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Nullmenschen. E.D.M. Völkel
Читать онлайн.Название Nullmenschen
Год выпуска 0
isbn 9783347193925
Автор произведения E.D.M. Völkel
Жанр Триллеры
Издательство Readbox publishing GmbH
»Wickelt ihn ein und legt ihn der aufgestiegenen Großschnauze, Präsident Silvio, als Adventsgeschenk vor die Tür. Mal sehen, ob er darauf anspringt.«
In dieser Nacht deckte das heftige Schneegestöber mit fünfzehn Zentimeter Neuschnee alle Spuren zu. Knox und Dag räumten in Windeseile die Zufahrt, nachdem der Anruf von Fritz alle aus dem Schlaf gerissen hatte. Sie begrüßten ihn mit großem Hallo und freuten sich über seine schnelle Genesung.
»Unkraut vergeht ned«, griente Hugo und informierte ihn sofort über die Ereignisse der letzten Nacht. Er schmückte diese noch etwas aus und stellte das Handeln der Brüder als vorbildlich, entschlossen und tatkräftig dar. Zufrieden nickte Fritz und sah sich suchend um. Die Männer verzogen sich zum Frühstück in die Küche. Hugo folgte seinem Blick,
»er is schon gestern Nachd weg, müsse noch was klärn«, und sah ihn von der Seite an. ›Was mochte er gemacht haben, um derartig in Schwierigkeiten zu geraten, dass sein bester Freund und Vize ihn absichtlich aus dem Verkehr zieht um ihn aus der Schusslinie zu bringen?!‹
Als könne Fritz Gedanken lesen sah er Hugo an.
»Sobald er da is, ham wir ein Meeting. Ruf alle zusamme, er wird gleich hier sein.«
›Was war hier im Busch? Es musste verdammt wichtig sein. Ein Meeting außer der Reihe bedeutete nichts Gutes.‹ »Okay, ich kümmer mich drum«, bestätigte er und betrat die Küche in der es nach starkem Kaffee und Rührei mit Speck roch.
»Esst auf, wir ham ein Meeting.« Erstaunt blickten ihn sechs Augenpaare an.
»Was is passiert?«, kauend mit halbvollem Mund schenkte Berti sich Kaffee nach.
»Das fragste besser Fritz, irgend ebbes stimmt da ned.«
»Die Frikadellen warn aber top«, schaltete sich Mike ein. Atze und Spider zogen es vor, sich nicht an der Unterhaltung zu beteiligen, und Knox räumte mit Dag zusammen den Tisch ab.
Das Knarzen der Haustür bestätigte Fritz Aussage. Kralle putze sich den Schnee von den Stiefeln und betrat den Eingangsbereich. Zielstrebig ging er auf den halbfertig renovierten Meeting Raum zu und schloss die Tür hinter sich.
»Auf, auf, ihr faule Säcke, los, der letzte hat Küchendienst«, drohte Hugo und brachte Bewegung in die Frühstücksrunde. Nacheinander betraten sie den Meeting Raum und Dag schloss leise und bedächtig die Tür. Fritz saß am Kopfende, Kralle stand am Fenster mit dem Rücken zu ihnen. Jeder Anwesende spürte sofort die knisternde Spannung, kaum hörbar nahmen sie Platz. Keiner wagte, ein Wort zu sagen, sie warteten gespannt darauf, was gleich geschehen würde.
Abrupt drehte sich Kralle um, stellte sich hinter seinen Präsidenten und legte ihm beide Hände auf die Schultern.
»Brüder, als erstes, Angel ist auf dem Weg der Besserung, er wird, so wie es momentan aussieht, vor Weihnachten wieder in unsrer Mitte sein. Der Teufel hat ihn nicht bekommen.« Lautes Klopfen auf der Tischplatte und begeisterte Rufe folgten den Worten. »Als Zweites, wir haben euch heut zusammen gerufen, um über mein Handeln von gestern abzustimmen. Ich habe unsern Präsi absichtlich außer Gefecht gesetzt, das ist meinem Amt als Vize-Präsident unwürdig. Ich verlasse jetzt den Raum und ihr entscheidet.« Mit diesen Worten ging er festentschlossen, geradewegs auf die Tür zu.
»Stopp!«, Hugo war von dem Stuhl aufgesprungen, »des is nur die halb Geschicht«, erhob er Einspruch. »Wie solle mir abstimme, wenn wir ned die Ganze kenne?« Aufgebracht blickte er in die Runde. »Was is mit euch?«, runzelte er seine Stirn, »mir könne nix übers Knie breche. Wollt ihr ned die Hintergründ erfahrn? Vielleichd stecke beide unner einer Deck un mir müsse beide rauswerfe, un was des bedeud, wisse mer all!«
Ein Raunen lief durch den Raum, zustimmendes Gemurmel steigerte sich, bis Berti aufstand.
»Ich schließ mich Hugo an. Bevor ich jetzt abstimm, will ich den Durchblick ham un uf Nummer sicher gehn.«
Mike erhob sich ebenfalls, nach kurzem Zögern folgten Atze und Spider. Die Mehrheit hatte entschieden. Fritz holte tief Luft, steckte sich eine Zigarette an und erzählte ausführlich von dem Vorfall in Frankfurt, mit der anschließenden Auseinandersetzung und den angedrohten Konsequenzen ihn zum Abschuss freizugeben. Er durfte sich nicht noch einmal in die Angelegenheiten der neu Aufstrebenden einmischen.
Jeder im Raum wusste, das nach ihrem Weggang aus Eschborn die Machtverhältnisse neu verteilt wurden, zumal sich ein weiterer MC aufgelöst hatte. Das Machtvakuum der Szene füllte sich, so sicher, wie morgens die Sonne aufging. Nur wer schnell und gnadenlos agierte und dabei wortwörtlich über Leichen ging, übernahm die Führung. Der drittklassige Puff im Lorsbachtal, wo sie Pfaffe eingefangen hatten, gehörte leider auch zu der neuen Frankfurter Gruppe.
»Also gut, raus mit Dir«, übernahm Hugo die Führung, »mir wolle uns bespreche un abstimme.« Ohne ein weiteres Wort verließ der Vize den Meeting Raum, stieg die breite geschwungene Treppe in den ersten Stock und begann das Büro zu ordnen. Die Lieferung der restlichen Materialien für Bertis Zweitbeschäftigung war eingetroffen und sie konnten die kleine Goldschmiedewerkstatt einrichten. Die versteckten Goldbarren warteten darauf eingeschmolzen zu werden, um in Form von Ringen, Armreifen, Anhängern oder sonstige Schmuckstücken in den Verkauf zu gelangen.
Kurze Zeit später betrat Fritz das Büro.
»Sie diskutiern die vor un Nachdeile der neue Machtverhältnisse, ich denk, des wird noch dauern. Komm, lass uns unde an der Bar en Schobbe trinke«, nahm er Kralle den Ordner aus der Hand und schob ihn zur Tür hinaus.
Gemeinsam tranken und rauchten sie, unterhielten sich gedämpft. »Wir leben eh schon in einer Grauzone und die Frankfurter sind gefährlich, zumal wir so wenige geworden sind«, Kralle betrachtete die Zigarre und rollte sie zwischen den Fingern.
»Hier. Gugg genau hin«, Fritz hielt seine Hand mit dem Verband hoch, wo der Arzt die Infusion angelegt hatte. »Was zum Teufel has´de mer ins Esse gemixt? Ich dachd, es zerreißd mich innerlich.«
»Ich konnte nicht zulassen, das Du mitfährst. Nichts und niemand hätte Dich im Auto halten können«, eine dicke Rauchwolke hüllte beide ein.
»Da has´de verdammd nochma rechd«, bestätigte Fritz und schlug Kralle hart auf den Oberschenkel, als dieser antwortete, »Deine Tina hätte mich höchst persönlich umgebracht«, ein verunglücktes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Stell Dir mal vor, ich lebe ausgesprochen gern und häng daran, auch wenn es manchmal echt beschissen is.«
»Danke Bruder. Du hast genau richtid gehandeld. Abber gestern hätt ich Dich am liebsde eigenhändich erwürgd«, schmerzhaft verzog Fritz die Mundwinkel. Leise waren die Brüder aus dem Meeting Raum getreten und standen in der Tür. Sie hörten das Gespräch und es bestätigte ihren Entschluss. Kralle und Fritz hatten sich selbstlos für Schwächere einsetzten, auch wenn es als Konsequenz Nachteile für ihre Person brachte. Hugo, der als Sprecher ausgewählt war, verkündete die Entscheidung.
»Kralle, Du bleibsd ein Bruder, Du hasd Dich an Dei Verspreche gehalde un Fritz vor einer unbedachde Handlung bewahd, auch wenn die Mittel ›schmerzhaft‹ für ihn warn. Wir ham abgestimmd, Du sollsd unser Vize bleibe, wenn Fritz damid Einverstanne is.«
Kralle erhob sich, »ich danke für euer Vertrauen und werde es niemals missbrauchen. Ich schwöre es als Lakota«, hob er seine rechte Hand. Fritz stellte sich neben ihn.
»Ich bin damid einverstanne, das Du mein Vize bleibsd«, und reichte ihm das Glas. »Bruder auf ewig«, stieß er mit ihm an.
»Bruder bis in den Tod«, antwortete Kralle.
Ein leises Murmeln lief durch die Reihe der übrigen. Nach diesem Schwur verstanden sie, was Freundschaft, Treue und Vertrauen zwischen den beiden bedeutete.
* * * * * * *
Der Notruf des