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Keinen Schritt zurück! - The sad story of brave Maggy Stuart. Florian Juterschnig
Читать онлайн.Название Keinen Schritt zurück! - The sad story of brave Maggy Stuart
Год выпуска 0
isbn 9783347151826
Автор произведения Florian Juterschnig
Жанр Учебная литература
Издательство Readbox publishing GmbH
Die fröhliche Mischung aus Tabak- und Bierdunst war genau jene Ablenkung, die Elisa und er nötig hatten, um ein wenig auf andere Gedanken zu kommen. Gegenüber von Richard und Elisa saßen Wilhelm und seine Freundin Marie an der Tafel. Er war mit Richard in die Schule gegangen und diente im selben Hilfsregiment, das die Stadt vor einiger Zeit aufgestellt hatte, was die beiden ausgiebig betranken.
Elisa war sich nicht sicher, ob ihre Sicht der Dinge hier unter diesen zwar kritischen, aber doch patriotischen Leuten ankommen würde.
„Na, Elisa, planst du wieder die Weltrevolution?“ Marie schwenkte ihr Glas.
„Ich weiß nicht, jetzt einfach blind loszulaufen und alles niederzureißen, kann zwangsläufig nur der falsche Weg sein.“ Elisa sah auf die lange Reihe von jungen Frontoffizieren, die neben ihr ihren Heimaturlaub feierten und an der Seite ihrer Liebsten tranken. War es denn notwendig, dass sich alle diese jungen Männer sinnlos opferten?
„Sie singen von Freiheit und Heimatschutz, und ich denke, sie stehen auch für nichts anderes. Schutz, nicht Kampf. Verteidigung, nicht Angriff.“
Elisa musste ihr zustimmen, sah die Schuld aber immer noch beim Großen Vorsitzenden und seinen Ministern, die diesen mittlerweile dreijährigen Krieg auf immer mehr Länder ausdehnten, als wolle man quasi in totaler Eskalation untergehen.
„Wenn es die hier nicht besser wissen, dann weiß ich es auch nicht.“ Marie schenkte sich nach und rollte nur mit den Augen. „Sie sind im Extrazimmer, sie bereiten sich gerade auf den zweiten Teil vor. Plaudere doch mit unserem hohen Senior, wenn du dich traust!“
Elisa hielt einen Moment inne, dann aber gab sie sich einen Ruck und bahnte sich einen Weg quer durch die Menge und die sie umgebende vielfältige Dunstwolke.
In einem der vielen Hinterzimmer des weitläufigen Gewölbes fand sie schließlich den hohen Senior der Urania, stets in Begleitung von Wilhelms großem Bruder Leopold und diesmal umgeben von gut einem Dutzend Chargierter auswärtiger Studentenbünde. Man saß beim üblichen Essen, zu welchem der Hausherr seine Gäste vor einer großen Veranstaltung einlud.
In einem Emailbottich lagen herrliche goldgelbe Schnitzel, wie sie Elisa seit Jahren nicht gesehen hatte, dazu gab es eine Brühe, die wohl Kartoffelsalat sein sollte. Ein Jüngling servierte Wein.
„Nein, also wenn du das wirklich machen möchtest, dann jetzt. Jetzt ist Geld da. Genug, um auch Hunderte von Kadetten zu unterhalten.“
Der Senior steckte sich eine Pfeife an.
„Ich weiß nicht, mein Studium wäre mir wichtiger, abgesehen davon soll der Offizier nur ein kleines Unterpfand auf dem Weg nach oben sein.“
„Werd’ erst einmal hier etwas, dann … Oh, guten Tag!“
Elisa nickte amüsiert. Der Senior konnte seine Heiterkeit kaum verbergen, bat sie, sich zu setzen und schickte nach noch einer Weinflasche.
„Elisa Stuart, das Mädchen der Stunde, meine Herren. Tochter eines Revolutionskämpfers, Absolventin der Parteiakademie und jetzt Krankenschwester in einem Feldlazarett.“ Anerkennender Applaus.
Er grinste sie an. „Und obwohl treu zum Vaterland, immer ein wenig umtriebig und ein bisschen ein subversives Element.“
„Darüber wollte ich mit euch sprechen, mit dir, um genau zu sein.“ Sie steckte sich eine Zigarette an. Ohne ihr Mahl zu unterbrechen, wandten sich alle Studenten am Tisch in ihre Richtung.
„Haben dich Richard und die liebe Lotte wieder mal nicht ausreichend geerdet?“
„Lotte“, Elisa senkte ihren Blick, „ich bin heute zurückgekommen, wir wollten nur ein wenig aus dem Alltagstrott fahren, Richard und ich.“
„Energie scheinst du zu haben.“ Er wandte sich um. „Was sagt ihr, meine Herren, gerade wir, die nicht wie viele unserer Bundesbrüder an der Front ihren Mann stehen müssen, hier in der Heimat aber unsere Verpflichtungen abseits dieser Geheimspielchen hätten. Aufstand im Sinne des Vaterlandes oder doch kuschen?“
Verwirrte Blicke wurden ausgetauscht.
„Weißt du, uns geht es nicht um eine bestimmte Regierung oder Staatsform. Aber wir lieben unser Land und unsere Tradition und wollen das, wo es nur möglich ist, erhalten und beschützen. Wenn es um Verbrechen und Krieg geht, dann wollen wir die schelten – oder vielleicht auch schächten –, die es zu verantworten haben, und nicht das Kollektiv“, mischte sich einer der Gäste ein.
Der Senior stopfte nachdenklich seine Pfeife, welche einer preußischen Pickelhaube nachempfunden war.
„Wir loben in unseren Hymnen aber auch immer nur das Land und nicht seine Regierung, genau für diesen Fall.“
Elisa konnte sich nicht helfen, irgendwo unter diesem nationalistischen Unfug hörte sie doch eine Erklärung, die ihr zumindest etwas zusagte. Sie schnappte sich Richard, es gesellten sich Marie und Wilhelm dazu, und man marschierte in die kleine Wohnung, die Wilhelm mit seiner Verlobten und seinem großen Bruder teilte. Dort saß man wieder bei Wein und Plundergebäck zusammen, sang und kümmerte sich nicht um die Ruhezeiten oder die Verdunkelungspflicht.
Sie ließen sich später von Leopold von der Front erzählen. Von den Schrecken, den die Soldaten in andere Länder trugen, und was umgekehrt den eigenen Soldaten blühte, wenn sie in Gefangenschaft gerieten.
Man nahm die Nachrichten mit einer eigenartigen Mischung aus Bestürzung, Mitleid und Verdrängung wahr. Elisa konnte sich nicht helfen, der Krieg war weit weg und doch ganz nah. Sie wusste, wie eingeschränkt ihre Möglichkeiten als simple Lazarettkrankenschwester von nicht ganz 18 Jahren waren, und ihr Bruder als Hilfssoldat stand wenig besser da. Dennoch, an diesem Abend überwog die Freude, es wurde getrunken, gejubelt und gesungen. Nicht nur, um die Ereignisse zu vergessen, auch um das Gefühl zu unterdrücken, dass etwas nicht stimmte.
Die Republik der Freiheit war ein unfreier Käfig der Narren geworden, und er würde ihr aller Grab werden, würden sie nicht endlich handeln.
Karl-Heinz Wolfram hatte 1904 mit den fünf Groschen, die er bei seiner Ankunft aus Europa noch in der Tasche gehabt hatte, in der Innenstadt von Smarberg eine kleine Bäckerei eröffnet.
Seine Erben hatten es geschafft, sie durch die Wirren von Krieg und Revolution zu retten, und so gab es sie auch zu Zeiten der Republik der Freiheit noch. Als Elisa eintrat, umströmte sie der gewohnte Duft von Karamell und Zuckerguss. Es hatte sich seit ihrem letzten Besuch nichts geändert, die skurrilen Glasvitrinen voller herrlicher Torten, die liebevoll bemalte Theke mit den Heimatmotiven und die Sitzgarnituren, in welchen man bei Wiener Kaffee fast versank. Ein dünnes, großgewachsenes Mädchen mit hellblonden Haaren trug gerade ein Blech ofenwarmer Krapfen aus der Backstube heraus. Als sie den neuen Gast erblickte, ließ sie vor Freude fast ihre Ladung fallen.
„Schmeckt’s dir denn auch? Wir haben kriegsbedingt ein paar Mängel, da muss man eben tricksen.“
„Ich sehe mehr kriegsbedingte Mängel im Lande, wenn du mich fragst.“ „Psst, nicht hier … nicht mehr!“
Elisa war verwirrt. „Lotte, was hast du denn bloß auf einmal?“
Lotte Wolfram hob langsam die Hand und deutete unauffällig auf einen bärtigen Glatzkopf, welcher mit strengem Blick hinter den Vitrinen seine Runden zog.
„Wer ist denn das?“
„Herr Gangolf, Kriegsinvalide. Vater und seine Leute sind zu Schanzarbeiten nach Strömstädt befohlen worden. Hier kann man leider nicht mehr so offen plaudern wie früher.“
„Möchtest du ein wenig spazieren gehen?“ „Ich kann jetzt nicht einfach weglaufen!
Wie geht’s zu Hause?“
„Mutter ist krank, schon seit Tagen. Vater ist tot.“
„Oh Gott, nein, du Arme! Was macht ihr denn jetzt?“
„Ich schätze, einen Untermieter oder Bettgeher ins Haus holen.“
„Na,