ТОП просматриваемых книг сайта:
Dreizehn Band 1-3: Das Tagebuch / Die Anstalt / Das Spiegelbild. Carl Wilckens
Читать онлайн.Название Dreizehn Band 1-3: Das Tagebuch / Die Anstalt / Das Spiegelbild
Год выпуска 0
isbn 9783862827282
Автор произведения Carl Wilckens
Жанр Зарубежная классика
Серия Dreizehn -13-
Издательство Readbox publishing GmbH
„Als ich sagte, du sollst dir Freunde suchen, meinte ich nicht mich“, sagte er grußlos. „Grundsätzlich habe ich nichts gegen dich, Junge. Aber zwischen unserer Bande und Franco herrscht ausnahmsweise Waffenstillsand. Und offenbar hat Franco was gegen dich. Ich möchte diesen Frieden nicht aufs Spiel setzen, indem ich mich mit dir anfreunde.“
„Du kannst beruhigt sein“, sagte ich. „Ich arbeite jetzt für Franco.“
Marios Blick verfinsterte sich. „So? Du scheinst deinen Platz auf diesem Schiff gefunden zu haben, Junge. Viel Glück.“
Ich denke oft, dass ich die Vulkaninsel nie hätte verlassen dürfen. Das Grün des Waldes war Balsam für meine Seele. Ich erfuhr, dass die Piraten sich an abgelegene Orte wie diesen zurückzogen, um für einige Zeit abzutauchen. Bis die Königreiche ihre Patrouillen auf See zurückzogen, und die Händler es wagten, ihre Routen wieder zu fahren. Ich hatte meine letzte Kugel Perl schon vor einer Weile aufgebraucht, als Black Raven höchstselbst auf das Dach einer Hütte kletterte und verkündete, dass sie binnen vierundzwanzig Stunden ablegen würden. Es war das erste Mal, dass ich den Kapitän der Swimming Island sah. Er unterschied sich in seinem Aussehen nicht wesentlich von einem Mann wie Franco. Doch blickte man in seine schwarzen Augen, bekam man es mit der Angst zu tun. Man war froh, in der Menge zu stehen wie ein Schaf, das sich in der Herde in Sicherheit wähnte. Die Kälte in Ravens Augen ließ keinen Zweifel, dass er auf Ungehorsam nur eine Antwort kannte: Den Tod.
Die Furcht, die der Mann verströmte, umgab ihn wie eine schützende Rüstung. Er schritt so kühn durch das Lager, als wäre er unverwundbar. Die Männer senkten den Blick, wenn er vorüberging. Große Männer. Männer mit Armen wie Baumstämme. Männer, die tödliche Waffen bei sich trugen. Sie grüßten ihn mit respektvoller Stimme. Sie wichen ihm aus.
Am nächsten Tag kehrte ich wie alle anderen an Bord der Swimming Island zurück. Ich saß in einem der Boote. Inzwischen zitterte ich am ganzen Leib. Mein Herz raste. Ich gierte nach Perl.
Auch Hunger sah nicht gut aus. Sein Gesicht war unrasiert, seine Augen blutunterlaufen und er atmete hörbar.
„Du wirst als erstes den Eingang zum Neulingsschacht suchen“, sagte er mit bebender Stimme. „Hörst du?“ Der Neulingsschacht war eine Art Rutsche, durch die regelmäßig Bewohner in den Unterrumpf gelangt waren. Mitglieder von Ravens Crew, die man bestraft hatte oder die einfach Pech gehabt hatten. Vier von fünf Neulingen hatten nicht länger als zwei Viertel im Unterrumpf überlebt. Viele waren direkt an der Schachtmündung der Rutsche ermordet und geplündert worden.
„Du kannst dir Perl besorgen und den Rumpf einfach wieder verlassen“, fuhr Hunger fort. Dunkle Schweißflecken zeichneten sich unter seinen Armen ab. „Du bist der Perlkönig. Wer sollte dich aufhalten?“
„Ich gehe nicht zurück“, murmelte ich verbissen. Die Insassen des Bootes warfen mir misstrauische Blicke zu.
„Rede keinen Unsinn“, keifte Hunger. „Wir wissen beide, dass du es keine Sekunde länger aushältst.“
Ich sah zum Rumpf der Swimmung Island. Hunger hatte Recht. Das Perl hinter der gepanzerten Wand pulsierte so hell, dass es zu einem einzigen, silbernen Licht verschmolz.
Gib es mir
Gib es mir
Ich erschauerte.
Unser Boot wurde von einem Kran auf Höhe des Decks angehoben. Zuallererst suchte ich ein geeignetes Versteck für den Flammenwerfer. In meinem Zustand war es nicht klug, ihn bei mir zu tragen. Anschließend lief ich ziellos umher. Ich holte eine Zigarette hervor – meine zehnte heute – und zündete sie an. Meine zitternden Finger konnten kaum den dünnen Stängel halten. Indessen huschte Hunger umher auf der Suche nach dem Neulingsschacht. Er verschwand hinter einem Schiffsaufbau, nur um sogleich hinter einem anderen wieder aufzutauchen.
„Wo ist dieser Schacht?“, sagte er in immer drängenderem Tonfall. „Wo, wo, wo?“
Kaum gewahr, wo ich hinlief, rempelte ich einen Piraten an. „Pass doch auf“, blaffte er.
„Gefunden!“, rief Hunger triumphal. Er stand vor einer eckigen Schachtöffnung, die aus einem der Aufbauten ragte. „Gefunden! Hier ist er! Rein, geh rein, und hol es dir.“
„Halt den Mund …“, murmelte ich mit mühsam beherrschter Stimme.
„Wie bitte?“, fragte der Pirat und packte den Griff seines Säbels.
„Rein, geh rein, losloslos, da unten ist es, geh rein …“
„Ich sagte: HALT DEN MUND!“ Viele Gesichter wandten sich mir zu.
Der Pirat zog den Säbel. „Du hast es so gewollt“, knurrte er.
Hunger fing an zu schreien. Seine blutunterlaufenen Augen glühten. Er verschwand an Ort und Stelle und tauchte hinter dem Piraten wieder auf. In den Händen hielt er ein Messer – mein Messer! Er riss den Kopf des Piraten in den Nacken und schlitzte ihm die Kehle auf.
Unmöglich! Er war nur eine Halluzination, eine Ausgeburt meines kranken Verstands.
Ich blinzelte.
Jäh war ich an Hungers Stelle. Das Blut meines Opfers strömte mir über die Hände. Ich wich zurück und starrte den Mann an, der röchelnd vor mir zusammenbrach. Ich war mehr irritiert denn entsetzt. Was von alledem war noch real? Ich betrachtete meine Handrücken. Die Adern traten dick hervor. Ich spürte eine unsägliche Kraft wie damals, als ich das schwarze Perl genommen hatte, doch wurde sie nun von dem noch größeren Verlangen nach der Droge begleitet.
Weitere Piraten zogen ihre Waffen.
„Er dreht durch.“
Eine Pistole klickte. Ich hob den Blick. Mir war klar, dass ich nicht schnell genug reagieren können würde. Hunger hingegen konnte es. Schon stand er vor dem Schützen und schlug ihm die Waffe aus der Hand. Er packte seinen Kopf mit beiden Händen und brach ihm mit einem Ruck das Genick. Und erneut fand ich mich an seiner Stelle wieder.
Tumult brach aus. Die Piraten stürzten sich auf uns oder flohen. Ich zückte Chemos Machete und hackte damit auf den nächsten Widersacher ein. Ich tötete zwei Männer und schlug einem dritten aufs Auge. Der Mann taumelte rückwärts. Erst jetzt bemerkte ich, dass es Chemo war. Er kämpfte sichtlich gegen die Benommenheit an, die mein Schlag ausgelöst hatte. Ich warf die Machete weg, packte ihn um die Körpermitte und hob ihn so mühelos über den Kopf wie eine Stoffpuppe. Vergeblich versuchte er sich aus meinem Griff zu befreien. Ich drehte mich einmal um die eigene Achse. Ich wollte ihn über die Reling werfen. Da fiel mein Blick auf die Öffnung des Neulingsschachts und ich warf Chemo hinein. Der irre Pirat verschwand schreiend in der Tiefe.
„Hinterher“, brüllte Hunger. „Er wird sich das Perl holen, das dir zusteht!“
„Ich gehe nicht wieder zurück!“, schrie ich.
Inzwischen hatte man einen Kreis um uns gebildet. Ich sah viele Pistolenmündungen auf mich gerichtet. Es gab, glaube ich, zwei Gründe, warum man mich nicht längst erschossen hatte. Zum einen bestand das Risiko, mich zu verfehlen und jemand anderes zu treffen. Zum anderen war ich eine Art Kuriosität. Ein Tier, das zwar gefährlich, aber zu exotisch war, um es zu töten.
Da ertönte das helle Lachen einer Frau. Sam drängte sich zwischen den Piraten hindurch und betrat den Ring. „Gerade wollte ich dich töten“, sagte sie, „da wirfst du Chemo in diesen Schacht. Nein, das ist zu komisch.“ Sie schien keine Angst vor mir zu haben. Wirkte lediglich belustigt. „Ich lasse dir dein Leben.“ Ihre Augen blitzten kampflustig. „Komm her, Malaka. Du bist stark, aber ich werde dir jetzt eine Lektion erteilen.“
Ich knurrte und ballte die Hände zu Fäusten. Sam stand genau zwischen mir und dem Eingang zum Neulingsschacht. Hunger schrie. Töte sie! Töte sie!
Ich trat auf sie zu. Unermessliche Kraft pulsierte