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Dreizehn Band 1-3: Das Tagebuch / Die Anstalt / Das Spiegelbild. Carl Wilckens
Читать онлайн.Название Dreizehn Band 1-3: Das Tagebuch / Die Anstalt / Das Spiegelbild
Год выпуска 0
isbn 9783862827282
Автор произведения Carl Wilckens
Жанр Зарубежная классика
Серия Dreizehn -13-
Издательство Readbox publishing GmbH
Sie bedeutete mir, es erneut zu versuchen. „Ella, Malaka. War das alles?“ In den Reihen der Piraten ertönte verhaltenes Lachen.
Dann tauchte Hunger hinter Sam auf. Er hielt mein Messer in der Hand, bereit, es Sam in den Rücken zu stoßen. Sam drehte sich so schnell herum, dass ihre Umrisse verschwammen. Sie hatte ein Messer gezogen und donnerte das Heft gegen Hungers Schläfe.
Greller Schmerz explodierte vor meinen Augen. Ich fand mich zu Sams Füßen wieder.
„Netter Versuch, Malaka.“ Sie fasste mein langes Haar und zog mich daran auf die Beine. Die Welt drehte sich, und mir wurde übel. Sams Gesicht kam dem meinen so nahe, dass ich ihren Atem riechen konnte. „Du bist gut. So gut, dass ich diesen Kampf jetzt beenden muss.“ Sie stieß mich von sich, und ich taumelte rückwärts geradewegs gegen den dicken Bauch eines Piraten. Marios Bauch. Ich hatte noch die Zeit, ihm ins Gesicht zu sehen, ehe er sagte: „Schlafenszeit“ und mich mit einem einzigen Schlag ausknockte.
Ich erwachte kurz, als man meinen erschlafften Körper vor jemandes Füße warf.
„Was soll das?“ Das war Francos Stimme.
„Er sagte, er arbeitet für dich“, knurrte Mario. „Betrachte es als unseren guten Willen, dass wir ihn nicht getötet haben.“ Ich wurde wieder bewusstlos.
Als ich erwachte, schwebte ich auf einer Trage über das Deck der Swimming Island. Der Rahmen einer Tür glitt über mich hinweg, und das Sonnenlicht verschwand. Brachte man mich in den Unterrumpf?
„Nein.“ Ich lallte, als wäre ich betrunken. Ich hob den Kopf. Augenblicklich erfasste mich Schwindel und wieder verlor ich das Bewusstsein.
Das nächste Mal holte mich eine vertraute Stimme zurück. „Godric? Mein König?“
Ich blinzelte. Über mir schwebte das Gesicht von Limbania. Mutter der Ratten. Ich wollte antworten, aber mein Kopf war leer.
„Ihr habt ihm ganz schön zugesetzt“, sagte Limbania. „Schädel-Hirn-Trauma.“
„Nicht wir“, brummte Franco.
„Geht. Kommt in drei Tagen wieder.“
„Du sollst ihn nicht bloß heilen, Limbania. Es gibt da noch eine andere Sache, um die du dich kümmern musst.“
„Denkst du, das weiß ich nicht? Geht!“
Schritte entfernten sich, und eine Tür fiel ins Schloss. Limbanias Gesicht tauchte wieder über mir auf. „Mein armer Kleiner.“ Sie strich mir durchs Haar, wie Emily es früher getan hatte. „Ich weiß, was in dir vorgeht. Ein böser Geist verfolgt dich. Das schwarze Perl gab ihm die Kraft, dich bis ins Sonnenlicht zu begleiten.“ Sie lächelte und offenbarte ihre nadelspitzen Zähne. „Ich werde ihn vertreiben. Aber du wirst dafür bezahlen.“ Sie wandte sich ab und verschwand im angrenzenden Zimmer. Unter großer Anstrengung drehte ich den Kopf. Mein Blick fiel als erstes auf den Spiegel und traf den meines Ebenbildes.
Es lächelte.
„Nein“, flüsterte ich.
Mein Spiegelbild stieg aus dem Bett. Ich versuchte mich aufzusetzen. Schwindel erfasste mich, und für einen Moment trat ich weg. Als ich wieder zu mir kam, war mein Spiegel-Ich im Begriff, durch das Glas zu treten. Es streckte seinen Arm hindurch, und der Spiegel warf Wellen wie die Oberfläche eines Sees. In den Augen meiner selbst funkelte die Mordlust. Mir wurde heiß.
„Limbania.“ Meine Stimme war ein raues Flüstern. „Limbania.“
Mein Ebenbild betrat vollends die Kammer. Kurz blickte es an sich herab, als könne es nicht glauben, seinem Gefängnis entkommen zu sein. War das alles eine Halluzination? Es trat vor das Bett, in dem ich lag. Ich blickte zu ihm auf, die Augen weit aufgerissen. Sein Lächeln war beinahe liebevoll. Sein Blick dunkel und kalt. Ich fürchtete mich nicht vor dem Tod, wohl aber vor mir selbst. Mein Ebenbild zog ein Messer.
„Limbania!“ Nicht ich hatte gerufen. Ich blickte zum Regal. War der Schrumpfkopf zum Leben erwacht?
„Was ist?“ Mein Spiegelbild raste an seinen angestammten Platz zurück. Eine Sekunde später betrat Limbania die Kammer. In der Hand hielt sie eine winzige Schale mit gelbem Brei. Sie ging vor mir in die Hocke. „Iss das, mein König.“ Der Brei schmeckte wie faule Eier. Aber im Unterrumpf hatte ich schon weitaus widerwärtigere Dinge mit Appetit verschlungen. Gehorsam aß ich, was sie mir verabreichte, und versank in tiefem Schlaf.
Ich träumte von einem Birkenwald. In der Nähe einer Stadt mit roten Dächern. Die Strahlen der tief stehenden Sonne wärmten mein Gesicht. Grillenzirpen füllte die Luft. Eine Böe strich mir durchs Haar und trug den Geruch des Meeres heran, und die Birken flüsterten durcheinander.
„Ich kenne diesen Ort“, sagte ich zu mir selbst.
„Es ist deine Erinnerung.“ Es war, als hätte Limbania schon die ganze Zeit neben mir gestanden.
„Unmöglich.“ Ich ging in die Hocke und berührte die Samen eines Grashalms. Es waren acht. „Ich habe ein gutes Gedächtnis, aber kein so gutes.“
„Lass dich nicht täuschen. Woran du dich nicht erinnerst, erfindet dein Gehirn dazu.“
Ein Ruf ertönte. „Komm zurück, Emily. Signore Fonti sagte, wir sollen diese Aufgaben bis morgen gelöst haben.“
Die Silhouette eines Mädchens tauchte über der nächsten Hügelkuppe auf. Haar und Rock wehten hinter ihr her, als sie auf die Birken zulief. Ihr folgte ein magerer Junge, der große Schwierigkeiten hatte, mit ihr Schritt zu halten.
„Na und?“, rief das Mädchen. „Die erledigen wir doch in Nullkommanichts. Es ist ein wunderschöner Tag. Bis die Sonne untergeht, können wir den Bäumen lauschen.“ Emily erreichte den Birkenwald und ließ sich an dessen Rand im Gras nieder. Der Junge legte sich wortlos neben sie, sodass sich ihre Köpfe fast berührten.
Ich ging zu ihnen. Eine Zeit lang stand ich bloß da und betrachtete das Gesicht, das einst mein eigenes gewesen war. Rund und rosig und narbenlos. Die Augen voller Lebensfreude.
„Komm“, sagte Limbania leise und fasste mich am Unterarm. Mit sanfter Gewalt zog sie mich fort.
„Wohin gehen wir?“
„Das siehst du gleich.“
Wir taten nur drei Schritte. Die Hügel lagen hinter uns, und wir standen auf den Straßen der Stadt. Hier wurde meine Erinnerung blasser, die Umrisse aller Dinge unschärfer. Limbania öffnete die Tür eines Hauses, und dahinter kam ein dunkler Gang zum Vorschein. Mit einem Nicken forderte sie mich auf, einzutreten. Ich erwiderte ihren Blick und schüttelte den Kopf.
„Es ist nicht der Unterrumpf“, sagte Limbania. „Es ist nur eine Erinnerung. Der einzige Weg zurück in die Gegenwart.“ Ich holte tief Luft, straffte die Schultern und trat ein.
In meiner Erinnerung war der Unterrumpf wie in meinen Albträumen. Ein undurchsichtiges Gewirr dunkler Gänge und enger Räume. Nur jene Orte, die ich oft besucht hatte, sah ich klar. Wie jene Kammer über dem Maschinenraum. Irres Geschrei hallte durch die Gänge. Stetes Tropfen begleitete es. Rattenfiepen und das Knarren von Stahlträgern. Es roch nach Eisen, nach Rost und Blut.
„Du hast gelogen.“ Ich blieb abrupt stehen. „Lass mich zurück.“
„Es gibt kein Zurück.“
„Limbania, ich werde dir den Hals umdrehen …“
„Vertrau mir. Hier entlang.“ Sie führte mich durch einen Gang, eine Treppe hoch, durch ein Loch in der Wand und eine Leiter hinauf. Während wir dem Verlauf eines breiten Hauptganges folgten, bemerkte ich eine Bewegung aus den Augenwinkeln.
„Wir werden verfolgt“, murmelte ich.
Limbania nickte und schwieg.
Wir gingen weiter und gelangten vor eine Tür. Die Dealertür.