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       ISIS Ehbauer

       Davor war alles anders,danach auch

       Eine deutsch-deutsche Geschichte

      Copyright: © 2020 ISIS Ehbauer

      Umschlag & Satz: Erik Kinting

      Verlag und Druck:

      tredition GmbH

      Halenreie 40-44

      22359 Hamburg

      978-3-347-10257-6 (Paperback)

      978-3-347-10258-3 (Hardcover)

      978-3-347-10259-0 (e-Book)

      Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

       Dieses Buch widme ich meinem Sohn Marco A., der mich viel zu früh verließ,und meinem Exmann Joe, der nach der Scheidung bis an sein Lebensende mir der beste Freund und Berater war. Die Seelenverwandtschaft und das Urvertrauen ließen sich nicht scheiden.

       I. Teil

      Christina betrachtete gedankenverloren den See vor ihrem Haus, der glasklar und windstill zwischen saftigen, bunt gesprenkelten Wiesen dalag. Dahinter sanft ansteigende Hügel, und etwas weiter in der Ferne die Silhouette eines sonst bedrohlich und düster wirkenden Waldes. Jetzt aber hat noch einmal die herbstliche Morgensonne alles in ein strahlendes Licht getaucht. Dieses Fleckchen Erde hat eine ganz besondere Ausstrahlung.

      Hier verbrachte sie jetzt meist die Sommer. In der endlosen Stille konnte sie zu sich selbst finden und neue Kraft auftanken. Hier auch holte sie ihre Vergangenheit wieder ein, die sie so oft verdrängt hatte, die so unergründlich schien, wie der See vor ihr, der nicht immer so aussah, wie heute.

      Sie wollte im Leben nie etwas Besonderes erreichen – nur ein kleines Stück vom großen Glück abbekommen. Das Leben ist kein Märchen – das wusste sie! Einmal war sie dem Glück so nahe, doch kalter Egoismus und hinterhältige Intrigen beendeten vorzeitig eine vielversprechende Episode; die fast in ein Märchen geendet hätte.

      Davor aber verlief ihr Leben in fast normalen Bahnen. Aufgewachsen in einer Familie mit vier Brüdern, hatte sie es nicht immer ganz leicht. Sie war die Jüngste. In Berlin-Schöneberg wurde sie geboren. Endlich ein Mädchen … so der Vater! Sie war zwei Jahre alt, als sie ihre leibliche Mutter durch die Hand des Berliner-S-Bahnserienmörders, verlor. Das achte Opfer. Sie hat keine Erinnerung an ihre Mutter. Vater stand mit 5 kleinen Kindern mitten im Krieg da. Ihren jüngsten Bruder gab er der Schwester seiner verstorbenen Frau. Onkel und Tante waren kinderlos, wollten lieber das Mädchen, das gab er nicht her. Nach einiger Zeit lernte er eine wunderbare Frau kennen, die Kinder bekamen eine gute Mutter, die sich aufopferungsvoll ihren schweren Aufgaben stellte.

      Christina wurde bis zu ihrem 18. Lebensjahr streng behütet. Konnten Vaters Argusaugen sie nicht erreichen, war immer einer der Brüder zur Stelle. Ihre Mutter hatte genug andere Aufgaben, die Rollenverteilung war seinerzeit vorgegeben.

      Es war die Nachkriegszeit! Man lebte bescheiden, erfreute sich an jedem kleinen Aufschwung. Auch die kleinen Dinge hatten ihre Wirkung. Sie hatte eine Lehre als Verkäuferin begonnen, was hätte sie sonst lernen sollen? Friseuse hätte ihr gefallen, doch in jenem Jahr muss es einen Überschuss an Mädchen gegeben haben, der Traum hatte sich nicht erfüllt. Schneiderin hätte sie noch werden können, da fehlte es ihr an allen dazugehörenden Fähigkeiten. Ihre Freundin Mara hatte bei einem ältlichen, spindeldürren Fräulein so eine Lehre begonnen. Wenn es ihrer beider Zeit erlaubte tauschten sie ihre leidvollen Erfahrung schon mal aus. Christina verbrachte den überwiegenden Teil ihrer Lehrzeit mit „Schrubben der Regale „und hunderte Tüten mit Mehl, Zucker und Salz zu füllen. Eintüten nannte man das. Unter strengen Augen übte sie, bis eine gut gefaltete Tüte den Anforderungen entsprach. Von nun an ging̱ ’s bergauf! Jetzt wurden die Tüten gewogen – 500 Gramm mussten ein Pfund ergeben! Die Scheiben der Käse-, Wurst- und Kuchenvitrinen konnte sie mittlerweile auch glasklar hinkriegen; auch der riesige Fußboden erstrahlte bald in festlichem Glanz – ohne „Meister Proper“, den kannte man in der „SBZ „(Sowjetische Besatzungszone) noch nicht.

      Ähnlich erging es Mara. Die Wohnung ihrer Lehrherrin war nicht groß, vollgestopft aber mit altem Mobiliar, Kästen, Kisten, Schachteln, alten Teppichen. Das galt es erst einmal auf Vordermann zu bringen. Und so mühte sie sich auf dem Hinterhof mit den alten, schweren Teppichen ab. Mit dem „Ausklopfer „drosch sie ihre ganze Wut in dieselben, heraus kam Jahre alter Staub. Im zweiten Lehrjahr durfte sie schon ab und zu beim Zuschneiden und Nähen zusehen, auch schon mal ein fertiges Kleidungsstück abliefern. Gelegentlich gabs ein kleines Trinkgeld von den Kunden, das waren jene Lichtblicke, die auch sie ihre trostlose Lehre vergessen ließ.

      Welch ein Tag, sie halten endlich ihren Gesellenbrief in der Hand. Christina arbeitet nun als Verkäuferin, es macht ihr Spaß, Mara bewirbt sich in einem Bekleidungsinstitut.

      Dann irgendwann trennten sich ihre Wege für lange Zeit!

      Christina übernahm mit 20 Jahren einen kleinen, heruntergekommenen Konsumladen, der lange Zeit geschlossen war. Die Bevölkerung bringt etliche Beschwerden ein, und erzwingen so die Wiedereröffnung. Eine Woche hat sie mit zwei Handwerkern zu tun, bringt den Laden in Schwung. Man lieferte Ware an, die Seltenheitswert hatte. Die Kunden danken es ihr, zur Eröffnung bringen sie Blumen und kleine Geschenke. Es beflügelt sie sehr. Durch ihren Fleiß, der Umsichtigkeit und einem sehr guten Organisationstalent, hat sie sehr zufriedene Kunden. Das Sortiment bestand aus Seifenwaren, Spirituosen, Getränke, Obst-Gemüse und dem „Schwerpunkt – Kartoffeln „

      Man schrieb das Jahr 1958.

      Noch immer waren die Kartoffeln ein sogenannter Engpass! Endlose „Warteschlangen“, bei der letzten Lieferung waren wieder einige leer ausgegangen. Kam endlich eine Lieferung, dann war das ein riesiger, unüberschaubarer Kartoffelberg, es handelte sich um mehrere Tonnen! Dies jagte ihr immer wieder Angst und Schrecken ein. Bis zum Abend musste der per Hand mit einer 5-kg-Trichterwaage abgetragen werden. Es war eine elende Schinderei! Vielleicht musste sie sich bei ihrem Vater bedanken. Der war mit der Familie, als die Wohnung in Berlin-Schöneberg zu klein wurde, nach Berlin-Köpenick umgezogen, Teil der späteren „SBZ“. Ob es in Schöneberg doch schon modernere Waagen gab? Viele aus ihrer Lehrzeit arbeiteten schon im amerikanischen Sektor. Mit der S-Bahn fuhr man bequem von Ost nach West! Ihr machte die Arbeit in ihrem kleinen Laden Freude. Sie war freundlich und flink, die Kunden mochten sie. Besonders aber hatten es die Junggesellen auf sie abgesehen. Ständig fand sich der eine oder andere bei ihr ein, um für die jeweilige alte Wirtin etwas einzukaufen. Sie war eine kleine Schönheit geworden. Ihre grau-grünen Augen, ihr voller, straffer Busen und die sehr schönen Beine begeisterten schon so manches Männerherz! Eigentlich gehörte sie mit diesem Aussehen gar nicht hierher, dachte manch einer! Immerhin brachte es ihr aber soviel ein, dass sich bei Ankündigung einer großen Kartoffellieferung manchmal bis zu drei Verehrern anboten, den Berg abzutragen. Das waren ihre kleinen Glücksmomente! Wenn es die Zeit erlaubte, plauderte man schon mal über dies und das. Mit Komplimenten wurde sie überschüttet, jedes Mal lief sie rot an, es machte sie verlegen. Ein Verehrer hatte es ihr besonders angetan. Gut sah er aus, groß breitschultrig, blond, fast ein Typ wie der „blonde Hans“. Seine blauen Augen blitzten sie nur so an, das jagte ihr schon mal kleine nie gekannte Schauer über den Rücken. Ein gestandener Mann, acht Jahre älter als sie.

      Das konnte gefährlich werden, dachte sie! Langsam wurde sie zu Hause aufmüpfig. Stück für Stück hatte sie sich ein wenig mehr Freiheit erkämpft. Das konnte die Familie überhaupt nicht begreifen, sie hatte gar nicht bemerkt, dass Christina langsam flügge wurde. Mit

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