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      Zugleich aber ist diese Negation in ihrer Wirklichkeit nicht ein Fremdes, sie ist weder die allgemeine, Jenseits liegende Notwendigkeit [der Antike, des Schicksals, Anm. Negt], worin die sittliche Welt untergeht, noch der einzelne Zufall des eigenen Besitzes oder der Laune des Besitzenden, von dem das zerrissene Bewußtsein sich abhängig sieht, – sondern sie ist der allgemeine Wille, der in dieser seiner letzten Abstraktion nichts Positives hat und daher nichts für die Aufopferung zurückgeben kann; […].92

      Dieser allgemeine Wille kann der Realität nichts zurückgeben, weil er aus der Negativität dieser Realität entspringt. Diese Verbindung von Freiheit und Willen, von absoluter Freiheit und reinem Willen, ist natürlich die Ausdrucksform der Kantischen Philosophie, die Ausdrucksform auch, darauf möchte ich Sie immer wieder lenken, der Depotenzierung vom empirischen Willen, von Willensverhältnissen und von Freiheit in konkreter Realität. Es ist eine Generalisierung des Willens. Der allgemeine Wille drückt die moralischen Gesetze aus, »aber eben darum ist er unvermittelt eins mit dem Selbstbewußtsein, oder er ist das rein Positive, weil er das rein Negative ist«.93

      Das ist Hegel. Wie ist das zu deuten? Das Positive für das Individuum, der allgemeine Wille, ist seine Realität. Nichts weiter hat er. Die Behauptung dieses Willens ist der Erdenrest in diesem Willen und bedeutet damit, dass die Behauptung gleichzeitig der Aufhänger ist, an dem der Einzelne sich festhalten kann. Ein solcher Wille ist für den Betreffenden das absolut abstrakt Positive. Die reine Negativität des Selbstbewusstseins und Willens, das ist für den Einzelnen das einzig Positive, was er hat. Das ist gewissermaßen seine Identität, und nur daraus gewinnt er Identität. Käme auf dieser Stufe schon ein Stück Realität mit hinein, würde diese Identität zerfasern, und so ist gerade das Allgemeine für den Einzelnen das Positive, das sich noch nicht vermittelt hat mit der Realität. Die Dialektik dieser Verknüpfung von reiner Positivität des Willens und des Selbstbewusstseins und reiner Negativität, was die Reduktion von Erfahrung und Realität anbetrifft, will Hegel hier behandeln. Denn die sich darin abspielende Erfahrung des Begriffs und der Sache mit sich selbst ist für ihn ein dialektischer Prozess. Dialektik ist Erfahrung, soweit sie sich an Gegenständen und in den Begriffen, die diese Gegenstände fassen wollen, selbst vollzieht. Ich habe früher bereits gezeigt, dass Erfahrung bei Hegel unendlich differenzierter ist als jener etwas vergreiste Erfahrungsbegriff Poppers, bei dem nur eine Erfahrung gilt, nämlich die durch Methodologien abgesicherte. Alle anderen Erfahrungen gebe es natürlich auch, sie seien aber nicht Wissenschaft, was für Popper sehr viel bedeutet.94

      Zurück zur eben zitierten Stelle bei Hegel, wo es weiter heißt: »[…] – aber eben darum ist er [der allgemeine Wille, Anm. Negt] unvermittelt eins mit dem Selbstbewußtsein, oder er ist das rein Positive, weil er das rein Negative ist; und der bedeutungslose Tod, die unerfüllte Negativität des Selbsts, schlägt im inneren Begriffe zur absoluten Positivität um.«95 Tod begegnet uns hier in einer doppelten Funktion: Für Hegel ist die Reduktion des Menschen von der Realität, die Vereinseitigung der Realitätswahrnehmung ein Moment des Todes. Abstraktion hat immer etwas mit Tod, Tötung, toter Arbeit zu tun. Abstraktion trennt etwas aus konkreten Zusammenhängen, isoliert etwas. Das Isolierte ist das Todgeweihte im Begriff wie in der Realität. Der abstrakte Rückzug von der Realität ist auch ein Moment der physischen Zerstörung und Aufzehrung. »Für das Bewußtsein verwandelt sich die unmittelbare Einheit seiner mit dem allgemeinen Willen«.96 Es ist nicht einfach die Beziehung auf einen Willen, sondern das absolute Selbstbewusstsein kann sich an einem Allgemeinen und Außenstehenden stabilisieren ohne die Vermittlung durch die Realität. Es gibt gewissermaßen einen heißen Draht zwischen dem abstrakten Selbstbewusstsein und der ganzen Menschheit, der sich im allgemeinen Willen ausdrückt. Das ist das befriedigende, das libidinöse Moment in dieser Abstraktion, dass hier also eine Kurzschaltung zwischen dem allgemeinen Willen und dem Selbstbewusstsein besteht.

      »Für das Bewußtsein verwandelt sich die unmittelbare Einheit seiner mit dem allgemeinen Willen, sich als diesen bestimmten Punkt im allgemeinen Willen zu wissen«,97 also sich zu lokalisieren im allgemeinen Willen und im allgemeinen Gesetz. Das heißt, die Identität zwischen Allgemeinem und Besonderem ist nicht vermittelt, sondern es ist eine unmittelbare Identität, die es dem Einzelnen ermöglicht, sich in diesem allgemeinen Willen einen Platz zu sichern als Ausdrucksform dieses allgemeinen Willens: »Für das Bewußtsein verwandelt sich die unmittelbare Einheit seiner mit dem allgemeinen Willen, seine Forderung, sich als diesen bestimmten Punkt im allgemeinen Willen zu wissen, in die schlechthin entgegengesetzte Erfahrung um. Was ihm darin verschwindet, ist das abstrakte Sein oder die Unmittelbarkeit des substanzlosen Punkts«.98 Das Selbstbewusstsein hat nicht nur das Gefühl, die ganze Realität in sich zu haben, sondern noch viel mehr: die Gesetze darüber, wie die Realität aussehen soll. Der allgemeine Wille als gesetzgebendes Organ für diese Realität steckt in diesem Selbstbewusstsein mit drin. Das sich entwickelnde Selbstbewusstsein hat das Gefühl, mehr zu haben als die Realität, weil es den Anspruch an die Realität festhält. Es macht die entgegengesetzte Erfahrung: »und diese verschwundene Unmittelbarkeit ist der allgemeine Wille selbst«, die aufgehobene Unmittelbarkeit ist der allgemeine Wille selbst, »als welchen es sich nun weiß«. Es weiß sich nicht mehr als abstraktes Selbstbewusstsein, es weiß sich als allgemeinen Willen, als das, was es selbst nicht mehr ist und was es nicht mehr sein muss, weil es der allgemeine Wille ist, »insofern es aufgehobene Unmittelbarkeit, insofern es reines Wissen oder reiner Wille ist. Hierdurch weiß es ihn als sich selbst und sich als Wesen, aber nicht als das unmittelbar seiende Wesen, weder ihn als die revolutionäre Regierung oder als die die Anarchie zu konstituieren strebende Anarchie«.99 Das heißt, die Auflösung von äußerer Herrschaft kann von dieser Position aus nur zu einem Zustand führen, den Hegel als Anarchie bezeichnet. Der Anarchist kann nur Anarchie erzeugen, deshalb kann der allgemeine Wille in dieser abstrakten Form nur das erzeugen, was in ihm selbst steckt. So kann man das vielleicht verstehen.

      Was passiert mit dem Einzelnen in dieser Situation, was geht in ihm vor mit so einer direkten Beziehung zum allgemeinen Willen?:

      […] der allgemeine Wille ist sein reines Wissen und Wollen, und es ist allgemeiner Wille, als dieses reine Wissen und Wollen. Es verliert darin nicht sich selbst, denn das reine Wissen und Wollen ist vielmehr es, als der atome Punkt des Bewußtseins. Es ist also die Wechselwirkung des reinen Wissens mit sich selbst; das reine Wissen als Wesen ist der allgemeine Wille; aber dieses Wesen ist schlechthin nur das reine Wissen. Das Selbstbewußtsein ist also das reine Wissen von dem Wesen als reinem Wissen. Es ferner als einzelnes Selbst ist nur die Form des Subjekts oder wirklichen Tuns, die von ihm als Form gewußt wird; […].100

      Das ist der springende Punkt: Diese Subjekte vermitteln sich mit sich selbst, mit einem Allgemeinen, das sich als das Besondere ihres Allgemeinen herausstellt. Die Besonderung erweist sich darin, und die Vermittlungsprozesse, durch die sich das vollzieht, sind ihre eigenen, spielen sich in ihrer Innerlichkeit, in ihrer Subjektivität ab. Sofern der Einzelne wirklich handelt, wird das als Form gewusst. Das heißt, er handelt nicht als empirisches Individuum und wo er so handelt, begreift er das Handeln als Form, als immer schon Allgemeines, mit der absoluten Zumutung des Allgemeinen an jeden möglichen anderen: »[…] ebenso ist für es [das Selbstbewusstsein, Anm. Negt] die gegenständliche Wirklichkeit, das Sein, schlechthin selbstlose Form, denn sie wäre das nicht Gewußte; dies Wissen aber weiß das Wissen als das Wesen.«101

      Das heißt, die gegenständliche Realität erscheint als die schlechthin selbstlose Form, als jene Form, in die man beliebige Inhalte einbringen kann. Die Realität wird selbst zur Form in dem Maße, wie das Individuum formale, allgemeine Tätigkeit wird. Sie wird zu einem undifferenzierten Ganzen, zu einer bloßen Form von Aktivität des Allgemeinen. Und in der Tat ist es für diese Form auch völlig gleichgültig, an welchem Punkte man ansetzt und ob man überhaupt etwas Konkretes von ihr weiß. Das ist gleichgültig, wenn man nur die Realität als das schlechthin andere des Allgemeinen begreift. Das ist der wichtigste Punkt der Fixierung des anderen. Es ist ein selbstloses Sein. Auch hier die Ambivalenz des Begriffes. Warum ein selbstloses Sein? Es bringt keinen Widerstand auf. Es ist ein selbstvergessenes Sein. Es gibt niemanden, der in diesem Sein tatsächlich Widerstand leistet, sondern es ist als Allgemeines subjektlos,

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