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geht’s dir noch ganz gut.« Sie hatte mit flinkem Blick erfasst, dass er ihr durchaus nicht sein letztes Geld gegeben hatte.

      »Vorläufig halte ich mich leidlich über Wasser«, erwiderte er schulterzuckend.

      Barb schmiegte die Wange kurz an die seine und küsste ihn schließlich abschiednehmend und sehr zärtlich. »Es ist schade, Roly. Es hätte ganz anders sein können. Ich passe nun mal nicht in ein altes Bauernhaus. Viel Glück!«

      Sie stieg ein, steckte den Schlüssel ins Zündschloss und setzte das kleine Auto etwas gewaltsam auf dem schmalen Wiesenweg in Bewegung.

      Roland sah zu und hob grüßend die Hand. Es tat ihm ein bisschen leid, dass sie abreiste, aber zu seiner Verwunderung nicht gar so sehr. Das Leben, allein seiner Malerei gewidmet, hier in dem abgeschiedenen Dorf Wildmoos, machte ihn glücklich. Er fühlte sich weder einsam noch verlassen, solange er malen konnte. Und er malte von früh bis spät wie ein Besessener, weil er endlich durch nichts und niemanden davon abgehalten wurde – nicht einmal von seiner hübschen Freundin.

      Nun war von Barbs Wagen kein Zipfelchen mehr zu entdecken. Roland holte tief Luft und kehrte ins Haus zurück, wo er mit der Sorgfalt eines Junggesellen, der keine Hilfe hat, den Tisch abräumte und in der Küche Ordnung schaffte. Dann setzte er sich vor der Tür in die Sonne, denn er konnte nicht sofort an seine Arbeit zurückkehren. Ein wenig klang das Erlebnis mit Barb noch in ihm nach. Zu denken, dass sie den weiten Weg hierher nicht gescheut und dann doch nein gesagt hatte, als er sie gefragt hatte, ob sie ihn heiraten wolle …

      Nun, Roland gab sich über Barb keinen Illusionen hin. Zwar bezauberten ihn ihre Schönheit und Ursprünglichkeit, doch er wusste, dass dieses arme, einfache Mädchen nur von dem einen Trieb besessen war, möglichst schnell ihrer Armut zu entfliehen. Deshalb wollte Barb einen reichen Mann heiraten – keinen armen Maler, der es möglicherweise nie zu Erfolg brachte.

      Mit siebenundzwanzig Jahren verschmerzte ein normal veranlagter Mann den Verlust eines hübschen Mädchens verhältnismäßig rasch. Roland reckte die Glieder in der Sonne und blinzelte, um ein letztes Mal den Weg entlangzuschauen, auf dem Barb davongefahren war – nach menschlichem Ermessen für immer.

      Sein Blick wurde unvermutet von einem seltsamen Aufzug festgehalten. Ein etwa vierjähriges Mädchen in blauen Jeans und karierter Bluse schob eine Schubkarre etwas mühselig vor sich her, während daneben eine große Gans marschierte, ab und zu leise schnatternd.

      Roland erwartete die Ankunft dieser wunderlichen Besucher mit echter Neugier. Endlich befand sich das Kind genau vor seinem Gartentor, das immer offen stand.

      »Tag, kleines Fräulein, wohin willst du denn?«

      »Hallo«, antwortete das Kind, unverkennbar mit amerikanischem Tonfall. »I look for grass for my geese. – Ich suche Gras für meine Gänse.«

      »Komm her!« Nun erst entdeckte Roland die seltsame Fracht in der Karre, die ihm bisher durch deren hohen Rand verborgen geblieben war.

      »Der big Gänsevater in Sophienlust beißt my geese«, verkündete das Kind in einem unbekümmerten Sprachengemisch.

      »Na, so was! Dann kommst du also aus Sophienlust. Und wie heißt du?«

      »Moira.« Das hörte sich an, als müsste eigentlich jedermann wissen, wie Moira hieß.

      »Du gefällst mir«, sagte Roland. »Wenn du willst, kannst du die Gänse in meinen Garten bringen. Da gibt’s genug Gras.«

      Moira nickte und schob die Karre herein. Es kam ihr wohl ganz selbstverständlich vor, dass ihre Schützlinge hier gern gesehen waren. Behutsam hob sie die Küken aus der Karre.

      »Und Wasser?«, fragte sie strahlend.

      Roland ging in die Küche, wo er einen Teller mit Wasser füllte.

      Moira schaute beglückt zu, wie sich ihre Gänseherde sehr schnell auf der Wiese neben dem Bauernhaus einlebte.

      »Wie ist dein Name?«, fragte sie jetzt den großen Mann in ihrem gebrochenen Deutsch.

      »Roland.«

      »Roland.« Moira wiederholte den Namen aufmerksam, doch mit amerikanischem Akzent. »Ich kenne einen Jungen, der is called Roland. Aber ich weiß nicht, wo er ist geblieben.«

      Nun, da konnte ihr der deutsche Roland auch nicht weiterhelfen.

      Moira entdeckte die Leiter, die von außen her zum Speicher führte, wo Rolands Atelier eingerichtet war.

      »Kann man oben?«, fragte sie.

      »Du wirst fallen. Warte, ich helfe dir.«

      Im Atelier bestaunte Moira andächtig die Bilder. Ganz versunken saß das hübsche Kind vor einem Madonnengemälde, einer Kopie, die Roland für eine Kirche in Auftrag hatte.

      Ich könnte Moira malen, überlegte der Maler. Vielleicht mit den Gänsen – oder mit einer Gans.

      Das Bild formte sich bereits ohne sein Zutun vor seinem inneren Auge. Eilig nahm er den Block und skizzierte seine Idee.

      »Was machst du?« Nun hatte das Kind es bemerkt. Das Köpfchen war bereits aufs Papier gebannt, wenn auch nur in groben Umrissen.

      Er zeigte Moira den Block. Sie betrachtete die Zeichnung aufmerksam. »Das ist mich!«

      »Stimmt«, lachte Roland. »Ich möchte dich malen, richtig mit Farbe. Da musst du aber öfter kommen. Vor allem müssen wir auch in Sophienlust fragen, ob du kommen darfst.«

      »Ich muss wachen the geese – aufpassen, dass der böse Gänsevater not kommen.«

      »Bei mir sind die Gänse ganz sicher. Gehören sie dir?«

      »My geese – meine Gänse«, sagte Moira und reckte sich ein bisschen.

      »Du darfst sie immer mitbringen«, entschied Roland. »Die Gänse können auf der Wiese sein, während ich dich male. Wollen wir in Sophienlust nachfragen?«

      Moira nickte.

      Roland Gerhardt bewirtete das Kind mit einem Honigbrot. Dann beschäftigten sich beide gemeinsam damit, die Gänseküken einzufangen und in die Karre zu setzen, was gar nicht so einfach war. Endlich setzte sich die kleine Versammlung in Bewegung.

      In Sophienlust war es Pünktchen mit den lustigen Sommersprossen, der sie zuerst begegneten. Pünktchen knickste artig. »Guten Tag.«

      »Guten Tag«, antwortete der Maler. »Ich bin Roland Gerhardt und hätte gern die Heimleiterin gesprochen.«

      »Frau Rennert ist nicht da. Aber Sie können bestimmt mit Carola Rennert reden. Das ist Frau Rennerts Schwiegertochter.«

      Pünktchen betrachtete Roland ein bisschen neugierig. Schließlich konnte sie ihre Neugierde nicht verbergen. »Sind Sie der Maler, der das leere Haus gemietet hat?«

      »Hm, der bin ich.«

      »Das wird Carola interessieren. Sie malt nämlich auch«, platzte Pünktchen heraus.

      Roland Gerhardt war überrascht.

      »Roland malt ein Bild von mich«, verkündete Moira fröhlich.

      Pünktchen war begeistert. »Kommen Sie, ich führe Sie zu Carola, Herr Gerhardt.«

      Moira blieb mit ihren Gänsen zurück. Ein bisschen sehnsüchtig blickte sie Roland und Pünktchen nach, die nun das Herrenhaus betraten.

      Auf dem kurzen Weg erklärte Pünktchen dem Besucher, dass Frau Rennerts Sohn Lehrer in Sophienlust sei und dass er Carola, die Malerin, geheiratet habe. »Sie hat schon richtige Preise gewonnen und hängt ihre Bilder in Ausstellungen auf. Außerdem hat sie Zwillinge.« Pünktchen fand, dass sie auf diese Weise alle wichtigen Merkmale der jungen Familie Rennert, die einen Anbau des Herrenhauses bewohnte, erwähnt hatte.

      Carola begrüßte den Maler mit Herzlichkeit. Roland brachte seine Wünsche höflich zum Ausdruck. Ob er die kleine Amerikanerin mit den Gänsen porträtieren dürfe? Er erzählte auch, dass das Kind zu ihm gekommen

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