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Hexenkolk - Wiege des Fluchs. Thomas H. Huber
Читать онлайн.Название Hexenkolk - Wiege des Fluchs
Год выпуска 0
isbn 9783749793433
Автор произведения Thomas H. Huber
Жанр Контркультура
Издательство Readbox publishing GmbH
Er fühlte sich auf eine unglaublich tiefe Art zu ihr hingezogen, wurde aber durch das vehemente Klopfen an seiner Seitenscheibe zurück in die Realität katapultiert. Mittlerweile standen zwei Männer neben seinem Wagen, die ihn mit aufgerissenen Augen vorwurfsvoll anstarrten. Einer davon war uniformiert und stand mit gezogener Waffe da. „Aussteigen, sofort aussteigen“, befahl der Polizist.
Jonathan löste den Sicherheitsgurt und stieg langsam aus. „Hände auf das Dach und Beine auseinander“. Während Jonathan tat, was der Polizist von ihm verlangte, starrte er wieder auf die schöne Frau, die seinen Blick in diesem Moment zu erwidern schien.
„Haben Sie Alkohol getrunken oder irgendwelche Drogen konsumiert?“ hallte die Stimme des Ordnungshüters in seinem Kopf. „Nein“, erwiderte Jonathan leise, „verzeihen Sie, ich war einfach nur kurz abgelenkt“.
Nachdem der Polizist sämtliche Formalitäten aufgenommen und der auffahrende Fahrer seine Wut wieder im Griff hatte, ließ Jonathan sich in seinen Sitz fallen und fuhr los. Die Frau im Fenster war mittlerweile verschwunden.
Eine halbe Stunde später erreichte er das Haus seines Freundes, Jack Bishop, mit dem er verabredet war.
“Was für eine Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?” wollte Jack wissen, als er die hängenden Schultern und den mürrischen Blick von Jonathan sah. Jack bewohnte das Haus seiner verstorbenen Eltern, eine nette Stadtvilla im Westen der Upper East Side, dem wohlständigsten Stadtteil New Yorks. „Ach, nichts“, antwortete Jonathan achselzuckend, „mir ist an der Ampel einer hintendrauf gefahren“. „Schlimm?“ „Nein, nur eine kleine Beule“. „Und deshalb machst du so ein Gesicht?“ Jonathan zögerte und wiegelte dann kopfschüttelnd ab. Er wollte Jack nichts von der Frau erzählen, die er im Schaufenster gesehen hatte. Der würde sich nur wieder über ihn lustig machen. „Nein, mir ist heute einfach nicht ganz wohl“.
„Na, dann wird ein eisgekühltes Bier deine Stimmung vielleicht etwas aufhellen. Jack schob seinen Freund in die Küche und zog zwei Flaschen Budweiser aus dem Kühlschrank.
„Wir haben eine sturmfreie Bude!“ strahlte Jack mit kindlicher Begeisterung, und ließ dabei außer Acht, dass die sturmfreie Bude der Status Quo war, denn schließlich lebte er allein in dem großen Haus. „Du wirst wohl nie erwachsen“, erwiderte Jonathan, worauf Jack mit erhobenen Armen die Hüften kreisen ließ, so als würde er einen Balztanz vollführen. Dabei bewegte er den Unterkiefer auf sehr alberne Weise mal nach vorne, mal nach hinten, wie eine spazierende Taube, vor und zurück, vor und zurück. Fehlte nur noch, dass er anfing zu gurren. Stattdessen imitierte er die Bee Gees und sang: „Night Fever, night feveher“. Dann fügte er grinsend hinzu: „Du weißt doch, man muss die Feste feiern wie sie fallen. Wir können mal richtig die Sau rauslassen und ein paar heiße Bienen einladen“.
Jonathan hatte Jack erst vor wenigen Jahren bei einem Baseball-Spiel der New York Mets gegen die Brooklyn Cyclones kennengelernt und fand dessen draufgängerische Art auf bizarre Weise interessant. Bizarr deshalb, weil Jonathan ein ruhiger, tiefgründiger Mensch war und Jack das krasse Gegenteil verkörperte. Er war laut, nahm niemals ein Blatt vor den Mund und scheute sich auch nicht, seine Fäuste einzusetzen, falls er mit seinen lockeren Sprüchen mal auf Widerstand gestoßen war. Jack war 185 cm groß, hatte pechschwarzes Haar, war durchtrainiert und verfügte über ein sehr gewinnendes Wesen, zumindest beim weiblichen Teil der Schöpfung. Kurz gesagt, er war ein Weiberheld und vögelte alles, was ihm vor die Flinte kam, während Jonathan auf die große Liebe wartete. Vielleicht war es genau das, was ihm an Jack so gefiel, diese Lockerheit, dieses unglaubliche Selbstbewusstsein, durch das er nahezu jede Frau ins Bett bekam. Er hingegen war traurig, dass seine Traumfrau derart auf sich warten ließ. Insgeheim hoffte er, dass Jacks unbändige Dynamik auf ihn abfärben würde, damit er seine Tiefgründigkeit ablegen und seiner Melancholie einen Tritt in den Hintern versetzen konnte. Aber nichts geschah, je häufiger Jack mit einer Fremden abzog und Jonathan allein zurückließ, desto mehr zweifelte Jonathan, ob sein Vorhaben, auf Mrs. Right zu warten, überhaupt realisierbar war. Denn wie hätte er bei seiner Schlagzahl, ein Date pro Schaltjahr, seine Traumfrau unter Milliarden von Frauen finden sollen, wenn doch sein Kumpel fast täglich eine andere abschleppte, ohne, dass sich daraus je eine feste Beziehung entwickelt hätte. Gut, Jack wollte per se keine feste Bindung, und Jonathans Ansprüche waren so hoch, dass es ihm nun fast unmöglich erschien, der großen Liebe jemals zu begegnen. Vielleicht hätte es ihm sogar gutgetan, hin und wieder mit einer wildfremden Frau belanglosen Sex zu haben, ohne ihr gleich einen Antrag zu machen, aber dafür war er einfach nicht geschaffen. Er suchte verzweifelt nach einer tiefgründigen Beziehung, bei der Treue ein wichtiger Eckpfeiler sein sollte.
Während es bei Jack immer nur um Sex ging, spielte bei ihm die wahre Liebe die tragende Rolle. Doch obwohl seine Hoffnung derzeit auf dem Tiefpunkt angelangt war, zumindest immer dann, wenn er gerade mit Jack zusammen war, fühlte er tief in seinem Inneren die Gewissheit, dass seine ideale Frau bereits existierte und irgendwo in New York auf ihn wartete. Nur wo und wann sie sich begegnen sollten, stand noch in den Sternen. Aber wenn der Zeitpunkt gekommen wäre, würde er sie unter Tausenden erkennen, da war er sich sicher. Denn in seinem Kopf war ein detailliertes Bild von ihr eingeprägt, und dies war viel mehr als ein billiges „Beuteschema“, nachdem Jack seine Frauen auswählte, nämlich blond, schlank, geil. In Jonathans Herz stattdessen, befand sich der Blueprint seiner Frau, der keinen Irrtum und keine Verwechslung zuließ. Davon war er nach einigen misslungenen Dates und Kurzbeziehungen felsenfest überzeugt. Dieser Blueprint äußerte sich nämlich zunächst tatsächlich wie ein stinknormales Beuteschema, wonach seine Traumfrau 165 cm groß war und über grüne Augen verfügte, die im Sonnenlicht bernsteinfarben schimmerten. Sie hatte braunes Haar, und außerdem war sie intelligent, eloquent und humorvoll.
Hin und wieder stieß er dann auch auf Frauen, die seinem „Beuteschema“ ziemlich nah kamen, aber leider nicht nah genug. Meist schon nach wenigen Wochen, manchmal auch nach wenigen Stunden, und in den häufigsten Fällen waren es nur ein paar Sekunden, stieg in ihm ein regelrechtes Ekelgefühl auf. Die eine plapperte wie ein Buch, natürlich weit entfernt von Intelligenz und Eloquenz, die nächste war oberflächlich und egoistisch, der Körpergeruch einer anderen löste bei ihm einen Würgreflex aus, und so weiter und so weiter.
Schließlich fasste er all seine Gefühle, Sehnsüchte und Vorstellungen in einer Art Bilanz zusammen und nannte sie spaßeshalber das „Kramer´sche Sensogramm“.
Er war sich absolut sicher, dass die für ihn erschaffene Frau, jeden seiner fünf Sinne zu 100% befriedigen würde.
Der erste Sinn war das Sehen: Ihr Aussehen würde exakt seiner Vorstellung entsprechen, ohne Wenn und Aber.
Der zweite Sinn, das Hören: Die Frequenz ihrer Stimme entfaltete sich in seinem Gehirn zu einer absolut perfekten Symphonie.
Der nächste Sinn, das Schmecken: Der Geschmack ihres Körpers löste in ihm eine wahrhaft erotische Gefühlskaskade aus, der er sich vollkommen hingeben konnte.
Ebenso das Riechen: Ihr Duft glich in seiner Vorstellung dem einer Rose und umschmeichelte seine Sinne.
Als fünfter Sinn kam das Fühlen: Ihre Haut, ihr Haar, und ihre ganze Statur fühlten sich wundervoll an und schmiegten sich zu 100% an seinen Körper.
Sein selbst erschaffenes Sensogramm wurde zu seinem Navigationssystem, das ihm ganz sicher den richtigen Weg aufzeigen würde. Als er eines Tages die Entscheidung fasste, felsenfest daran zu glauben, dass es diese ganz besondere Frau tatsächlich gab, und sie nach den gleichen Überlegungen IHN wählen würde, schwor er sich, mit keiner