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Betreuer ließ sich davon nicht beeindrucken, sondern schob ihn auf ein Haus zu, das wie eine Blockhütte aussah. »Campleitung« stand über dem Eingang.

      »Los, raus aus dem Wagen«, knurrte Brown Mike an.

      Mike war etwas durcheinander. Er war eingenickt, obwohl er versuchte hatte, wach zu bleiben, aber die Ereignisse der letzten Stunden und die Aufregung forderten ihren Preis. Er fühlte sich schwach und übel war ihm auch.

      Seit die beiden Betreuer Rickys Fluchtversuch vereitelt hatten, war mit ihnen nicht mehr zu reden gewesen. Mit verkniffenen Gesichtern saßen sie vorn und starrten stumm in die Nacht. Sie hatten Mike ebenfalls die Hände auf den Rücken gefesselt und es war unangenehm gewesen, so den Rest der Fahrt hinter sich zu bringen.

      Mike war klar, dass sich ihre Situation wesentlich verschlimmert hatte. Was er nicht wusste, war, welche Konsequenzen das für sie hatte. Eine Zeit lang hatte er sich den Kopf darüber zerbrochen, war aber zu keinem Ergebnis gekommen. Schließlich hatte er erschöpft aufgegeben. Alles, was kam, lag nicht mehr in seiner Hand.

      Während er neben Brown die wenigen Stufen zum Eingang des Hauses hochging, nutzte er die Gelegenheit, sich kurz umzusehen.

      Im Licht starker Scheinwerfer erkannte er einige flache Gebäude. Vor den Häusern lag ein weitläufiger asphaltierter Platz, auf dem mehrere Fahrzeuge standen. Weiter hinten vor dem Umriss des nahen Waldes machte er einen Sportplatz aus. Mitten in der Nacht wirkte das Gelände düster und feindselig, mehr wie ein Kriegsgefangenenlager als ein Jugendcamp.

      Vor ihm wurde die Tür aufgehalten und Mike trat über die Schwelle. Sie befanden sich in einem Vorraum. Hinter einer massiven Holztheke stand ein Schreibtisch mit einem Computerbildschirm darauf. Auf einem kleinen Tisch neben dem Eingang lagen Flyer mit aufgedrucktem Camplogo. Das hier war also der Empfangsbereich für Gäste und Eltern. Alles sah aus wie in einem Feriencamp, aber dieser Eindruck wurde durch den Mann zerstört, der vor der Theke stand und Ricky und ihn finster anstarrte.

      »Ihr seid die Sanders-Brüder«, sagte der Mann. Es war keine Frage. »Mein Name ist Wilson, ich bin der Direktor dieses Camps. Wie ich von meinen Mitarbeitern höre, habt ihr versucht zu fliehen.«

      Mike öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn aber wieder. Es gab nichts zu erklären.

      Salisbury meldete sich zu Wort. »Es war der jüngere.« Er stieß Ricky gegen die Schulter, sodass er einen Schritt nach vorn stolperte. »Der andere hat versucht, es ihm auszureden.«

      Wilsons Blick streifte Mike kurz, dann wandte er sich Ricky zu. »Euer Dad hat euch für die nächsten zwanzig Wochen mir übergeben und mir die Vollmacht erteilt, jedes Mittel einzusetzen, um eure Erziehung voranzubringen. Strafen sind ausdrücklich erlaubt und es steht in meiner Macht, sie einzusetzen, wie ich es für richtig halte.«

      Er schaute zwischen Ricky und Mike hin und her.

      »Ihr seid hier, weil ihr Drogen nehmt, euch undiszipliniert und aufsässig zeigt. Noch dazu habt ihr euch einer Verhaftung widersetzt und wurdet auf richterliche Anordnung zu mir geschickt. Ihr habt euer Leben nicht im Griff und daher trage ich ab sofort die Verantwortung für euch.« Seine Stimme wurde noch härter. »Es gibt hier Regeln. Einfache Regeln. Tut, was man von euch verlangt, wann man es von euch verlangt. Fügt euch ein und macht keine Schwierigkeiten, dann geht die Zeit hier rasch vorbei. Habt ihr das verstanden?«

      Mike überlegte, ob er etwas dazu sagen, sich und seinen Bruder verteidigen sollte. Außerdem war da noch das brutale Verhalten der beiden Betreuer gegenüber Ricky, aber Mike spürte, dass dies kein guter Zeitpunkt war, es anzusprechen. Sein Protest würde nur als Widerstand gedeutet werden. Besser war es, gute Miene zum bösen Spiel zu machen und erst einmal abzuwarten, bis sich alles ein wenig beruhigt hatte. Stumm nickte er.

      Neben ihm starrte sein Bruder verbissen in die Luft.

      »Was ist mit dir?«, fragte ihn Wilson.

      Ricky presste die Lippen aufeinander.

      »Nun gut«, meinte der Direktor. »Mike, du gehst mit Mr Brown zum Schlafsaal. Ricky verbringt die Nacht im Isolationsraum.«

      Plötzlich kam Leben in Ricky. Sein Kopf ruckte hin und her. Wild riss er die Augen auf.

      »Ich will nach Hause!«, schrie er. »Sie können mich nicht hierbehalten.«

      »Oh doch, ich kann«, sagte Wilson ruhig und gab Salisbury ein Zeichen, der Ricky an den gefesselten Handgelenken packte und nach draußen schleppte.

      Mike versuchte, sich umzudrehen, aber Brown hielt ihn fest.

      »Du bleibst hier, Junge«, befahl Wilson. »Beweg dich nicht vom Fleck.«

      Mike wusste nicht, was er tun sollte. Vor der Tür erklangen Rickys Schreie und automatisch rührte sich sein Beschützerinstinkt.

      Wilson sah es. »Du kannst ihm nicht helfen, sondern machst alles nur schlimmer, wenn du dich jetzt nicht fügst. Schlimmer für dich und schlimmer für ihn.«

      »Sir, ich möchte meinen Bruder begleiten«, sagte Mike.

      »Das bestimme ich und ich habe anders entschieden.«

      »Aber wenn ich …«

      Wilsons eiskalter Blick ließ ihn verstummen.

      »Mr Brown, bringen Sie ihn in den Schlafsaal.«

      »Aus den Betten und draußen antreten!«, brüllte der Betreuer.

      Mike schreckte aus dem Schlaf hoch. Orientierungslos richtete er sich auf und blickte sich um. Um ihn herum waren Jungs in seinem Alter und etwas jünger damit beschäftigt, sich hastig anzukleiden. Mindestens zwanzig von ihnen schlüpften nun in ihre Sportsachen und zogen Turnschuhe an.

      Brown hatte Mike auf dem Weg zu den Unterkünften in kurzen Sätzen die Regeln des Camps erklärt. Auf ihn wartete täglich ein straffes Programm, beginnend morgens um sechs Uhr mit einem Zehnmeilenlauf noch vor dem Frühstück. Danach stand Unterricht auf dem Programm, bei dem es sich nicht um die normalen Schulfächer handelte. Statt Biologie und Mathematik würde man sie in Ethik und Sozialverhalten unterrichten. Anschließend gab es eine Stunde Mittagspause, danach Gruppen- und Einzelsitzungen mit Therapeuten. Vor dem Abendessen würden sie erneut Sport treiben, danach hatten sie zwei Stunden zur freien Verfügung.

      Es gab einen Freizeitraum mit Tischfußball, Billard und einer Tischtennisplatte, dazu eine Bibliothek und einen Leseraum.

      Fernseher oder Computer suchte man vergeblich. Die Handys hatte man ihnen nicht wiedergegeben, sodass sie vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten waren.

      Mike hatte in der Nacht kaum geschlafen. Unruhig und voller Sorge hatte er sich auf dem metallenen Militärbett mit flacher Matratze herumgewälzt. Nun stand er vor seinem Spind und überlegte verzweifelt, wohin er seine Sportsachen gepackt hatte.

      Plötzlich stand jemand neben ihm. »Ich bin John, der Saalälteste, und für alles verantwortlich, wenn kein Betreuer anwesend ist. Ich habe mitbekommen, wie Brown dich letzte Nacht hergebracht hat. Zieh dich an. Wir müssen in fünf Minuten antreten oder es gibt Ärger.«

      »Ich finde meine Sportsachen nicht.«

      »Mach hin.«

      »Verflucht, ich hab dir …«

      Plötzlich erklang die Stimme eines Betreuers vom Saaleingang. Wie Donner rollten die Worte durch den Raum. »Was ist hier los?«

      John zuckte zusammen. Mike sah, dass er versuchte, irgendwie Haltung anzunehmen. Es sah kläglich aus.

      »Es gibt Schwierigkeiten mit dem Neuen, Sir«, sagte er.

      Der Mann, der sie vor wenigen Minuten aus den Betten gescheucht hatte, kam auf sie zu. Er war so groß wie Mike und trug einen schwarzen Trainingsanzug. Blasse blaue Augen starrten ihn an.

      »Warum hast du deine Sportsachen nicht an?«, fragte er gefährlich leise.

      Mikes Ärger war verflogen. Er spürte, wie ihm ein Schauer über den Rücken lief. Der Typ verstand keinen Spaß, das war ihm sofort

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