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Tressa Walker zu, die ihm ein nervöses Lächeln schenkte. Deveneau erwiderte es. Seine Zähne sahen trocken und glanzlos aus. »Wie geht es dir, Baby?« Er war ein schlanker Mann mit Händen so knochig wie Hufe. »Alles klar bei dir?«

      »Ja.« Es war das Einzige, was sie bislang den ganzen Abend gesagt hatte.

      »Du hast gegessen?«

      »Ich habe Hunger.«

      »In dem Klub hier«, sagte Francis, »gibt es nur furchtbares Essen. Kein Scherz. Lässt sich nicht ändern.« Er sah John von der Seite an. Zwinkerte. »Absolut grauenhaft, sans doute. Später«, sagte er zu dem Mädchen. »Später. Irgendwo in einem netten Lokal in Downtown. Vielleicht bei Guspacco's.« Er blickte wieder zu John. »Du bist also mit meinem Mädchen zur Schule gegangen?«

      »Für eine Weile. Bevor ich rausgeflogen bin.«

      »Habt ihr beiden Täubchen was miteinander gehabt?«

      John grinste. »Nein.«

      »Sie ist ein Prachtstück«, sagte Deveneau.

      Tressa nahm Deveneau am Arm. »Er war älter«, sagte sie. »Und in einer anderen Klasse.«

      Deveneau lächelte. Klatschte in die Hände. »Der große Zampano auf dem Schulhof.«

      »Nicht so ganz«, sagte John. »Ich war eher ein Niemand an der Schule.«

      Clay schob sich zwischen sie. »Auf geht's«, sagte er, und seine Finger umklammerten Johns Unterarm.

      Sie schlängelten sich durch ein Labyrinth aus schwingenden Hüften und wedelnden Armen. Der Albino hatte sich wie ein Hund an Johns Fersen geheftet und sagte kein einziges Wort. Seine Augen waren auf bösartige Weise nüchtern. Ab und an blickte er zu Tressa, aber niemals, wenn das Mädchen in seine Richtung schaute. Er behielt auch John im Blick. Sein Misstrauen war ihm anzusehen. Die Musik hämmerte weiter und weiter, programmiert als Endlosschleife. John spuckte auf den Boden und schnippte seine Zigarette zur Seite, während er Clay, Francis Deveneau, Tressa und dem Albino eine eiserne Treppe hinab folgte. Ein zerfurchter Betontunnel schloss sich um sie. Metallgitter hingen an Ketten von der Decke herab, geschmückt mit flackernden Kerzen. Je tiefer sie in den Untergrund eintauchten, desto stärker wurde der Geruch nach Schweiß, Schimmel und Weihrauch.

      »Frankensteins Schloss«, murmelte John. Clay kicherte.

      Die Treppe endete in einem schwach beleuchteten Korridor, der gleichzeitig überall und nirgends hinzuführen schien. Sie durchquerten den Korridor und betraten eine große Bar. Rote Samtsofas, feucht vor Fäule und abgenutzt, standen wie eine Herde weidender Rinder mitten im Raum. Ein mit Zink verkleideter Tresen klammerte sich an die Wand am anderen Ende und zog die Trinker an wie Fruchtfliegen. Groß und verzerrt traten ihre Schatten an den Wänden hervor. Eine Weihnachtslichterkette, hier wahrscheinlich ein ganzjähriges Gestaltungselement, hing schlaff hinter dem Tresen an der Wand herunter.

      »Sie haben verdammt noch mal ganze Arbeit geleistet«, sagte Deveneau. »Die komplette Bar stand voller Abwasser, vielleicht – wann war das? Vor zehn Monaten, Jeffrey? Kaputte Stromleitungen, verrottete Rohre. Weiß Gott was noch. Ratten so groß wie Thanksgiving-Truthähne, die dich aus jeder Ecke beobachten und deren kleine Füße du durch den Schlamm tapsen hörst. Hab versucht, Eddie davon zu überzeugen, aus der Bar eine Art Underground-Casino zu machen. Wie im Film. Pokertische, Roulette, Würfeln – das ganze Programm.«

      »Und wenn die Bullen kommen, dann dreht er die Tische um, und sie verschwinden hinter den Wänden wie in diesen Gangsterfilmen«, sagte Jeffrey Clay kichernd.

      Deveneau schüttelte den Kopf und sah seinen Freund über die Schulter an. »Immer noch der alte Klugscheißer, was?«

      Aber Clay hatte einen Lauf. »Auf der anderen Seite wird es eine komplette zweite Bar geben, und heiße Bardamen mixen Drinks, echten James-Bond-Shit …«

      John rang sich ein Grinsen ab. Er wurde immer unruhiger, aufgeladen durch den Stress der Inaktivität. Die wenigen Drinks, die er sich zuvor genehmigt hatte, schlugen jetzt durch, und er hatte plötzlich das Gefühl, immer zwei Schritte hinter sich zu sein.

      »Aber du kannst dir vorstellen, was ich meine, oder?« Deveneau hielt plötzlich inne, wodurch die anderen ins Straucheln gerieten. Er hob den Kopf und sah sich um. Sein linkes Augenlid zuckte. Einige der Trinker an der Bar blickten in seine Richtung. »Gedämpftes Licht, jede Menge Nachtschwärmer, eingehüllt in schweren Zigarrenrauch. Luft, die nach Alkohol und billigem Parfüm stinkt. Atme es ein, Mann. Alles davon. Alles.« Deveneau schüttelte den Kopf. »Besser als der gottverdammte Swingerklub, den Eddie hier aufbauen will.« Er stach mit seinem Finger in Johns Richtung in die Luft. »Du hast das Geld?«

      »Du hast mein Zeug?«

      »Verdammt«, sagte Deveneau grinsend. Hinter ihm traten ein paar übergewichtige Männer mittleren Alters aus der Dunkelheit, umgeben von einer Gruppe junger Mädchen, die tropische Cocktails trugen. Irgendwo musste eine Tür geöffnet worden sein. Auf einmal war Musik zu hören. Jemand an der Theke lachte zu laut. Als die Männer und Frauen vorbeigingen, folgte ihnen eine unbestimmte Geruchswolke, dominiert von Schweiß und Marihuana. Deveneaus Albino-Begleiter verlagerte sein Gewicht auf das andere Bein, um sie vorbeizulassen, wobei er John berührte. John spürte die Hand des Mannes auf seiner Hüfte.

      »Bist du neugierig auf etwas, Süßer?«

      Der Albino sagte nichts. Aus dieser Nähe konnte John ihn riechen: ein Konglomerat aus Haarfärbemittel, Fluorid und Ammoniak. An seinem Mundwinkel hatte er eine Narbe in der Form eines Kommas, die rosa und nach rohem Fleisch aussah.

      Die aufziehende Anspannung schien Francis Deveneau nichts auszumachen.

      »Wollen wir was trinken? Lasst uns einen Drink bestellen.«

      »Ich muss mich noch um etwas anderes kümmern«, sagte John. »Außerdem, wenn ich mir noch einen Drink mehr genehmige, finde ich mein Auto nie wieder.«

      »Ja, Frank«, hakte Clay ein, »lass es uns einfach über die Bühne bringen. Johnny-Boy scheint heute Abend nicht sehr gesellig zu sein.«

      Deveneau küsste Tressa auf die Wange und führte sie zu einer kleinen Tür neben der Theke. John folgte ihnen, sich stets bewusst, dass der Albino direkt hinter ihm war. Er konnte geradezu spüren, wie der fremde Schatten gegen seinen Rücken drückte.

      Francis Deveneau lachte über einen Spruch des Barkeepers, während er abwesend mit seiner rechten Hand eine Fliege verscheuchte. Tressa wurde in Deveneaus Armbeuge mitbewegt, fing Johns Blick auf und sah schnell zur Seite.

      Jemand schrie. Plötzlich waren die Geräusche von einem Dutzend Warnsignalen zu vernehmen, die alle auf einmal losgingen: heranstürmende Schritte, Schreie, zerberstendes Glas hinter der Bar. Nicht identifizierbare Schatten schwärmten aus, ballten sich zusammen, zerstreuten sich, ballten sich erneut zusammen, zerstreuten sich wieder. Zu gewaltig war der Lärm für John, um abgrenzbare, individuelle Geräusche auszumachen. Überall Fetzen von Wörtern und Befehlen. Aber seine Augen erfassten blitzschnell die Situation im Raum, verarbeiteten die Informationen und sagten ihm, dass etwas schrecklich schiefgelaufen war.

      »Polizei!« Eine Flut blauer Nylonjacken ergoss sich in den Raum, schwärmte an den Wänden entlang aus und tauchte in jede Ecke und jeden Schatten. Ein Tisch wurde umgeworfen. Dann noch einer. Dann eines der fleckigen Sofas. Menschen stoben in alle Richtungen auseinander. »Keine Bewegung! Stehenbleiben! Polizei!« Sie schlugen zu wie ein Schwarm Insekten, unmittelbar und zu einem Körper vereinigt, nur um sich im letzten Augenblick zu zerstreuen und zu verteilen wie gebrochenes Licht.

      »Stehenbleiben, verdammt!«

      »Polizei! Niemand bewegt sich!«

      John prallte gegen die Wand, als hätte ihn eine vorbeifahrende Lokomotive erwischt. Rasch sammelte er die Beine um seinen Körper herum wieder zusammen und rollte sich hinter eine Ecke des Tresens. Sein Kopf schlug gegen die Tür des Geschirrspülers. Grelle, ölige Spiralen explodierten hinter seinen Augenlidern. Beine schwirrten an ihm vorbei, ein Barhocker krachte auf den Boden. Er atmete schwer, plötzlich brannte seine Kehle.

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