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Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk
Читать онлайн.Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Год выпуска 0
isbn 9783745212532
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Издательство Readbox publishing GmbH
Kaum dass er das gesagt hat, läutet der Apparat schon wieder.
„Sag ich doch: für Sie!“, langt der Bürgerkomiteeler ihm den Hörer rüber.
„Ja, Benedict!“, meldet er sich mit gehetzter Stimme.
„Na, Herr Kollege! Bisschen viel auf Achse was?!“
Der Düsseldorfer kann sich nicht helfen, aber irgendwie hat Meißners Stimme einen maliziösen Unterton. Immerhin war dem ja bekannt, mit wem er gestern Abend zusammen gewesen war. Ob er vielleicht auch...
„Sehen Sie zu, dass Sie spätestens um fünf im Präsidium sind. Wir haben ja wohl noch ein paar Sachen zu besprechen, oder?“
Nachdem Benedict dem MUK-Leiter seine Zusage gegeben hat, macht er sich zumindest dem Anschein nach wieder an das Studium der Raschke-Vorgänge. Den „Leitenden“ kann er von hier aus sowieso nicht erreichen. Was der will, kann er sich auch so denken: Wann sind Sie durch damit, Benedict? oder ähnliches. Immer nervöser blättert er in den Vorgängen herum, ohne deren Inhalt wirklich aufzunehmen. Wenn die nun nicht mehr anrufen? Und wenn es ihm nicht gelingt, sie zu dem Treffpunkt in Babelsberg zu locken? Ob sie verheiratet ist? Er hatte nicht danach gefragt. So eine ähnliche Sache hatte er schon mal vermasselt, weil er zu unflexibel reagierte. Aber das war am Anfang seiner Polizeilaufbahn, noch in Frankfurt. Inzwischen hat er ja auch so einige Tricks drauf. Sie war mit keiner anderen Frau vergleichbar. Auch mit Kitty nicht. Warum rufen die nicht an?
Kurz nach drei ist er so angespannt, dass man auf seinem Rippenfell Gitarre spielen könnte. Als das Telefon endlich, endlich klingelt, hat er das Gefühl, dass die überspannten Saiten hässlich quietschend reißen.
„Schon wieder diese unhöflichen Anrufer!“
Das sind sie. Jetzt geht es also los.
„Hallo! Benedict!“
Stille am anderen Ende.
„Hallo?“
„Wissen Sie was, Benedict, wir hätten Lust, den Deal abzublasen. Sie sind uns einfach zu oft zu wenig erreichbar. Unsere Leute glauben, dass Sie uns irgendwie abzocken wollen, und das gefällt uns nicht. Das gefällt uns überhaupt nicht!“
Schöne Schifferscheiße! Was tun? Flucht nach vorne?
„Bitte. Ist Ihr Problem. Ich habe hier noch einen Ermittlungsauftrag durchzuführen, und der geht vor. Das mit Dean Sanger, das ist für mich nur eine Nebensache. Wenn Sie nicht mehr wollen ... c’est la vie!“
Au verdammt, da hat er zu dick aufgetragen! Die Situation ist da. Er hat es wieder vermasselt. Der Anrufer hat einfach aufgehängt. Und jetzt? Da steht er ganz schön belämmert da, vor Meißner ... und vor Vera ...
Noch in seine stillen Selbstbezichtigungen hinein dringt erneut das Klingeln des Telefons.
„Ja? Benedict!“
„Also gut. Unsere Leute sind einverstanden. Wir machen das Geschäft ... wann?“
Der Schweiß läuft ihm von der Stirn brennend in die Augen, als er seinen Trick anbringen will. Er hatte versucht, sich in die Situation dieser Leute hineinzuversetzen. Sie wollten das Geschäft offenbar ziemlich schnell abwickeln. Wenn er also erreichen wollte, dass sie den heutigen Abend als Zeitpunkt akzeptierten, musste er selbst einen so späten Termin vorschlagen,dass sie sich unmöglich darauf einlassen konnten.
Wenn seine Kalkulation stimmte, wenn ...
„Am Freitag, um 20 Uhr!“
„Wollen Sie uns verarschen, Benedict? Damit Sie in aller Seelenruhe bis dahin irgendeine Schweinerei vorbereiten können? Nee, nee, so ausgeschlafen sind wir schon lange. Heute! Heute, 20 Uhr, und keinen Tag später!“
Jetzt muss er aufpassen. Die dürfen nichts von seiner ersten Erleichterung merken, also weiterspielen.
„Sind Sie verrückt! Wie soll ich denn bis heute Abend 50 000 DM auftreiben? Das muss doch erst organisiert werden!“
„Nein, nein. Zu organisieren brauchen Sie gar nichts, nur das Geld zu beschaffen. Und dazu hatten Sie ja auch schon länger Zeit. Entweder Sekt heute Abend oder Selters an jedem anderen Tag!“ Zähneknirschend willigt er schließlich ein. Man soll Spiele niemals überziehen, denn der schwierigste Teil liegt jetzt erst vor ihm. Er hatte sich in der Frage des Übergabetermins ihrer Unnachgiebigkeit beugen müssen, ln diesem Glauben mussten sie sich jedenfalls befinden. Durch die sehr knappe Terminvorgabe hatten sie ihrer Ansicht seinen Spielraum derart eingeengt, dass sie sich vor Gegenmaßnahmen nahezu sicher sein konnten. Und sie sind Händler. Händler agieren immer irgendwie mit dem Gefühl von Geben und Nehmen. Er hatte in der Frage des Termins geben müssen. Folglich ist es nach uraltem Handelsbrauch nur recht und billig, wenn er dafür als Gegenleistung von ihnen etwas bekommt.
„Und wo?“, versucht er seiner Stimme einen möglichst gleichgültigen Klang zu geben.
„Am Bahnhof Zoo!“, kommt es wie aus der Pistole geschossen. „Da fällt das im Gedränge nicht so auf. Geld gegen Material-Koffer, und wir können uns ganz schnell wieder absetzen!“
Das ist schon klar. Da gibt es viele Möglichkeiten schnell unterzutauchen. S-Bahn, U-Bahn, BVG-Busse oder einfach zu Fuß Richtung Kudamm. Er tut so, als müsste er sich das erst länger durch den Kopf gehen lassen, bevor er seine Bedenken vorbringt. „Gefällt mir nicht, gefällt mir gar nicht!“
„Wieso? Was ist damit nicht in Ordnung?“
„Erstens möchte ich mich von der Echtheit des Materials überzeugen können, bevor ich das Geld zahle und...“
„Wir haben Ihnen doch schon was geschickt!“
„Ja, das war eine Tonkassette, aber was ist mit den Videos? Ich möchte da wenigstens kurz mit einem transportablen Abspielmonitor rein sehen. Und dazu brauch ich Platz und keinen Volksauflauf um mich herum. Und zweitens, der Ort gefällt mir nicht, weil er von Ihnen kommt... genauso wenig, wie Ihnen der Übergabetermin gepasst hat, weil er von mir kam!“
Ja. Er hatte sie verwirrt. So viel ist mal klar. Am anderen Ende wird der Hörer abgeschirmt, und er hört wieder nur dieses diffuse Stimmengewirr. Manchmal glaubt er, russische Sprachfetzen identifizieren zu können. Mittlerweile hat er das Gefühl, als wäre sein Ohr auf die fünffache Größe angeschwollen.
„Und ... welchen Ort stellen Sie sich vor?“, klingt es dann doch endlich klar aus dem Hörer.
Der erste Schritt. Es ist nur der erste Schritt.
„Tja, also ... ich kenn, mich ja hier nicht so aus ...“
Jetzt nur keine zu lange Pause, damit die nicht wieder von sich aus einen Ort vorschlagen. Einundzwanzig ... zweiundzwanzig... dreiundzwanzig!
„Doch! Da fällt mir was ein! Ich hatte heute Vormittag draußen bei der DEFA in Babelsberg ein Gespräch. Durfte mir auch das Gelände ansehen. Da gibt es einen Platz ..."
Als Hauptkommissar Vitus H. Benedict erleichtert den Hörer auf die Gabel fallen lässt, ist sein Hemd klatschnass und das Gesicht Schweiß überströmt. Aber er hat es geschafft. Die Haie hatten die ausgelegten Köder geschluckt. Noch einmal greift er zum Telefon.
„Kollege Meißner? Sie können Ihren Freunden sagen, dass die Sache verabredungsgemäß läuft. Wir sehen uns dann um fünf im Präsidium!“
Ja. Heut Abend, und er würde Vera Wiedersehen.
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