Скачать книгу

seiner Kette.

      Sie donnerten in den Hof und rissen ihre Pferde zurück. Der wogende Staub hüllte sie ein, verschleierte ihre Gestalten, und dennoch glaubte Clay Reed den Strom des Vernichtungs­willens, der von dem Pulk ausging, zu fühlen. Er zwang sich zur Ruhe, aber die tiefe, innere Rastlosigkeit ließ sich nicht unterdrücken.

      »Reed, heh, Clay Reed!«, rollte Big Jims kräftige Stimme über den Hof. »Ich habe nur ein paar Fragen an dich! Also komm heraus aus deinem Bau.«

      Mit der Laterne in der Hand verließ Reed das Haus. Angst sprang ihn an wie ein wildes Tier. Der Staub legte sich, der Lichtschein traf Big Jims ver­steinertes Gesicht. Clay Reed durchlebte ei­nen furchtbaren Augenblick und zuckte unter dem bohrenden, ste­chenden Blick Big Jims zusammen wie unter einem Peitschenhieb.

      »Ich bin hinter dem Mörder meines Sohnes her, Clay!«, grollte Forsyth. »Hinter Lane Turpin!«

      Reed zog den Kopf zwischen die Schultern und fühlte einen eisigen Schauer seinen Rücken hinunterlau­fen. »Großer Gott!«, würgte er her­vor. »Ihr Sohn ist …«

      »Yeah, er ist tot!« Big Jim legte die Hände übereinander auf den Sattel­knopf, beugte sich vor und musterte Reed zwingend. »Lane Turpin hat ihn erschossen. Aber dieser Killer ist mir entkommen. Er hat den Fluss als Fluchtweg benutzt. Und was liegt nä­her, als dass er bei dir Hilfe gesucht hat.«

      »Nein — nein!« Es kam hastig — zu hastig aus Reeds Mund. »Turpin ist nicht …« Er verschluckte sich, hustete, und wurde von dem Anfall durch und durch ­geschüttelt. Dann sprach er keuchend weiter: »Turpin war nicht hier, Mister Forsyth. Ich habe von alledem keine Ahnung. Ich habe geschlafen, bis ich Sie und Ihre Männer heranreiten hörte.« Es gelang ihm nicht, das Zit­tern seiner Hände zu unterdrücken. Der Schein der Lampe kam auf dem Boden nicht zur Ruhe.

      Big Jim schürzte die Lippen. »Es gab für Turpin nur diese Möglichkeit. Er ist verwundet, hat kein Pferd, keine Ausrüstung - gar nichts.« Sein Ton wurde schneidend. »Also raus mit der Sprache, Clay - war er bei dir?«

      Reed nagte an der Unterlippe. Sein Kehlkopf hüpfte nervös auf und ab. Er suchte nach Worten, bemühte sich vergeblich, seine aus der Angst gebo­rene Erregung zu verbergen und duckte sich förmlich unter Big Jims durchdringendem Blick.

      »Er war also hier!«, spuckte der Rancher, wandte den Kopf und rief in John Landers Richtung: »Seht nach!« Sein Gesicht ruckte wieder herum. Mit böser Schärfe sagte er: »Es war dumm von dir, Clay, mich zu belügen.«

      Reeds Schultern sackten nach un­ten. Er hielt den Atem an, versank in einer Welle des verzehrenden Schreckens und schlug die Augen nie­der.

      »Das wirst du bereuen, Clay!«, geißelte ihn wieder die unerbittliche, gnadenlose Stimme. »Ich werde dich mit der Peitsche aus dem Valley ja­gen!«

      John Landers hatte zwei Reitern einen Wink gegeben. Sie sprangen von den Pferden und liefen ins Haus. Drinnen flammte Licht auf, als sie Streichhölzer anrissen. Dann versank der Raum wieder in der Finsternis und sie stürmten nach draußen. »Er war da!« rief einer. »Auf dem Boden ist eine riesige Pfütze.« Sie liefen zu ih­ren Pferden.

      »Was hast du dazu zu sagen, Clay?«, fragte Big Jim sanft, tödlich sanft. Ein kaltes Lauern trat in seine Pupillen.

      »Bei Gott, Mister Forsyth, was sollte ich tun?«, jammerte Reed und trat von einem Bein auf das andere, druckste herum und wand sich förm­lich unter dem zwingenden, durch­bohrenden Blick des Ranchers. »Er kam zu mir. Ich hatte von nichts den blassesten Schimmer. Er war verwun­det und ich stellte keine großen Fra­gen. Wir …« Er stockte und verbes­serte sich: »Ich habe ihn verbunden und dann bat er mich, ihm ein Pferd zu leihen. Ich hatte keinen Grund, ihm diese Bitte abzuschlagen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass er vor Ih­nen auf der Flucht war.«

      »O doch, du hast es gewusst. Ein Mann wie du stellt Fragen, Clay. Tur­pin hat es dir gesagt. Und dennoch hast du ihm geholfen. Ist das der Dank dafür, dass ich dich hier all die Jahre leben ließ?«

      »Ich …« Das Grauen schüttelte Reed und lähmte seine Stimmbänder. Die Hoffnung, ungeschoren davonzu­kommen, platzte wie eine Seifen­blase.

      »Turpin hat dir sicher auch gesagt, wohin er sich wenden wird.« Big Jim schielte zum Haus hinüber, als erwar­tete er etwas Bestimmtes. Seine Au­gen verkrallten sich wieder an Reed. »Spuck es schon aus, Clay. Oder müs­sen wir es aus dir herausprügeln?«

      »Er — er hat fast überhaupt nicht gesprochen, wirklich. Er hatte es höl­lisch eilig, und kaum, dass ich seine Wunde verbunden hatte, sattelte er das Pferd und ritt fort wie der Teu­fel.«

      »Wo ist deine Tochter? Warum lässt sie sich nicht sehen?«

      Reed räusperte sich, als müsste er sich die Kehle freimachen, ehe er ant­wortete. In Wirklichkeit versuchte er, Zeit für eine glaubhafte Erklärung zu gewinnen. Rau rief er: »Lisa ist in der Stadt, bei ihrer Freundin Betty Miller.«

      »Lass mal im Pferdestall nachsehen, Landers!«, presste Forsyth hervor.

      »Ben!«, ertönte John Landers' auf­fordernde Stimme.

      Der Gerufene lief los. Schweigen senkte sich über die Farm. Nur das Stampfen der Pferde, ihr Schnauben und das Knarren von Sattelzeug durch­brach es. Abwartende, drohende Spannung füllte die Atmosphäre, und Reed konnte sie kaum noch ertragen. Sein Blick streifte Big Jims düsteres Gesicht.

      Der Cowboy kam zurück. »Im Stall steht ein einziger Gaul, Boss«, berich­tete er. »Ein Schecke.»

      »All right, Clay«, stieg es grollend aus Big Jims Kehle, und in seiner Stimme schwang eine tödliche Dro­hung mit. »Du hast mich genug belogen. Eigentlich bewundernswert die­ser Mut, mit dem du versuchst, Lane Turpin die Flucht zu ermöglichen. Jetzt aber wird es verdammt bitter für dich. Yeah. Ich weiß, dass du vier Pferde besitzt. Und ich bin überzeugt, dass deine Tochter den jungen Turpin begleitet und dass sie ein Packpferd mit Vorräten mit sich führen.« Er presste sekundenlang die Lippen zu­sammen. Dann setzte er gedehnt hinzu: »Jeder im Valley weiß, was es mit deiner Tochter und Lane Turpin auf sich hat. Meinen Jungen ließ sie abblitzen. Mir war das nur recht. Denn Bill hätte etwas Besonderes verdient gehabt als eine Lisa Reed. Aber jetzt ist mein Sohn tot - und deine Tochter hilft seinem Mörder. Gebt es diesem Narren!« Er lachte leise, wie besessen auf.

      Clay Reeds Fassung zerbrach. Er warf sich herum, um ins Haus zu flie­hen. Aber er trat auf den Saum seines langen Nachthemdes und stolperte. Die Lampe entglitt ihm, zerschellte auf dem Boden und verlosch. Reed lag auf den Knien. Das Entsetzen schnürte ihm die Luft ab. Mahlende Schritte näherten sich ihm schnell. Und dann rissen ihn unbarmherzige Fäuste in die Höhe.

      *

      Sie ritten stumm durch die Nacht. Zunächst ging es über fruchtbares Grasland, das von Buschgürteln zer­schnitten war und über dem der Duft des blühenden Salbeis hing. Später wurde das Gelände immer wieder von wild übereinander getürmten Felsgruppen unterbrochen, und je hö­her sie kamen, desto steiniger wurde der Boden, umso karger die Vegeta­tion. Sie befanden sich in den Ausläu­fern der Felswildnis im Osten, die sich schwarz und drohend in der Ferne ge­gen den Sternenhimmel abhob. Buckelige Felsen zwangen sie zu Umwegen. Geröllhalden schwan­gen sich zu beiden Seiten nach oben.

      Unbeirrt folgten sie dem ansteigenden Weg über kahle Felsterrassen. Ir­gendwann ritten sie durch einen Canyon. Bäume wuchsen auf seiner Sohle. Es waren Erlen, die der Schlucht ihren Namen gegeben hatten. Der Wind rauschte in ihren Kronen. Das Gur­geln eines Baches, der sich zwischen dem Geröll ein Bett, ausgewaschen hatte, begleitete sie. Kühle Luft strömte ihnen entgegen. Die Geräu­sche muteten in der Schlucht eigenar­tig dumpf, klingend und melodiös an.

      Mit traumwandlerischer Sicherheit fand Lisa sich zurecht. Sie ritt bis zu einem Einschnitt in der Wand und lenkte ihr Pferd hinein. Ein steiler Pfad führte bergan. Sie zügelte das Tier. Lane verhielt ebenfalls. Sie sagte: »Am Ende dieses Pfades findest du die Höhle, Lane. Es gibt nur diesen Zugang. Ich entdeckte sie vor einigen Jahren, als ich mit meinem Vater hier auf der Jagd war. Du bist da oben so sicher wie in Abrahams Schoß. Du hast Proviant

Скачать книгу