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gedunsenes, stoppelbärtiges Gesicht. Er hat es niemals zuvor gesehen.

      Roger atmet auf. Diese, ihm leer entgegenblickenden Augen gehören nicht Andy. Das ist ein Fremder. Ein Wegelagerer, der vielleicht auf Beute hoffte und den Tod fand.

      Im gleichen Moment kommt ihm der Gedanke widersinnig vor.

      Andy ist nur wenig vor ihm gewesen, und Andy muss in diesen Canyon geritten sein. Kann es sein, dass ein Wegelagerer einen Reiter vorbeilässt, um den zweiten anzufallen, von dem er gar nicht wissen konnte, dass er kommt?

      Roger schüttelt in Gedanken den Kopf. Nein, das gibt es nicht.

      Wie aber sonst ist Andy vorbeigekommen? Oder hat er diesen Weg doch nicht genommen?

      Roger blickt immer noch auf den unbekannten Toten. Dieser Mann kann ihm nicht mehr sagen, ob er den ersten Reiter vorbeigelassen hat.

      Roger schaut zu dem Pferd weiter, geht dann um den Stein herum und nähert sich dem Tier. Auf seiner Flanke sieht er ein fremdes, unbekanntes Brandzeichen. Der Mann scheint von irgendwo gekommen zu sein. Vielleicht brauchte er Geld. Roger scheut sich, in seinen Taschen nachzusehen. Aber warum ließ er den ersten Reiter vorbei?

      Soll er ihn hier liegenlassen?

      Das Heulen des hungrigen Coyoten schreckt ihn. Nein, er wird den Mann nicht so liegenlassen. Keiner kann so schlecht sein, dass er sich nicht ein Grab verdient hätte.

      Roger zerrt den Mann ein Stück den Weg hinunter. Er sieht etwas aus dessen Tasche fallen, bückt sich darüber und erkennt einen Beutel. Er greift danach. Der Beutel ist schwer. Es klimpert darin leise. Roger öffnet die Schnur und greift hinein. Er greift in goldene Zwanzig-Dollar-Stücke, wie er weiß, noch ehe er sich das Geld angesehen hat.

      Roger zählt es, lässt es zurückgleiten und knotet die Schnur zu.

      „Einhundertsechzig Dollar“, murmelt er. „Viel Geld für einen Tramp.“

      Zugleich ist ihm klar, das der Mann nicht hier auf Verdacht gewartet haben kann, ob jemand des Weges kommt. Es konnte sehr gut möglich sein, dass er wochenlang vergeblich darauf gewartet hätte. Dazu hat er zu viel Geld in der Tasche.

      Roger schiebt den Mann gegen die Wand und bedeckt ihn mit Steinen. Dann holt er das Pferd, schiebt den Beutel in die Satteltasche und führt es zu seinem eigenen Tier hinunter.

      Was soll er nun tun? Weiter den Canyon hinaufreiten und nach Andy suchen und vielleicht in eine zweite Falle stolpern. Er erschreckt über seine Gedanken. Wieso in eine zweite Falle? Auch wieder eine, an der Andy ungeschoren vorbeireiten konnte?

      Als er auf seinem Pferd sitzt, weiß er, dass er jetzt nach Collins reiten wird. Es ist für ihn der einfachste Weg, wenn er Marshal Darcan Bescheid sagt. Der mag entscheiden, ob er sich den Toten ansehen will. Wahrscheinlich wird er das nicht machen, weil die Bürger der Stadt die Berge fürchten und nicht bereit sein werden, mit ihm zu reiten.

      Roger reitet wieder zurück in die Ebene. Er führt das ledige Pferd hinter sich. Ob es nicht besser gewesen wäre, den Toten mitzunehmen?

      Nein, er will nicht mit einem Mann hinter sich durch die Nacht reiten, den er selbst erschossen hat.

      Und da fällt ihm ein, dass es das erste mal ist, dass er einen Mann tötete. Er hatte sich immer vorgestellt, dass es furchtbar sein würde, und er hatte gehofft, es niemals zu erleben.

      Nun ist es doch geschehen, und er empfindet nichts dabei. Es war ein Lump. Einer der ihn töten wollte, aus welchem Grunde, spielte keine Rolle.

      10

      Es ist noch immer Nacht, als er die Stadt erreicht. Es ist kälter geworden. Er zieht sich die Jacke fester um den Leib.

      Vor dem Office des Marshals hält er an, steigt ab, geht die Stufen hinauf und klopft mit der Hand gegen die Tür.

      Roger ist es, als müsste das Geräusch die ganze, stille Stadt wecken.

      Aber nichts rührt sich.

      Er schlägt wieder gegen die Tür. Das Glas rasselt leise.

      „Was ist los, zur Hölle?“, schnauft eine tiefe Stimme.

      „Ich bin es, Roger Keefe.“

      „Was wollen Sie?“

      „Das erkläre ich Ihnen, wenn die Tür offen ist, Marshal!“

      Ein Riegel wird zurückgezogen. Die Tür springt einen Spalt auf, und Roger sieht das bärbeißige Gesicht des fünfundfünfzigjährigen Marshals von Collins, von dem manche Cowboys behauptet haben, er wäre froh, wenn er selbst in Ruhe gelassen wird.

      „Was wollen Sie mitten in der Nacht?“

      „Ich bringe Ihnen ein Pferd. Ich musste einen Mann erschießen. Lassen Sie mich herein?“

      Knurrend zieht der Marshal die Tür weiter auf. Roger geht hinein. Ralph Darcan schließt die Tür und lehnt sich gegen die Wand.

      „Fangen Sie an“, brummt er. „Von euch Keefes kommt nie etwas Gutes.“

      Roger berichtet dem Marshal, was sich ereignet hat, ohne Andy zu erwähnen.

      „Was haben Sie eigentlich dort gewollt?“, knurrt Darcan.

      Roger hat diese Frage erwartet.

      „Ich wollte nach den Rindern forschen, die uns gestohlen worden sind.“

      „Dann sind Sie genau an die Rustler geraten.“

      „Wieso?“, fragt Roger verblüfft.

      „Weil jeder weiß, dass sie sich dort aufhalten. Kein Tramp lässt es sich einfallen, ausgerechnet dort auf Beute zu lauern. Nirgends kann die Gefahr für ihn größer sein. Deshalb, Keefe. Deshalb hatten Sie es mit einem der Banditen zu tun.“

      Roger denkt wieder an seinen Bruder Er muss in den Canyon geritten sein. Wieso ließ der Mann, wenn er ein Viehdieb war, ihn vorbei?

      „Er hatte für einen Tramp auch entschieden zu viel Geld in der Tasche“, fährt der Marshal fort. „Man müsste herausfinden, wo die Banditen die Rinder an den Mann bringen. Dort kann man sie leicht stellen.“

      „Rinder lassen sich nicht so leicht verkaufen. Vor allem solche nicht, die ein Brandzeichen tragen, das bekannt ist.“

      „Ja, stimmt. Trotzdem lassen sie sich verkaufen, wie das Geld beweist, das der Kerl einstecken hatte. Ihr Vater hat genug Leute. Er mag sich darum kümmern. Das Geld behalte ich. Wenn der Wanderrichter kommt, gebe ich es ihm.“

      11

      Andy steht auf dem Hof am Brunnen, als Roger die Ranch im Morgengrauen erreicht. Andy lächelt verkniffen.

      „Du siehst verstaubt aus, Bruder. Du musst weit geritten sein.“

      Roger mustert Andy dunkel. Er fragt sich, wie viel sein Bruder wissen kann. Und er fragt sich auch, ob der Mann wirklich ein Viehdieb war, wie der Marshal annimmt Ob er ihn fragen soll, ob er in den Canyon ritt und der Bandit vielleicht gerade schlief?

      „Ich habe einen Banditen erschossen“, meint er. „In den Bergen. Er hatte einhundertsechzig Dollar in der Tasche.“

      „In den Bergen?“

      „Ja.“

      „Was hast du denn dort gewollt?“

      „Nimm an, ich wäre den Spuren entlaufener Rinder gefolgt“, sagt Roger.

      „Wo ist das Geld?“

      „In der Stadt. Bei Marshal Darcan. Er wird es demnächst dem Wanderrichter übergeben, wenn der nach Collins kommt.“

      Andy setzt sich auf den gemauerten Brunnenrand und schüttelt den Kopf.

      „Unser Vater lacht sich krank, wenn er das hört“,

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