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Hühnereiern. Clay fummelte an einer .38er Pistole herum, jonglierte sie von einer Hand zur anderen, als wären ihr Gewicht und ihre Beschaffenheit etwas Ungewohntes.

      Er winkte Clay zu. »Scheiße«, zischte er durch zusammengebissene Zähne. »Scheiße, Jeffrey!«

      Jeffrey Clay hörte ihn nicht.

      Sie steckten hinter der Theke fest, buchstäblich mit dem Rücken zur Wand. Einer der Polizisten schrie, sie sollten sich hinstellen, aber niemand bewegte sich. Es fühlte sich an, als bebte der Raum wie von dutzendfachem, akustisch verstärktem Herzklopfen. Hektisch suchte John den ihn unmittelbar umgebenden Bereich nach irgendeinem Zeichen von Francis Deveneau ab. Zuerst konnte er keine Spur von ihm entdecken. Dann bemerkte er, wie Deveneau sich rückwärts auf Händen und Knien über den Boden schob, mit verzerrtem Gesicht und blitzenden Augen. Immer weiter kroch er rückwärts auf ein verdunkeltes Zimmer zu. Ihre Augen trafen sich und für einen Augenblick starrten sie sich an.

      Tressa Walker hockte am Rand des Tresens gegen den Türrahmen gelehnt. Ihre blassen, schlanken Arme waren eng um die Knie geschlungen. Sie zitterte heftig. John hatte das Gefühl, beinahe hören zu können, wie ihr Kopf gegen die Wand schlug und die Zähne in ihrem Schädel klapperten…

      »Aufstehen!«, schrie einer der Polizisten. Viel zu nah war die Stimme. John spürte ihre Präsenz überall um sich herum, dicht und schwer wie feuchtwarme Luft. Die Wände vibrierten. »Aufstehen, aber ganz langsam

      John schob sich an der Wand entlang, bis er Clay neben sich hatte. Auch Clay zitterte. Mit der flachen Hand schob er Clays Pistole beiseite. »Ganz ruhig«, flüsterte er. »Beruhige dich. Du wirst dir noch in deinen gottverdammten Fuß schießen. Gib mir die Waffe.«

      Clay reagierte nicht.

      »Jeffrey …« Mit seinen Fingern umschloss er den Griff von Clays Pistole und schob seinen Zeigefinger hinter den Abzug. »Gib sie mir …«

      Clay erwachte aus seiner Erstarrung und riss die Waffe weg. Er keuchte schwer, mit schnellen, schnappenden Atemzügen.

      »Das ist Bullshit.« Die Stimme klang seltsam ruhig. John drehte sich um und sah den Albino hinter dem Tresen auf dem Boden kriechen.

      »Was für eine Scheiße.« Der Albino schob sich vor Francis Deveneau, wobei sein Knie gegen eine Flasche Whiskey stieß und sie taumelnd über den Boden schickte. Neben John hockte Clay, lehnte den Kopf an die Wand und schloss angestrengt die Augen.

      »Wir sind bewaffnet!«, schrie Clay mit brechender Stimme.

      »Die Waffen weg und aufstehen!«, antwortete einer der Polizisten.

      Clay schüttelte den Kopf, die Augen noch immer geschlossen. Er kaute an seiner Unterlippe.

      Dann öffnete er die Augen. »Keiner bewegt sich!«, schrie er, dieses Mal mit kräftigerer Stimme. »Keiner von euch Scheißkerlen bewegt sich! Jeder bleibt, wo er ist!«

      Das Gesicht des Albinos war unmittelbar vor dem Deveneaus. Er war wütend. Eine lilafarbene Vene pochte an seiner Schläfe. An seinem Hals standen die Adern hervor, dick wie Aufzugskabel. Eine weiße Hand schoss vor und packte Deveneau am Kragen, schüttelte ihn und schlug dabei seinen Kopf gegen die Wand.

      »Siehst du das? Diese verdammte Sauerei?« Nach einem letzten heftigen Schlenker ließ er Deveneau los. Deveneaus Kopf prallte erneute gegen die Wand.

      »Was habe ich dir gesagt? Was habe ich von Anfang an gesagt? Was …«

      Wieder schoss seine Hand hervor. Diesmal packte sie Tressa an den Haaren und riss sie zu Boden. »Siehst du das? Siehst du das hier?«

      Von der anderen Seite der Bar näherten sich noch mehr leise Schritte. In einem jetzt wieder ängstlich klingenden Wutausbruch schrie Jeffrey Clay die Polizisten an, stehen zu bleiben, einfach stehen zu bleiben, verdammt noch mal stehen zu bleiben, verstanden sie kein Englisch?

      Der Albino riss noch einmal an Tressas Haaren, das Mädchen kreischte. John hörte Clay unterdrückt fluchen. Der Albino zerrte das Mädchen vor seine Brust und wickelte einen blassen Arm um ihren Hals. Tressa wimmerte.

      »Ich bin auf Bewährung, verdammt!«, fauchte er Deveneau an. »Dauernd schleppst du diese Nutte mit dir herum und weißt nicht, wem sie was erzählt, wo sie ihren verdammten Mund aufmacht! Und jetzt das?« Er schlug mit der Faust in Deveneaus Gesicht. »Was habe ich dir von ihr erzählt? Was habe ich gesagt? Du Arschloch, das alles war sonnenklar! Habe ich dir nicht gesagt, dass sie mit den Bullen gesprochen hat? Habe ich dir nicht gesagt, dass sie Abschaum ist, sie war gottverdammt noch mal …«

      In einer einzigen flüssigen Bewegung zog der Albino eine Pistole aus seinem Gürtel, schwang sie herum und drückte den Lauf an Tressas Kopf. Sein Ellbogen stieß einen Besen um, der seinerseits einen mit Schildpatt verzierten, riesigen Spiegel traf, der an zwei Drähten hinter dem Tresen hing. Der Spiegel drehte sich wie ein Mobile hin und her, bevor er seine ursprüngliche Lage wieder einnahm. Für einen Augenblick konnte John eine größere Anzahl Polizisten sehen, mit gezogenen Waffen, breitbeinig aufgestellt, jenseits des Tresens im Spiegelbild schwebend. Sie waren grobe Reflexionen von Menschen: keine Gesichter, keine Details. Nur Waffen mit Beinen.

      Mit einer Hand umklammerte der Albino das Mädchen am Hals und presste mit der anderen die Pistole heftig gegen ihre Schläfe. Sein Gesicht war rot geworden, ausgebrochen in bunte Magnolienblüten.

      Es war, als ob ein barmherziges und göttliches Wesen plötzlich die Hand ausstreckte und auf den Knopf für die Zeitlupe drückte. Der Albino, die Pistole, der gesamte Raum – alles erschien plötzlich vergrößert. Vor seinem inneren Auge konnte John sehen, wie sich der Hammer der Waffe zurückbewegte, wie der bleiche, schmale Finger den Abzug drückte, konnte sehen, wie sich die Kammer langsam drehte und eine neue Ladung vorbereitete.

      John feuerte zwei Mal mit seiner Pistole, die tief in der Innentasche seiner Lederjacke vergraben gewesen war. Der erste Schuss traf den Albino in die Stirn und tötete ihn auf der Stelle mit einer fast blutlosen Wachsamkeit. Das Gesicht des Albinos blieb ausdruckslos. Nur der rechte Arm zuckte, der Finger auf dem Auslöser seiner Waffe spannte sich. Ein ungezielter Schuss explodierte, der Querschläger prallte von der Decke zurück. Der Albino fiel rücklings um wie ein Stück Treibholz. Johns zweiter Schuss verfehlte das Ziel komplett und zerschmetterte einige halbleere Flaschen unter dem Tresen.

      Die Polizisten erwiderten das Feuer. John zuckte zusammen, duckte sich, packte Tressa und drückte ihr Gesicht auf den schmutzigen Boden. Über ihren Köpfen schlugen die Geschosse in die Wand ein, ließen Flaschen zerspringen und Holz zersplittern. Der enorme Wandspiegel, der sich fast über die gesamte Länge der Theke erstreckte, zerbarst in einem Schneesturm aus messerscharfen Scherben. Unter ihm kämpfte das Mädchen und versuchte, sich zu befreien. Mit einer Hand drückte er ihren Kopf nach unten, um ihren Bewegungsradius einzuschränken. Einer ihrer Arme schwang nach oben, knallte ihm seitlich gegen das Gesicht und ließ die Welt vor seinen Augen verschwimmen.

      »Hier rüber, hierher!«, schrie Deveneau und bedeutete John, in dem verdunkelten Raum hinter ihm in Deckung zu gehen. Auch er hantierte auf einmal mit einer Pistole und schob Munition ins Magazin. »Nun macht schon!«

      Jeffrey Clay, dessen Gesicht jetzt noch abgehärmter aussah und der die Augen unnatürlich weit aufgerissenen hatte, stieß sich von der Wand ab und taumelte auf die Füße. Er hielt seine .38er mit ausgestrecktem Arm vor sich, stand mit gebeugtem Körper und eingezogenen Schultern da und schrie so laut, dass seine Kehle zu zerreißen drohte. In einer gleichbleibenden Seitwärtsbewegung, wie ein Schießbudenziel auf dem Rummelplatz, stolperte Clay hinter der Theke entlang und gab mit seiner Waffe eine Serie greller, peitschender Schüsse ab. Kleine Flammen leckten aus der Mündung. Er feuerte schnell und schaffte es, die Pistole leerzuschießen, bevor er getroffen wurde. Die erste Kugel traf ihn in die Schulter, zwei weitere in die Brust, eine schnitt ihm durch die rechte Wange… dann ging alles zu schnell für John, und er verlor die Übersicht, was genau eigentlich gerade passierte. Jeffrey Clay zuckte unkontrolliert, stolperte nach vorn und schlug mit dem Kopf gegen den Tresen wie ein nasser Sack Mehl. Er taumelte weiter und sackte schließlich auf dem Boden zusammen. Sein Gesicht war aschfahl, besprenkelt

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