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haben.«

      »Daran zweifle ich nicht. Aber was wird dein Mann dazu sagen? Er hat mich nie gemocht.«

      »Celestino ist nur selten zu Hause. Er wird Lea kaum bemerken. Außerdem wird er froh sein, wenn Antonia eine Spielkameradin hat.«

      »Das wäre wirklich eine gute Lösung«, antwortete Arne nachdenklich. Es war ihm aufgefallen, daß Marlene bedrückt wirkte, wenn sie von ihrem Mann sprach. Die Ehe schien nicht glücklich zu sein. Der Gedanke beunruhigte ihn, denn all die Jahre war er der Ansicht gewesen, daß Marlene so etwas wie das große Los gezogen hatte. Ihr Mann war reich, sie lebten in einem der schönsten Landstriche Europas, hatten ein gesundes Kind und keine Sorgen. War dieses Glück denn nicht perfekt?

      Arne fühlte sich schuldig. Das Wiedersehen mit Marlene hatte Erinnerungen aufgewühlt, die er gerne vergessen wollte. Es war alles so anders gekommen, als er es damals geplant hatte. Waren seine Entscheidungen falsch gewesen? Arne fühlte sich innerlich zerrissen, verunsichert wie ein Versager. Er war mit den Nerven am Ende, brauchte dringend Abstand, um wieder neue Kraft zu schöpfen. Das würde ihm nur in seiner Heimat gelingen, denn nur dort würde er Ruhe finden.

      »Lea und Antonia werden sich bestimmt gut vertragen«, vermutete Marlene und freute sich darauf, die beiden Mädchen zusammenzubringen.

      »Ich werde voraussichtlich ein bis zwei Monate brauchen, um einen Job zu finden, eine Wohnung zu mieten und einzurichten. Dann kann ich Lea wieder zu mir nehmen. Wenn sie in der Zwischenzeit bei euch bleiben könnte, wäre ich dir sehr dankbar, Marlene.« Schuldbewußt sah Arne die schöne Schwägerin an. Nur zu gut erinnerte er sich daran, daß er ihre Erwartungen seinerzeit schmählich enttäuscht hatte.

      Lea verfolgte das Gespräch der Erwachsenen mit großen Augen. Sie hatte Angst vor der Veränderung, aber sie war viel zu vernünftig, um sich zu widersetzen. Wenn es der Wunsch ihres Vaters war, daß sie mit Tante Marlene ging, dann wollte ihm Lea keine Schwierigkeiten machen. Er hatte es in den vergangenen Wochen so schwer gehabt, hatte so viele Opfer gebracht. Jetzt war die Reihe an ihr.

      »Magst du, Lea?« fragte Arne und zog das Töchterchen eng an sich. Das blonde Mädchen nickte.

      *

      Am Tag nach der Beerdigung fuhr Marlene mit ihrer Nichte in die Toskana zurück. Viel Gepäck hatte die Kleine nicht, nur ein paar Kleidungsstücke und den geliebten Teddy. Ihn drückte Lea an sich, als sie vom Rücksitz aus dem Vati ein letztes Mal zuwinkte.

      »Bis bald!« rief er und hatte dabei Tränen in den Augen.

      Auch Lea weinte still, sprach die ganze Fahrt über mit der Tante kaum ein Wort. Erst bei der Übernachtung in einem süddeutschen Hotel kamen sie sich näher.

      Marlene gab sich Mühe, die Nichte etwas abzulenken. Sie erzählte ihr von Antonia und dem Haus in der Toskana. So ganz war Marlene allerdings auch nicht bei der Sache, denn die Begegnung mit Arne hatte alte Wunden aufgerissen, so viele Erinnerungen geweckt. Am nächsten Tag nahmen sie die Autobahn, kamen gut voran und überwanden ohne Stau den Apennin-Paß, erreichten die liebliche Toskana mit ihrer unverwechselbaren Atmosphäre. So manches alte Bauerngehöft aus rotem Backstein lag verlassen auf einem Hügel und wirkte wie ein verwunschenes Schloß, das nur darauf wartete, aus seinem Dornröschenschlaf erweckt zu werden. Kleine weiße Schafe weideten auf grünen Hängen oder dösten unter uralten Olivenbäumen. Das ganze Land strahlte Ruhe und Behaglichkeit aus.

      Selbst Lea empfand die Schönheit der Toskana, freute sich über plätschernde Bäche und die bunten Blumen, die am Ufer blühten.

      Als sie auf die Privatstraße einbogen, die zur Villa Piotta führte, wurde Lea still und nachdenklich. Die Allee führte direkt auf ein großes schmiedeeisernes Tor zu, hinter dem es einen weitläufigen Park mit Wasserspielen und weiten Rasenflächen gab. Der langgezogene helle Bau wirkte wie ein Schloß mit einer breiten Treppe als Aufgang und einem mächtigen Portal. Ein teures Auto stand davor, der Chauffeur in Uniform wischte das letzte Stäubchen vom Lack. Lea staunte mit offenem Mund.

      »Gehört das alles dir?« piepste das kleine Mädchen ehrfürchtig.

      »Nein, es gehört meinem Mann, deinem Onkel Celestino«, antwortete Marlene ohne Bedauern.

      In diesem Moment öffnete sich die schwere Eichentür. Ein Mäd­chen rannte die Treppe herunter, weiß gekleidet, die schwarzen Locken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Die braunen Beine steckten in weißen Sportschuhen einer Marke, die überall bekannt und so teuer war, daß ein einziges Paar mehr wert war als Leas gesamte Kleidung.

      »Mama!« rief Antonia in typisch-italienischem Tonfall und stürmte zu dem gerade anhaltenden Auto. Dann stoppte sie abrupt, zog das hübsche Näschen kraus. »Wen hast du denn da aufgelesen?« fragte sie verächtlich.

      Marlene war froh, daß sie sich dabei der italienischen Sprache bediente, die Lea nicht verstand. »Antonia!« mahnte Marlene streng. »Das ist deine Kusine Lea«, machte sie die beiden Kinder miteinander bekannt.

      Etwas steif kletterte Lea aus dem Fond und reichte Antonia freundlich die Hand.

      »Spielst du Tennis?« fragte sie mit anerkennendem Blick auf Antonias Kleidung.

      »Du etwa nicht? Das gehört doch zum guten Ton.« Antonia reckte selbstbewußt das Köpfchen. Sie entdeckte den Teddy, den Lea liebevoll an sich drückte.

      »Was hast du denn da für ein ekliges Stofftier?«

      »Das ist mein Teddy«, antwortete Lea arglos. »Den haben mir meine Eltern geschenkt, als ich zwei Jahre alt war.«

      »Sag bloß, du spielst noch mit Puppen.« Aus dem Mund einer Siebenjährigen hörte sich das nicht nur überheblich, sondern geradezu abstoßend an.

      So jedenfalls empfand es Marlene. Sie schob sich rasch zwischen die beiden Kinder und nahm das eine rechts, das andere links an der Hand. »Kommt, gehen wir ins Haus.«

      Während Lea sofort dazu bereit war, sträubte sich Antonia. »Ich wollte gerade mit Papa in den Club. Schau, da kommt er schon.« Tatsächlich stolzierte der korpulente Hausherr in diesem Moment stolz die Stufen herab.

      Bevor Marlene Gelegenheit hatte, ihr Töchterchen zu fragen, ob es nicht lieber mit Lea spielen wollte, war Piottas unangenehme Stimme zu hören.

      »Na, bist du auf deine Kosten gekommen, Marlene?« rief er herüber. »Man sagt den Nordländern und besonders den Schweden nach, daß sie im Bett ziemlich temperamentvoll sein sollen. Aber das trifft wohl doch eher auf die Damen zu.« Celestino lachte mek­kernd.

      »Ich komme von der Beerdigung meiner Schwester«, erinnerte Marlene peinlich berührt. In diesem Moment war sie froh, daß ihr Mann nur Italienisch sprach. Lea konnte seine häßlichen Äußerungen also nicht verstehen.

      Der feindselige Ton entging ihr trotzdem nicht. Betroffen sah sie auf den Onkel, der sich vom Chauffeur die Autotür öffnen ließ. Ihre Eltern hatten ein gutes, liebevolles Verhältnis zueinander. Daß es auch anders sein konnte, erfuhr Lea zum ersten Mal.

      »Arrivederci, mamma«, rief Antonia. Sie hatte sich losgerissen und ließ sich nun ebenfalls beim Einsteigen helfen. Hoheitsvoll wie eine Fürstin winkte sie mit den Fingerspitzen.

      Marlene hatte sich die Einführung der kleinen Nichte etwas anders vorgestellt. Sie war nicht nur enttäuscht, sie war schockiert, fühlte sich hilflos.

      Ihr Mann beeinflußte Antonia immer mehr, machte sie zu einem arroganten Mädchen, das durch seine Überheblichkeit abstoßend wirkte. Nie und nimmer würde er diesen Fehler einsehen. Es hatte überhaupt keinen Sinn, ihn daraufhin anszusprechen.

      Nicht nur Lea, auch Marlene fühlte sich in der Casa Piotta als Fremde, durfte es aber niemand merken lassen.

      »Jetzt zeige ich dir dein Zimmer, dann rufen wir deinen Papa an und sagen ihm, daß wir gut angekommen sind«, schlug Marlene gespielt munter vor.

      Lea ging folgsam an der Hand der Tante die Treppe hinauf. »Kann ich… darf ich denn nicht bei Antonia schlafen?« erkundigte sie sich dabei schüchtern. »Wir könnten dann abends noch miteinander reden,

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