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Bei Ostwind hörten wir die Leute schreien. Immo Opfermann
Читать онлайн.Название Bei Ostwind hörten wir die Leute schreien
Год выпуска 0
isbn 9783948379452
Автор произведения Immo Opfermann
Жанр Контркультура
Издательство Автор
15 Geschichte der Kreisdelegation von Balingen, Vorwort, S. 43. In: Blau-Weiß-Rot: Leben unter der Trikolore. Die Kreise Balingen und Hechingen in der Nachkriegszeit 1945 bis 1949. Herausgeber Landratsamt Zollernalbkreis, bearbeitet von Andreas Zekorn. Zollernalb-Profile. Schriftenreihe des Zollernalbkreises. Band 5, Balingen 1999. S. 43 ff. Besonders S. 37.
Fritz Fortmann erstellte als Repräsentant, Geschäftsführer und Prokurist der DÖLF eine Liste, auf der ehemalige Parteigenossen und Amtsträger des Nationalsozialismus genannt wurden. Weil Fortmann sich als wichtigster Mann der DÖLF, der Französisch sprach, der Besatzungsmacht andienen konnte, beginnt mit dieser ominösen Liste die Denunziation, die alles bewirkte: schnell, in vorauseilendem Gehorsam, willkürlich und mutmaßlich in Trennung zwischen privaten Feinden und Freunden angelegt, ist sie bis heute im kollektiven Bewusstsein Inbegriff und Synonym für Denunziantentum per se, um die eigene Haut zu retten und mit Unliebsamen abzurechnen. Nach ihr wurden die entsprechenden Verhaftungen vorgenommen – ob noch durch den Polizisten Rösch, ist unklar, sodass im Ortsarrest des Rathauses in Schömberg nach und nach ungefähr 15 bis 20 Männer auf engstem Raum eingesperrt waren, in „Zimmer 3 inhaftiert“ und dann auf „3 Zimmer verteilt“, bis „am nächsten Morgen“, 20.04.45, „Oberleutnant De Laitre […] mit seinem Adjutanten, dem Tschechen Milan“ erschienen sei.16
16 Aussage Friedrich Geise, des ehemaligen Leiters von „Wüste“ 9, am 17. August 1948. In: Staatsarchiv Sigmaringen 9/720/1/A 4.
Hier beginnt die Geschichte des „Schwarzen Lagers“, denn der selbst ernannte Kommandant von Dotternhausen, Lieutnant Delètre, riss die Macht an sich und nahm mit seinen Spießgesellen angeblich in französischem Namen Verhaftungen und Requirierungen vor. Es traf auch Angehörige der DÖLF, weshalb deren Vorgeschichte wichtig ist.
Ölschiefer
Nachdem Rudolf Rohrbach, während der NS-Zeit Gauamtsleiter für Technik in Stuttgart, durch die Vermittlung seines Freundes Dr. Fritz Todt, des Gründers der „Organisation Todt“ (OT), eine Befreiung vom Bauverbot zur Errichtung eines Zementwerkes in Dotternhausen bewirkt hatte, konnte er 1939 noch vor Kriegsbeginn darangehen, an der beabsichtigten Stelle mit dem Bau zu beginnen. Die Wahl des Standortes war bedingt durch ein genügend großes Ölschiefer-Vorkommen, denn die Ausnahmegenehmigung war daran gebunden, dass mit der Zementherstellung auch eine Ölschieferschwelanlage errichtet werde. Die Produktion von Schieferöl aus schwäbischem Schiefer Epsilon wurde als „Wehrmachtsbauvorhaben“ bezeichnet: Kalksteinvorkommen und Bahnanschluss als weitere Komponenten des Standortes waren vorhanden, außerdem war hier eine Seilbahn vom Plettenberg in das stillgelegte Zementwerk Balingen für den Kalksteintransport bekannt.17 Für das neue Werk in Dotternhausen am Albtrauf benötigte Rohrbach entsprechende Ingenieure, Techniker und Arbeitskräfte, die Straßen anlegen und das ganze Gelände betriebsgeeignet machen konnten.
17 Vgl. Opfermann, Schömberg-Buch, S. 220 ff.
Als die vom Arbeitsamt Balingen vermittelten „130 kriegsgefangenen Franzosen“ sich durch „ihre Flucht über den Steinbruch auf dem Plettenberg“ Ende des Jahres 1941 der Weiterarbeit entzogen hatten, wurden der Baustelle und dem späterem Betrieb russische Kriegsgefangene zugewiesen. Sie bildeten „bis Kriegsende den Stamm“ der Arbeiter.18
18 Rudolf Rohrbach: Ein Ölschiefer-Werk entsteht. 1987. S. 42 – Die russischen Kriegsgefangenen, die im Werk ein eingezäuntes Lager hatten, arbeiteten auch im Kalksteinbruch auf dem Plettenberg, wo sie in der „Hütte neben dem alten Schafhaus wohnten. Das Essen brachten ihnen zwei Dotternhausener Frauen von unten auf den Berg“, so Helmut Künstle. In: Am Fuß des Plettenbergs, hgg. von der Gemeinde Dotternhausen. Dotternhausen 1994, sog. „Heimatbuch“, S. 316. Nach diesen Russen ist der sog. „Russenweg“ am Plettenberg benannt. – Zwei Russen hätten sich vor einem Luftangriff in einem Bombentrichter in angebliche Sicherheit gebracht, weil nicht zweimal eine Bombe in den gleichen Trichter falle: Beide wurden getötet. – Diese beiden am 27.02. und die am 18.04.1945 beim letzten Luftangriff auf das Zementwerk getöteten fünf Russen wurden am Plettenberg in einem Grab verscharrt, die Stelle mit einer Art Kreuz markiert.
Plan des Zementwerkes, links das Lager der Russen
Schieferbruch zum Zementwerk, Foto aus der Nachkriegszeit
Für den Schlichem-Stausee in Schömberg, der während und nach dem Bau des Zementwerkes Dotternhausen ab August 1941 als weiteres Projekt für das Werk angelegt wurde, waren wiederum sehr viele ausländische Arbeitskräfte notwendig: die Zusammensetzung der Arbeitenden wechselte im Sperrgebiet am künftigen See nach Baufortschritt, je nachdem, welche Arbeitskräfte die beteiligten Firmen Heilmann und Littmann oder Baresel überhaupt organisieren konnten. Bauaufsicht hatte das Wasserwirtschaftsamt Rottweil beim Bau der Schlichemtalsperre und die „Deutsche Arbeitsfront“. Dass hier bereits die OT beteiligt war, ist zu vermuten, denn die „Firmen hatten ein eigenes Stammpersonal, das in OT-Uniform war“19. Für weitere Baustellen des Unternehmens „Wüste“ war ihr technisches Wissen vonnöten.
19 „Erläuterungen zum Organisationsplan Geilenberg-Bauvorhaben Wüste“ vom 19. April 1946, also ein Jahr nach Kriegsende. In: Staatsarchiv Ludwigsburg EL 317 III, Bü 1252. – Aus dem Dotternhausener „Heimatbuch“ ist bekannt, dass „im Oktober 1944 […] das Lehrmittelzimmer der Schule zusammen mit weiteren Lokalen in der Gemeinde von der OT beschlagnahmt“ wurde. „Nach Kriegsende war das Schulgebäude von den Besatzungstruppen vollständig belegt und wurde erst nach dem 30. Oktober 1945 für den Unterricht freigegeben“, S. 19.
Bau der Schlichemtalsperre ab August 1941, Foto Erwin Krauß
Das „Schwarze Lager“ in Dormettingen
„Beginn der ersten Festnahmen von politisch belasteten Personen durch bewaffnete D. P. aus Dormettingen“ stellt lapidar die Stadtchronik Schömberg zum 1. Mai 1945 fest. Die vom Naziregime aus ihrer