich nachhelfe?« Bedrohlich mit in die Hüften gestemmten Händen kam er auf den Nackten zu. Dieser wich automatisch zurück, stolperte und rutschte über die gefrorenen Steine in den niedrigen Wasserlauf. Nach Luft schnappend ruderte er mit den Armen. Er versuchte Halt zu finden manövrierte sich aber nur noch tiefer in den eiskalten Bach. Mike trat nahe ans Ufer, drückte mit seinem Stiefel den Kopf unter.

      »Wasche, ham mir gesachd. So stinkend wie Du bisd, ersäufe wir Dich lieber, als in den Kofferraum zu stecke.«

      Bevor er ohnmächtig in sich zusammensackte, zog Hugo ihn an den Haaren über die Wasseroberfläche. Japsend schnappe er nach Atem, seine Lippen waren bereits blau angelaufen. Gehorsam wusch er sich die Haare und den zitternden Körper. Berti trat näher, hörbar zog er die Luft durch die Nase ein.

      »So ist es besser. Los komm raus und lauf.«

      Mit blau gefrorenen Händen konnte dieser kaum den wenigen Halt in der Böschung greifen. Immer wieder rutschte er mit den blanken Füßen auf dem festgetretenen Schnee aus und schlug der Länge nach hin. Hörbar klapperte er mit den Zähnen, der Nackte, schon blau angelaufene Rocker bekam einen extra großen Müllsack.

      »Hier zieh über un piss mir ja ned in den Kofferraum«, drohend hob Mike die Faust, »Sonst…« Berti zog sein Messer, schlitze den Sack an drei Stellen auf und stülpte diesen dem Bewegungsunfähigen über.

      »Rein da«, befahl Hugo und öffnete den Kofferraumdeckel. Erstarrt, der Ohnmacht nahe spürte er den festen Griff des Muskelpaketes, der ihn rigoros packte, in den Kofferraum steckte und nachdrücklich den Deckel zuschlug.

      * * * * * * *

      Konzentriert arbeitete Eva an den Recherchen doch die eingehende Kurznachricht ließ sie aufhorchen. Schnell zog sie das Handy aus der Tasche.

      »Chris hat geantwortet«, rief sie laut durch den oberen Stock und die Treppe hinunter. Sofort hörte sie das Rumpeln des umgefallenen Gehstocks und Moritz genervtes Schimpfen. Die nasskalten Tage verschlechterten den Zustand seines halbsteifen Knies und die ständig wiederkehrenden Schmerzen ließen ihn zeitweise unleidig werden. Der Unfall war jetzt knapp ein Jahr her und er hatte sich mit der Beeinträchtigung abgefunden.

      »Bleib unten, ich komme«, flink lief sie die Stufen hinab. »Er hat uns eine Mail geschickt, sieh mal nach, ich stell uns den Kessel auf.«

      »Ich habe sie, es ist tatsächlich ein Kopf, kein richtiger, eher ein Symbol«, hörte sie seine Stimme aus dem Wohnzimmer. »Das ist unglaublich«, Empörung schwang in den Worten mit. Ungeduldig goss sie den Tee über und betrat mit zwei vollen Tassen erwartungsvoll den Raum. »Das musst Du lesen«, erschüttert drehte er Eva den Laptop zu.

      »Die ›Heil des rechten Weges‹ ist eine seit 1820 bestehende Organisation. Sie kümmern sich um die Belange von in Not geratenen jungen Frauen«, las Eva und runzelte die Stirn. Die Bedeutung der Worte kam schlagartig in ihrem Gehirn an. »Unfassbar! In Not geratene! Das bedeutet nichts Anderes als ungewollt schwanger werden. Zu dieser Zeit waren es gefallene Mädchen«, empörte sie sich.

      »Lies weiter, es kommt noch schlimmer«, prophezeite er. Wut, Schmerz und Traurigkeit stiegen unaufhaltsam in Eva hoch. Vor knapp zweihundert Jahren war es Gang und Gäbe diese Mädchen einzusperren und zur Bestrafung Frondienste verrichten zu lassen. Ihre Kinder wurden sofort nach der Geburt in die, der Organisation angehörenden, Heime gebracht. Sobald sie groß genug waren mussten von morgens bis abends schuften, um die Schuld ihrer bloßen Existenz zu bereinigen. Sie schliefen in provisorischen Betten und trugen eher Lumpen als Kleidung. Chris hatte einen Bericht von 1850 ausgegraben, der die Erziehungsmethoden der gefallenen Mädchen in den Besserungsanstalten beschrieb. Als Anlage waren zwei Fotos von arbeitenden Kindern beigefügt. Tränen rollten Eva über das Gesicht. Der Gedanke, Kinder für ihr ›geboren werden‹ zu bestrafen und die ohnehin schon gebrandmarkten Mädchen derartig zu behandeln, war für sie unerträglich. Moritz legte seinen Arm um ihre Schulter und zog sie tröstend an sich.

      »Geht es wieder?«, fragte er fürsorglich. Sie nickte und wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht.

      »Es geht noch weiter. Bist Du bereit?« Zornig blitzen ihre Augen, die erste Bestürzung über das Leid der Betroffenen entfachten ihren Gerechtigkeitssinn. Sie war bereit den Kampf aufzunehmen.

      »Chris hat ein Namensverzeichnis gefunden, doch nur wenige von diesen sind zu einem späteren Zeitpunkt wiederaufgetaucht. Er sucht noch weiter, aber es hat den Anschein, dass die meisten verschwunden sind. Wohin, das ist die große Frage. Vermutlich als billige Arbeitskräfte verkauft und wenn eine gestorben ist, wurde sie in einem Armengrab vor der Stadt verscharrt.«

      Empört las sie weiter. Anfang 1900 und in den nachfolgenden Jahren gab es eine erstaunlich hohe Zahl an Totgeburten in dem Entbindungsheim. Viele der Mädchen verstarben im Wochenbett. Eva kniff ihre Augen zusammen.

      »Das ist ungewöhnlich, sieh Dir mal diese Aufstellung an. Das Heim hat, trotz der verstorbenen Kinder und Wöchnerinnen, eine leicht steigende Zahl an Essensrationen. Was, wenn die Babys gar keine Totgeburten waren?! Den Müttern dies nur gesagt wurde, damit sie es glaubten und nicht ihre endlich aufsteigenden Rechte einforderten?«

      »Wohin sind diese Kinder verschwunden? Du meinst auch als Arbeitskräfte verkauft?«

      »Das wäre immerhin möglich. Und wo sind die Totenscheine der Frauen, die angeblich im Wochenbett gestorben sind? Hat Chris was zu denen gefunden?«

      »Nein, die Listen sind lückenhaft und unordentlich geführt. Nichts stimmt überein, egal wie Du es rechnest, es passt überhaupt nichts zusammen.«

      »Und wenn das ganz genau die Absicht war? Was ist wenn diese Schlamperei der Verschleierung diente? Wenn nicht nur die Kinder, sondern auch ihre Mütter verkauft wurden? Die Kolonien hatten Hochkonjunktur und brauchten Arbeitskräfte überall.«

      »Das wäre auch jetzt noch nach über 100 Jahren ein handfester Skandal.«

      »Du brauchst nur zu rechnen, diese merkwürdigen Differenzen begannen zirka 1900. Es ist ungeheuerlich, die Ungereimtheiten ziehen sich über die ganze Zeitspanne bis fast 1970!«, empörte sie sich. »Wollte das niemand sehen, oder gehörten die zusammen und haben absichtlich nicht richtig hingeschaut?«

      »Das wäre der Hammer. Menschenhandel mitten in Deutschland.«

      »Sieh dir mal das Idealbild der Frau von damals an. Jede Familie, die auch nur etwas auf sich hielt, hätte sich von ihrer missratenen Tochter distanziert. Besser keine als eine schlechte, oder gar gefallene. Im Grunde waren sie froh die Ungeratenen los zu sein. Es wurde eine Geschichte erfunden, wieso die Tochter plötzlich nicht mehr im Haushalt lebte.«

      »Du meinst nach dem Motto: wo kein Kläger, da kein Richter?!«

      »Genau. Ich möchte nicht wissen wie viele der Mädchen aus den Heimen an ein Freudenhaus verkauft wurden. Vom Regen in die Traufe, ein Maul weniger zu füttern und die eigenen Taschen vollstopfen«, nachdenklich lehnte Eva sich zurück. ›Hoffentlich hatte Kathi nichts mit denen zu schaffen.‹

      »Hier sieh mal, Chris hat eine neue Mail geschickt«, riss Moritz sie aus den Gedanken. »Die gefundene Leiche hatte gerade ein Baby geboren, ihr fehlen die Organe und alles Verwertbare inklusive der Augen.«

      »Wie bitte?! Das ist ja schrecklich«, fuhr Eva erschrocken hoch.

      »Fundort ist nicht Tatort. Es wurde präzise und fachmännische gearbeitet, wer dies ausführte, wusste genau wie und was er tat«, las er weiter vor.

      »Aber das kann nicht einfach so in einer Küche gemacht werden, dazu wird doch ein Operationsraum gebraucht.« Entgeistert starrte sie auf den Bildschirm und las selbst noch einmal Chris` Nachricht. »Was ist mit dem Baby? Hausgeburt oder doch eine Praxis, vielleicht ein Krankenhaus? Ist sie vorher verstorben oder bei der Geburt?«, bombardierte sie Moritz. »Schreib ihn an, ob er noch mehr Einzelheiten ausgraben kann.«

      »Ja,

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