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Jedes System steht dabei aber immer in Wechselwirkung mit allen anderen Systemen. Es wird vom Milieu gebildet und fungiert gleichzeitig als Störquelle für dieses Milieu. Das ist der Ursprung des Ungleichgewichts, auf das jedes System durch ein Anwachsen des Komplexitätsgrades reagiert und an dem es letztendlich zugrunde geht. Weil ein Teilsystem auch immer nur einen Teil des Ganzen sehen kann, wird es im dynamischen Wechselspiel bald mit der Ausnahme konfrontiert, die der Basis (den ersten Unterscheidungen) widerspricht. Je komplexer ein System ist, desto starrer ist die Basis auf der es aufbaut, sodass die Ausnahme es letztendlich zu Fall bringt. Denn das System kann darauf nicht mehr in einem Anpassungsprozess reagieren, ohne sich selbst in Frage zu stellen. Jedes System hat also immer den Drang, Vollständigkeit zu erlangen, indem es auf alle Eventualitäten des Milieus reagiert. Dieser Drang, ganz zu werden, erzeugt erst die Dynamik des Seins. Er schafft eine dynamische Vernetzung, die immer auf falschen, weil unvollständigen, Prämissen aufbauen muss. Und so geht jedes System an seiner eigenen Komplexität bzw. der axiomatischen Basis zugrunde. Auf der Ebene Gottes ist das erste Axiom die Unterscheidung selbst, die Systeme gebiert. Das Axiom also lautet, dass es Systeme gibt. Die Ausnahme davon ist, dass es keine Systeme gibt und alles ohne Beobachter in Summe göttliche Einheit bzw. Leere ist. Die Schuld nach Erfahrung spaltet erst die Einheit. Und eine gespaltene Einheit hat, in Interaktion mit seinem Milieu, die Schuld, alles zu assimilieren, alles zu sehen, d.h. vollständig zu werden und geht an dieser Schuld, die sie erst als eigenständiges System definiert, auch wieder zugrunde, ohne die Vollständigkeit bzw. Leere je zu erreichen. Auf Gottes Ebene ist es Gottes Schuld zur Selbsterkenntnis, die zur Spaltung seiner selbst führt. Mit der Spaltung Gottes geht die Schöpfung einher, durch die sich Gott selbst erfährt und die durch die Schuld Gottes, Vollständigkeit zu erlangen, um überhaupt zu bestehen, vorangetrieben wird. Ist Gott dagegen vollständig, so ist »er« ungeschiedene Leere mit einem Mangel an Erfahrung. Das Sein will also Vollständigkeit erlangen und wird dabei zu Leere, und die Leere will Fülle erfahren und wird dabei zu Sein.

      Das ist die Bilanz der göttlichen Einheit. Die Schuld (Oszillation) ist die Asymmetrie im dualistischen Spiel. Wenn die Unterschiede sich aufheben, dann löst sich ein System im Milieu auf, aus dem es kam und hinterlässt dabei immer sein Wirken. Jeder Auflösung steht damit ein Schöpfungsakt entgegen und jeder Verbindung eine Trennung. Kredit und Guthaben saldieren sich zu Null, zurück bleiben Waren und Dienstleistungen. Materie und Antimaterie saldieren sich zu Null, und zurück bleibt Energie. Jäger und Beute saldieren sich zu Null, und zurück bleibt ihr Wirken im Milieu. Das Sein saldiert sich zu Leere, und zurück bleibt die göttliche Einheit. Überall aber gibt es eine Asymmetrie, ein Ungleichgewicht, das erst die Dynamik einleitet. Im Kapitalismus ist das der Schuldendruck, auf den wir später zurückkommen. Bei Materie und Antimaterie muss es ein noch nicht gefundenes Ungleichgewicht geben, das erst dieses Universum hervorbrachte. In der Natur gibt es einen Wettlauf zwischen Jäger und Beute und damit ständigen Mangel, der erst die Evolution vorantreibt, und in der göttlichen Einheit ist die Schuld selbst das Ungleichgewicht, die eine Seite einer Unterscheidung durch Beobachtung bevorzugt. Jedes System, das aufgrund dieses Ungleichgewichts in seinem Milieu evolviert, erzeugt immer und ausnahmslos im Wechselspiel mit dem Milieu jene Ausnahmen von den eigenen Prämissen (auf denen es aufbaut), die zur Zerstörung des komplexen Systems beitragen.

      Das Kapitel »Das Ende« steht deshalb im Zeichen der Zersetzung und Aufhebung aller Unterschiede und Dualismen. Dort wird dann sichtbar, dass jedem Zerstörungsakt simultan ein Schöpfungsakt gegenübersteht und dass es nie nichts gibt, sondern nur das Sein, das die Leere/Ganzheit erreichen will, sich aber dabei nur weiter aufspaltet und sie damit nie erreichen kann, weil es in ungeschiedener Summe nie etwas anderes war als Leere/Ganzheit.

      II. Das Pentagramm

      Das Pentagramm

      Das Pentagramm ist das Sinnbild des Menschen, des Lebens, ja des Seins als Einheit an sich. Es vereint die fünf Elemente Wasser, Feuer, Luft, Erde und Äther (Geist/Leben). Es ist tendenziell ein weibliches Symbol, da es sich aus der großen Muttergöttin herleitet, aus deren Schoß alles Sein und Leben spross und in deren Schoß alles Leben mit dem Tode zurückkehrt. Die große Muttergöttin, deren Verehrung bis in die Altsteinzeit zurückreicht, war die allumfassende und einzige Göttin, die sowohl die weiblichen als auch die männlichen Attribute in sich vereinte. Sie wurde daher auch noch bei den bereits patriarchal strukturierten Sumerern in Form der Göttin Inanna als Morgenstern und Abendstern1 verehrt, wobei der Morgenstern, als männliches Symbol für Herrschaft und Königtum, mit der Sonne in Verbindung gebracht wurde und der Abendstern die weibliche, triebhafte Komponente symbolisierte und mit dem Mond assoziiert wurde. In jeder Kultur lässt sich der Einfluss dieser Muttergöttin und ehemals einzigen Gottheit nachweisen. Sie gebar zunächst ohne Befruchtung durch einen männlichen Part die Welt. Mit dem allmählichen Aufkommen des Patriarchats brachte sie jungfräulich2 (Aseität) einen Sohn zur Welt, der zuerst immer wieder jung starb, um in ewigen Zyklen wieder aus der Großen Mutter neu geboren zu werden und so die Fruchtbarkeit der Menschen und des Landes zu gewährleisten. Erst im Laufe der Jahrtausende wird der sterbende Sohn zum Gemahl der Großen Mutter und zeugt mit ihr die Götterwelt (»Heilige Hochzeit«), in welcher die Große Mutter allmählich gestürzt, degradiert und vergessen wurde und aus welcher sich aus dem Konkurrenzkampf der Götter der patriarchale Monotheismus entwickelte.

      Bei keiner der heutigen Weltreligionen ließen sich die Spuren zur großen Muttergöttin vollends verwischen. Gerade im Christentum mit seinen unverkennbaren Ähnlichkeiten zum Mythos um Isis, Osiris und Horus sind die Parallelen unübersehbar: Eine Jungfrau, auch als Gottesmutter Maria bezeichnet, bringt einen sterblichen Gottessohn zur Welt, der durch seinen Tod Heil über die Welt bringt und der nicht nur der Sohn der Gottesmutter ist, sondern gleichzeitig die menschliche Manifestation des göttlichen Vaters und damit der Sohngemahl der Gottesmutter, der sie durch den heiligen Geist befruchtete.

      Wirklich benutzt wurde das Pentagramm als Symbol erst nach dieser Heiligen Hochzeit und der Zeugung der Götterwelt durch das göttliche Urpaar. Die Große Mutter galt fortan nicht mehr als Mutter allen Seins, sondern andere Götter – vornehmlich männliche – übernahmen immer öfter konkrete Aufgaben. Das weibliche »Eine« (die Große Mutter) zerbrach nach dem Herauslösen des männlichen Anteils zuerst in ein dichotomes System aus Mutter und Vater, später zersplitterte es durch den Zeugungsakt mit dem Vatergott in eine Vielzahl von Göttern mit spezialisierten Aufgaben.1 Die verbliebenen weiblichen Götter – mithin die Große Mutter selbst – wurden zu Göttinnen der Liebe, Lust und Fruchtbarkeit degradiert bzw. mit dem Aufbau der patriarchalischen Hierarchie allmählich in die Unterwelt abgeschoben, wo sie ihr Dasein als Todesgöttinnen, später sogar als Dämoninnen fristeten. Letzteres zumeist auch, eben weil sie zuvor erotische Lustgöttinnen waren, für die im sittlichen und die Enthaltsamkeit verehrenden Patriarchat kein Platz war. Hierin äußert sich der noch zu beschreibende Hure-Heiligen-Komplex des Patriarchats. Das Pentagramm stand damit in einer schon dualistisch aufgeteilten Welt, aus der später die Vielheit spross, für den weiblichen Part. Während der Mars als Planet ein relativ junges Symbol für die männlichen Attribute ist, war die Venus und das ihr zugehörige Pentagramm-Symbol2 bereits rund 3000 v. Chr. bei den Sumerern ein weibliches Symbol für die zuvor erwähnte Göttin Inanna, die noch sehr starke muttergöttliche Züge trug und viele männliche Attribute in sich vereinte.3 Es wurde außerdem für die babylonische/akkadische Liebesgöttin Ištar, die griechische Toten- und Fruchtbarkeitsgöttin Kore (oder Persephone) und die gleichnamige römische Liebesgöttin Venus4 verwendet, deren griechisches Analogon Aphrodite war. Darüber hinaus war es ein weibliches Symbol für die arabische Fruchtbarkeitsgöttin al-ʿUzzā, die ägyptische Muttergöttin Isis (deren matriarchale1 Urpendants die Muttergöttin Harthor bzw. zuvor Nut waren, denen noch kein Vatergott gegenübergestellt war), die nordwestsemitische Gottheit Astarte, die persische Fruchtbarkeitsgöttin Anahita (durch synkretistische Einflüsse) und die germanische Fruchtbarkeitsgöttin Freya. Als Göttinnen der Morgendämmerung wurden die griechische Eos und die römische Aurora verehrt. Sie waren die Mütter von Phosphorus und Luzifer. Luzifer wurde seinerseits durch sein Naheverhältnis zur Liebesgöttin Venus zum Morgenstern und übernahm dieses Symbol als Verkünder der Morgendämmerung. Erst später wurde Luzifer (lateinisch für

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