Скачать книгу

der vom Wasser heraufwehte. Nach ei­nem Schenkeldruck ging das Pferd weiter. Es trug Lisa in den Hof. Ihr entging nicht, dass der Staub von Hu­fen zerwühlt war. Rex, der Schäfer­hund, fing an zu bellen. Sein dumpfes Gebell warnte Lisa. Ihr Herz schlug höher.

      Sie saß ab, ließ ihren Blick schwei­fen. Nichts! Warum kommt Vater nicht vor die Tür? Er muss doch hören, dass ich zurück bin. Der Magen krampfte sich ihr zusammen. Sie zog das Pferd über den Hof. Aus dem Stall drang Hufgestampfe. Lisa registrierte es und begriff, dass es nicht nur ein Pferd sein konnte, das im Stall rumorte. Jä­her Schreck griff nach ihr mit eiskal­ten Händen. Die Kälte war plötzlich nicht nur mehr äußerlich. Sie drang tief in ihr Innerstes ein und blockierte sekundenlang ihr Denken. Unwill­kürlich griff sie nach dem Gewehr, mit einem Ruck bekam sie es aus dem Scabbard. Aber da wurde die Stalltür aufgeworfen. Zwei Männer glitten ins Freie. Sie nahmen eine drohende Hal­tung ein. Und vom Wohnhaus her sprang Lisa eine klirrende, rasiermesserscharfe Stimme an: »Du hast lange auf dich warten lassen, Lisa. Wir wa­ren nahe daran, die Geduld zu verlie­ren.«

      Sie wirbelte herum, der Gewehrkolben flog an ihre Hüfte, ihre Gestalt krümmte sich vor Anspannung.

      In der Haustür lehnte Big Jim. Er hielt die Arme vor der Brust ver­schränkt. Im diffusen Licht wirkte er groß, kantig und Ehrfurcht gebietend. Hinter dem Fenster war eine Bewe­gung wahrzunehmen. Es wurde hoch­geschoben, John Landers lehnte sich heraus. Mit beiden Armen stützte er sich auf die Fensterbank. In seinem knochigen Gesicht stand ein schiefes Grinsen. Aus dem Heuschuppen tra­ten drei Kerle. Breitbeinig standen sie im Hof, die Daumen in die Patronen­gurte gehakt, aufreizend und lässig. Rex ließ nur noch ein vereinzeltes Bellen hören, rannte erregt vor seiner Hütte hin und her und hechelte. Hin und wieder stieg ein zorniges, be­drohliches Grollen aus seiner Kehle.

      Lisa war eingekreist. Sie zwang sich zur Ruhe. Die Männer betrachteten sie wie Wölfe, die ihr Opfer endlich gestellt hatten. Hart umkrampften ihre Hände das Gewehr. Sie sah die fei­xenden Mienen, das hämische Ge­grinse, und die Sorge um ihren Vater überwältigte sie. Aber da peitschte Big Jims metallisches Organ: »Das Gewehr runter! Wenn du auch nur ei­nen einzigen Schuss abgibst, behan­deln wir dich wie einen Mann und du frisst unser Blei!« Er fixierte sie mit ei­nem feindseligen Blick, der zuweilen die Härte von Stahl annahm. Um sei­nen Mund lag ein hässlicher Zug.

      Lisa fasste sich ein Herz und rief, ohne dem Befehl nachzukommen: »Wenn ihr meinem Vater auch nur ein Haar gekrümmt habt, dann wer­den Sie dafür bezahlen, Forsyth. Ihre Männer werden mich vielleicht er­schießen. Aber Sie sterben vor mir.«

      Big Jims Brauen zuckten in die Höhe. Wut zerriss seine Züge. Er löste seine Arme aus der Verschränkung und trat aus der Tür. »Nimm nur den Mund nicht so voll!«, zischte er gehäs­sig. »Du hast den Mörder meines Soh­nes in Sicherheit gebracht. Und das stellt dich mit ihm auf eine Stufe. Du hast von mir keinerlei Rücksicht zu erwarten. Darüber will ich dich von vornherein nicht im Unklaren las­sen.«

      Lisa war bei seinen Worten toten­blass geworden. Sie zitterte am gan­zen Körper. Big Jim registrierte es mit zynischer Genugtuung. Aber mit ei­nem Schlag kehrte die Farbe in ihr Gesicht zurück. Angewidert rief sie: »Ja, ich habe Lane Turpin geholfen, Forsyth, nachdem Sie mit Ihrem revolverschwingenden Haufen die Bar-T Ranch dem Erdboden gleichge­macht und seine Brüder getötet ha­ben.« Ihre Sicherheit war zurückge­kehrt. Sie wurde in diesen Augenblicken völlig von ihren Gefühlen be­herrscht und fixierte den Rancher mit einem Blick, in dem sich Verachtung und Leidenschaft vermischten.

      Big Jim musterte sie, als zweifelte er an ihrem Verstand. Das Gewehr in ihren Händen, die kreisrunde Mün­dung, die wie ein hohles Auge auf seine Brust gerichtet war - das beein­druckte ihn kaum. Aber dass sie ihm sein Unrecht schonungslos und ohne jeden Respekt ins Gesicht schleuderte, dass sie ihm Abscheu und Ver­achtung zeigte, das traf ihn und brachte sein Blut zum Sieden. Aber noch beherrschte er sich. Seine zornverdunkelte Stimme grollte Unheil­ verkündend:

      »All right, Lisa Reed. Dein Vater hat zwar eine ganze Menge ausge­spuckt, aber das Entscheidende war nicht aus ihm herauszukriegen. Ich weiß, dass ihr Turpins Wunde behan­delt und dass ihr ihn eingekleidet, mit Waffen, Munition, Pferden und Pro­viant versorgt habt, und ich weiß, dass du ihn in ein sicheres Versteck ge­bracht hast. Was ich nicht weiß, ist die Lage dieses Ortes, an dem der Hunde­sohn sich nun seine Wunden leckt und darüber nachdenkt, wie er sich an mir rächen kann. Du wirst es mir sagen. Auf der Stelle!«

      »Eher erschieße ich Sie!«, keuchte sie. »Ich will jetzt zu meinem Vater. Ich will sehen, was ihr mit ihm ge­macht habt.«

      »Wo ist das Versteck, Lisa?«, fragte der Rancher gedehnt.

      »Gehen Sie zur Seite!«, fauchte das Mädchen und ruckte auffordernd mit der Winchester.

      Plötzlich aber wurde sie von hinten gepackt. Ein kräftiger Arm schlang sich unbarmherzig um ihren Hals, mit einem Ruck wurde ihr die Winchester aus den Händen gerissen. Ihr betroffener Aufschrei erstickte im Ansatz, sie wand sich in dem gnadenlosen Griff und spürte die Panik, die in ihr hochspülte. Heißer Atem streifte ih­ren Nacken, sie trat nach hinten, ent­lockte dem Burschen, der sich lautlos, mit der Geschmeidigkeit eines Pu­mas, an sie herangeschlichen hatte, aber nur ein ironisch-bissiges Lachen.

      Mit wenigen langen Schritten war Big Jim heran. Bretterhart landete sein Handrücken auf ihrer Wange. Sie versteifte. »Lass sie los!«, röhrte Big Jims Bass. Der Bursche versetzte ihr einen leichten Stoß und trat zurück. Lässig legte er sich Lisas Gewehr auf die Schulter. Aus dem Haus kam John Landers. Big Jims Hand traf noch ein­mal klatschend Lisas Gesicht. Er kannte keine Gnade, kein Erbarmen. Ihn regierten nur blindwütiger Hass und verzehrende Rachsucht. Ihm war jedes Mittel recht, seinen Wünschen und Absichten Geltung zu verschaf­fen. Seine Augen waren eng gewor­den, zwischen den Lidschlitzen fun­kelte es tückisch. Er begann sich in ei­nen Rausch hineinzusteigern, der dem Bewusstsein seiner Macht und Überlegenheit entsprang.

      Lisas Kopf flog auf die Seite, der Schlag brannte auf ihrer Wange wie Feuer. Aber er riss sie aus ihrer Lähmung. Sie duckte sich, spreizte die Finger, und es sah aus, als wollte sie im nächsten Augenblick Big Jim an die Kehle fahren.

      Der Kopf des Ranchers flog herum. »Bringt Reed in den Hof!«, schnarrte er.

      Landers hob zum Zeichen dafür, dass er verstanden hatte, die Hand und stapfte zurück ins Haus. Lisas ge­bannter Blick folgte ihm. Jeder Mus­kel ihres Gesichts wirkte straff und angespannt. Jede Linie darin verriet die Qualen, die sie durchlitt. Mühsam kämpfte sie um ihre Fassung. Der lauernde, tückische Ausdruck in Big Jims Miene ließ schlimme Ahnungen in ihr aufwallen.

      Und als sie ihren Vater sah, traf es sie wie ein Schwall eisigen Wassers. Erschrocken hob sie eine Hand vor den Mund. Sein zerschlagenes und blut­verschmiertes Gesicht kündete vom Wahnsinn brutalster Gewalt. Er konnte sich kaum mehr auf den Bei­nen halten. Die verzweifelte Hilflo­sigkeit in seinem verschleierten Blick war erschütternd. Gnadenlos schleu­derte John Landers ihn in den Staub. Sein Kopf rollte auf die Seite, seine Finger verkrallten sich im Boden. Ein Zucken lief durch seinen Körper, sei­nem Mund entrang sich ein ersterben­des Röcheln.

      »Dad!« Lisa stürzte zu ihm hin, warf sich auf die Knie, nahm seinen Kopf in beide Hände und starrte wie hypnoti­siert in das von brutalen Fäusten ge­zeichnete Gesicht. Es war nur noch eine zur formlosen Masse verschwollene Grimasse mit Platz- und Schürf­wunden und blauschwarzen Blutergüssen.

      Er sah sie mit den verängstigten Augen eines Tieres an, das die Schlachtbank witterte. Seine aufgesprungenen Lippen öffneten sich. Seine Stimme kam erschreckend schwach, als er sprach: »Ich habe ih­nen das Versteck nicht verraten, Lisa. Aber sie werden weitermachen. O mein Gott, sie sind schlimmer als wilde Bestien.«

      Lisa spürte eine harte Hand auf ih­rer Schulter. Sie wollte sie abschüt­teln. Der Griff wurde eisenhart. In der Tiefe ihrer Augen war nichts als das nackte Entsetzen. Mit dem zitternden Atemzug lähmender Verzweiflung, der aus ihrer Brust strömte, löste sich ein Aufschrei von ihren trockenen Lippen.

      Unerbittlich zerrte Big Jim sie in die Höhe. Der Kopf ihres Vaters ent­glitt ihren Händen und sank kraftlos in den Staub. Die Männer der Great Sand Ranch bildeten nun einen Kreis

Скачать книгу