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Zeitrausch (3). Spiel der Gegenwart. Kim Kestner
Читать онлайн.Название Zeitrausch (3). Spiel der Gegenwart
Год выпуска 0
isbn 9783401808017
Автор произведения Kim Kestner
Жанр Учебная литература
Серия Zeitrausch-Trilogie
Издательство Readbox publishing GmbH
Kay greift sich unwillkürlich an das Bein, aus dem ich die Kugel geholt habe. »Manchmal schmerzt es noch«, sagt er und sieht mich lange an. »Weißt du, ein Danke wäre viel zu wenig für das, was du alles auf dich genommen hast.«
»Du musst nicht –«
»Nein, Alison, hör mir zu. Ich kann dir nur eins versichern. Ich werde dich immer beschützen, bei jedem Schritt, den du tust, in jeder Minute, die du lebst. Immer.«
Ich lehne meine Stirn gegen seine Brust. »Ich weiß.«
Kay vergräbt seine Finger in meinen Haaren und presst mich noch enger an sich. »Auf dem Hügel, bei unserer Hütte damals. Wieso waren sie hinter dir her? Was hast du getan?«
Ich stöhne. »Oh Gott, ich weiß es nicht. Nichts. Ich habe nichts getan und ich werde nichts tun. Aber Sam Oscar ist der Auffassung, dass ich mich gegen die Show auflehnen werde.«
»Gegen die Show?« Kays Finger haben sich in meinem verfilzten Haar verfangen. Er löst vorsichtig einen Knoten und ich schiele zu ihm hoch.
»Er meinte, ich würde versuchen, Zeitreisen an sich zu verhindern.«
»Wie?«
»Das ist es ja. Ich wüsste weder, wie noch warum, und ich will mir verdammt noch mal nicht mehr den Kopf darüber zerbrechen. Du bist bei mir, wir sind beide hier, zu Hause, draußen scheint die Sonne, keiner greift uns an, und wenn es so bleibt, interessiert mich alles andere nicht. Ich will einfach nur meinen Frieden, verstehst du?«
»Ich halte das nicht für klug«, meint Kay und verschränkt seine Hände hinter dem Kopf. »Erzähl mir, wieso ich dachte, du hättest dir den Marker herausgeschnitten.«
Richtig, das weiß Kay ja noch nicht.
»Das war ziemlich idiotisch«, beginne ich, »und irgendwie ist alles schiefgegangen …«
Erst nach Stunden – zumindest fühlt es sich so an – habe ich meine Geschichte beendet und Kay davon berichtet, wie ich die Ports täuschen wollte, von dem Kaninchen, das ich dafür auf so grausame Art getötet habe.
Ich bin in meiner Erzählung auch zurück zu Sam Oscar gesprungen, der mir bereits im Cube hat weismachen wollen, dass ich alles dransetzen würde, Zeitreisen unmöglich zu machen. Auch von seiner mysteriösen Metapher erzähle ich Kay, nämlich dass es am Ende des Regenbogens am schönsten sei, die mich schlussendlich gerettet hat.
Nur dass Oscar mich mit in die Zukunft genommen hat, um mir zu zeigen, wie Kay und ich heiraten, verschweige ich. Ihm davon zu erzählen, wäre, als würde ich ihm einen Antrag machen, und überhaupt wird unsere Zukunft in jeder Sekunde neu geschrieben. Wer weiß, ob es wirklich so kommt.
Dafür erzähle ich Kay von den vielen Zeitsprüngen, wie ich den Bären tötete, mir zuvor selbst eine Nachricht zukommen ließ. Ab und an unterbricht mich Kay, fragt genau nach, wie ich den Marker ansteuere, auf welche Weise ich mein Ziel erfasse, und ich male ihm Bilder von Nervenbahnen und Synapsen auf den staubigen Boden. Als er von der Spezifikation in dem Marker erfährt, die es möglich macht, ihn mit mir durch die Zeit zu reißen, atmet er tief durch.
»Das bedeutet, du kannst mich mitnehmen, falls es sein muss.«
»Falls es sein muss, ja«, antworte ich und fühle, wie mir bei der Vorstellung, vielleicht wieder fliehen zu müssen, die Brust eng wird. Zumal eine schnelle Flucht viel schwieriger ist, wenn ich Kay mit mir ziehe.
Zum Schluss bleibt die Frage, weshalb wir auf dem Hügel bei unserer Hütte angegriffen wurden und weshalb entgegen Oscars Voraussage kein Port hier ist, um mich zu töten.
»Vielleicht haben sie gemerkt, dass ich keine Gefahr für sie bin. Oder sie haben festgestellt, dass es eine andere Alison sein wird, die etwas gegen die Zeitreisen unternehmen will, und sie bereits davon abgehalten. Vielleicht hat sich das Problem auch einfach erledigt«, sage ich, ohne meinen Worten wirklich Glauben zu schenken.
Auch Kay wiegt zweifelnd den Kopf. »Was ich nicht begreife, ist, weshalb die Ports, wie du sie nennst, nicht viel früher versucht haben, dich …« Kay verzieht das Gesicht, als hätte er Schmerzen.
»… umzubringen«, vollende ich seinen Satz. »Sag es ruhig. Dasselbe habe ich Oscar auch gefragt. Für ihn war das total klar, aber ich begreife es immer noch nicht so richtig.«
»Was genau?«, hakt Kay nach.
»Also, er meinte, mit jeder Handlung, mit jeder Sekunde spalte sich eine neue Realität ab, und von dieser Realität wieder eine und so weiter. Allein seit du wieder aufgewacht bist, müssten so um die …«
Kay wedelt ungeduldig mit der Hand. »Lass es Hunderttausende oder Millionen sein. Dann wäre es ja umso sinnvoller, früher einzugreifen, oder?«
»Genau das ist der Punkt. Auch von meiner Mutter gab es ja unzählige Versionen und von meiner Urgroßmutter. Welche von ihnen ist nun mit dem Kind schwanger, das irgendwann irgendetwas gegen sie tun wird? Oscar meinte, sie bräuchten das Vielfache ihrer Weltbevölkerung, um alle Realitäten zu prüfen, und das bezog sich nur auf einen bestimmten Zeitpunkt im Leben aller …« Ich zögere. Irgendwie fühlt es sich gerade merkwürdig an, eine Alison unter Zigmillionen zu sein, und ich muss mir eingestehen, dass mir der Gedanke, kein Individuum zu sein, nicht besonders gefällt.
»Alison?«
»Im Leben aller Alisons, die es geben mag, wollte ich sagen. Stell dir vor, sie müssten das gesamte Leben einer jeden Alison überwachen. Das wäre unmöglich. Darum, meinte Oscar, wäre es für die Ports einfacher, das Pferd von hinten aufzuzäumen, wenn du so willst. Sie gehen von Zeitpunkt X aus, an dem eine meiner Ichs eine«, ich rolle mit den Augen, »eine Gefahr für sie wird, und folgen deren Abspaltungen rückwärts bis zu einem Punkt, wo sie eingreifen können.«
Kay nickt nachdenklich. »Wie auf dem Hügel bei unserer Hütte.«
»Genau.«
»Oder später, in unserer Zukunft.«
»Möglich«, sage ich vage.
Unvermittelt steht Kay auf, streift sich das Ziegenfell ab und sieht sich um. Auch mir ist furchtbar heiß und ich würde mir den rauen, piksenden Stoff am liebsten vom Leib reißen, öffne aber nur ich die zwei obersten Knöpfe meines Hemdes. Kay streift mich mit einem kurzen Blick und dreht sich zu den Werkzeugregalen.
»Alles in Ordnung?«, frage ich.
»Wenn ich richtig verstanden habe, werden sie also einen möglichst späten Zeitpunkt wählen, um dich unschädlich zu machen«, antwortet er, mir den Rücken zugewandt, und greift nach einer Spaltaxt.
»Ich werde ihnen keinen Grund liefern, weil ich ihnen gar nicht erst gefährlich werde.«
»Womöglich hast du recht. Und vielleicht geht es auch gar nicht um dich. Aber ich kann mir kaum vorstellen, dass die Ports dich aus reiner Menschlichkeit verschonen, auch wenn du selbst nie etwas tun würdest, was dich oder sie oder wen auch immer gefährdet, wie du sagst. Ich glaube, dass sie eine Alison nach der anderen töten werden und …« Kay hält inne, zieht eine Kiste aus dem Regal. Es klappert und scheppert laut.
Ich stehe auf. »Was hast du vor?«
»Ich bewaffne uns«, sagt Kay, dreht sich um und streckt mir eins von Dads Schnitzmessern entgegen, die gebogene Klinge flach zwischen seine Finger gepresst. »Hier, nimm es. Ein zweites Messer kann nicht schaden.« Ich berühre es zögerlich am Griff, ohne es zu nehmen. Meine Augen wandern stattdessen zu einem verstaubten Regalbrett, auf dem Kay die Axt, zwei weitere Messer und einen schweren Hammer abgelegt hat.
»Du willst kämpfen?«
»Hast du eine bessere Idee?«
Ich ziehe meine Hand zurück und verschränke die Arme. »Ich möchte hierbleiben, solange es geht.«
Ein verärgerter Zug tritt in Kays Gesicht. »Und wenn es nicht mehr geht?«
»Fliehen wir.«
Kay