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leben, ob jung ob alt, ob arm, ob reich. Man musste sich nur auf das einlassen, was man Liebe nannte.

      Roberta begann die Rosen auszupacken. Sie mussten jetzt unbedingt versorgt werden, wenn sie noch lange Freude an ihnen haben wollte. Die Rosen waren wunderschön, und ihre Anzahl überwältigte Roberta. Lars war verrückt, er musste ein Vermögen dafür ausgegeben haben. Sie fühlte sich ein wenig überfordert, weil sie nicht wusste, ob sie überhaupt so viele Vasen im Haus hatte, um sie unterzubringen.

      Sie hatte genügend Vasen, und nachdem sie alle Rosen untergebracht hatte, setzte sie sich überwältigt hin und betrachtete mit klopfendem Herzen die ganze Pracht.

      Rote Rosen …

      Viele rote Rosen …

      Roberta war aufgeregt wie ein kleines Mädchen zu Weihnachten, dem man einen Herzenswunsch erfüllt hatte. Es waren nicht nur die roten Rosen, die sie so unendlich glücklich machten, nein, es war vielmehr die Tatsache, dass zwischen ihr und Lars die Welt wieder in Ordnung war. Ein Leben ohne ihn wäre schrecklich gewesen. Gut, sie musste ihn mit Eisbären, mit Vulkanen, mit Highlandtigern und was auch immer teilen. Aber wenn er da war …

      Ihr Gesicht bekam einen verträumten Ausdruck, und dann erinnerte sie sich an etwas.

      Der Ring!

      Sie hatte ihn in einem Anflug von Zorn abgelegt. Der gehörte nirgendwohin als an ihren Finger, und auch wenn er nicht als Symbol für ein Eheversprechen galt, so war er immerhin von Lars, und er war wunderschön.

      Roberta rannte in ihr Schlafzimmer, wo der Ring auf dem Nachttisch lag, sie steckte ihn wieder an ihren Finger und schwor sich, ihn niemals mehr abzusetzen. Und dann hatte sie noch etwas zu tun!

      Sie war sich sicher, dass Lars jetzt wieder für sie erreichbar war, daran gab es nach dem Brief, nach den Rosen, überhaupt keinen Zweifel.

      Ehe sie ihm eine Nachricht sandte, las sie seinen Brief noch einmal durch, der schon ganz zerknittert war und deutliche Gebrauchsspuren trug, dann warf sie einen verklärten Blick auf die roten Rosen.

      Sie überlegte nicht lange, und sie machte auch nicht viele Worte.

      »Mein Liebster, danke. Auf ewig Dein, Roberta.«

      Im Gegensatz zu seinem Brief waren das eher spärliche Worte, doch sie war einfach nicht in der Lage, ihm jetzt mehr zu schreiben. Er kannte sie, es musste reichen. Es war auf jeden Fall besser, eine Nachricht kurz und knapp abzufassen als mit vielen Worten wenig zu sagen.

      Roberta fasste einen Entschluss. Sie würde heute das Haus nicht mehr verlassen, und sie würde sich auch keine Patientenakten mehr ansehen.

      Sie würde von Lars träumen, seinen Brief lesen, sich die Rosen ansehen …

      Das Leben war schön!

      *

      Hannes war weg, er hatte seine Geschäfte erfolgreich abgewickelt, und vermutlich war er jetzt bereits auf seinem Weg, der ihm Klarheit bringen sollte oder was immer er auch davon erwartete, dem berühmten Jakobsweg.

      Inge hatte sich daran gehalten, zunächst nichts von ihrem Gespräch zu sagen, sie war sogar länger still gewesen, als sie es mit Hannes vereinbart hatte. Auch wenn sie ein schlechtes Gewissen deswegen hatte, fühlte es sich richtig an, sie musste alles erst einmal für sich verarbeiten.

      Es war wie ein Blitz aus heiterem Himmel gekommen, und sie hätte niemals damit gerechnet, dass er sein Leben in Aus­tralien aufgeben würde.

      Hannes war stark und klar. Er schien es weggesteckt und sich damit abgefunden haben.

      Inge war sich nicht sicher, ob es wirklich so war, man konnte einem Menschen immer nur vor den Kopf sehen, niemand wusste, wie es in ihm aussah. Außerdem war Hannes sehr rücksichtsvoll, Inge war sich sicher, dass sie nicht die ganze Wahrheit kannte.

      Heute auf jeden Fall wollte sie ihr Schweigen brechen, sie wollte wenigstens mit ihrer Mutter darüber reden, die konnte es dann weitergeben, und sie selbst würde den richtigen Zeitpunkt abpassen, mit Werner zu reden. Sie hatten keine Geheimnisse voreinander, aber manchmal war es ratsam, nicht sofort mit der ganzen Wahrheit herauszukommen.

      Da sie einen Schlüssel besaß, stand Teresa von Roth plötzlich im Raum. Inge hatte es nicht mitbekommen, weil sie in ihre Gedanken versunken gewesen war, sie zuckte zusammen, als ihre Mutter sich erkundigte: »Da bin ich, mein Kind, was hast du mir zu sagen?«

      So war sie, ihre Mutter, immer direkt.

      »Mama, setz dich erst einmal, möchtest du Tee oder Kaffee? Und wie ist es mit einem Stückchen Kuchen? Oder hättest du lieber Kekse?«

      »Inge, ich bin nicht zum Kaffeeklatsch gekommen, später trinke ich vielleicht einen Kaffee, zunächst möchte ich von dir erfahren, weswegen ich hier bin. Was ist wichtig, so wichtig, dass du es mir am Telefon nicht sagen wolltest?«

      Inge wäre es lieber gewesen, sie wären es langsam angegangen, sie würde liebend gern erst einmal einen Kaffee trinken, doch sie traute sich nicht, sich jetzt einen zu holen. Sie war zwar eine erwachsene Frau, die Kinder und Enkelkinder hatte, das besagte nichts. Man blieb immer Kind.

      Also kam Inge ohne Umschweife auf das Thema, weil sie dadurch die Chance hatte, früher ihren heiß geliebten Kaffee zu bekommen.

      »Mama, ich möchte mit dir über Hannes reden, und es wäre nett, du würdest danach Papa informieren. Hannes macht gerade eine ziemliche Krise durch, ihm ist gerade sein Leben um die Ohren geflogen, und er befindet sich derzeit …«

      Inge kam überhaupt nicht dazu, ihren Satz zu beenden. Ihre Mutter sprach dazwischen und sagte: »Auf dem Jakobsweg, ich finde, das ist eine gute Entscheidung.«

      Inge starrte ihre Mutter an.

      »Mama …, du … du weißt es …, aber woher?«

      »Von wem wohl, von Hannes natürlich. Er bekam wohl ein schlechtes Gewissen, weil er Papa und mir nichts gesagt hat, und deswegen hat er uns über alles informiert. Ja, es ist schon ein ziemlich starker Tobak, was gerade in seinem Leben los ist.

      Doch Hannes wird es packen. Um den Jungen müssen wir uns keine Sorge machen. Und wie heißt es doch so schön? Wenn eine Tür sich schließt, dann öffnet sich eine andere. Das ist ein Satz, den ich voll unterschreiben kann. So war es in unserem Leben auch, es war voller Brüche, Veränderungen. Wir sind nicht daran zerbrochen, es hat uns stark gemacht. Man lernt, mit Krisen umzugehen, wenn man sich nicht in sein eigenes Elend hineinsteigert, jammert und glaubt, vom Schicksal benachteiligt zu sein. Wir haben alle unser vorbestimmtes Leben, den einen Menschen trifft es mehr, den anderen weniger. Und viel Geld zu besitzen, das ist, weiß Gott, kein Allheilmittel. Hannes ist aus dem richtigen Holz geschnitzt, er ist ein großartiger junger Mann, und wer weiß, welche Chancen sich ihm noch eröffnen. Er ist jung, die Welt steht ihm offen.«

      Teresa blickte ihre Tochter an. »Inge, mach kein so sorgenvolles Gesicht, alles wird gut. Du könntest durchaus auch ein wenig optimistischer sein. Das kann niemals schaden. So, wenn es das war, dann können wir uns jetzt dem geselligen Teil zuwenden. Jetzt würde ich gern einen Kaffee trinken, und gegen ein Stück Kuchen hätte ich ebenfalls überhaupt nichts einzuwenden.«

      Inge sprang auf, rannte zu ihrer Kaffeemaschine, Kaffee …

      Sie kam sich vor wie eine Verdurstende, die lange durch die Wüste gelaufen war und nun mit allerletzter Kraft die rettende Oase erreicht hatte.

      Ihre Eltern wussten es also, und sie hatten sich nicht dazu geäußert. Wäre das bloß geschehen, das hätte bei ihr manch schlaflose Nacht verhindert. Aber Hannes und die Großeltern, die waren eine ­verschworene Gemeinschaft, ebenso wie Pamela und Omi und Opi. Es war auch nicht anders mit Ricky und Jörg.

      Großeltern waren abgeklärter, sie befanden sich auf einer Einbahnstraße und hatten längst erkannt, dass das Leben viel zu kurz war, um es sich schwer zu machen. Im Alter wurde man nachsichtiger, einsichtiger, toleranter.

      Inge wirbelte herum.

      »Mama, ich gehe mal davon aus, dass Pam längst eingeweiht ist,

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