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ist ein öffentlicher Weg, und da kann ich herumstehen, solange ich will.«

      Nach diesen Worten wollte sie weitergehen, zumal Luna da wieder etwas erschnüffelt hatte und an der Leine zerrte.

      Die Frauenstimme hielt sie zurück, die Frau stieg sogar aus ihrem Auto aus.

      »Warten Sie«, rief sie, und am liebsten hätte Inge jetzt laut ein ›bitte‹ hinzugefügt. Sie verkniff es sich. Wenn diese Frau, was Gott verhüten möge, die neue Besitzerin des herrschaftlichen Anwesens werden sollte, dann war es besser, eine Konfrontation zu vermeiden. Geld schien diese Frau ja zu haben, sie hatte also gute Karten. Die Ruine der Felsenburg war noch immer ein sehr großer Anziehungspunkt. Nicht nur für die Bewohner des Sonnenwinkels, sondern auch für Fremde, die kamen, um um den See zu laufen, dort ihre Freizeit zu verbringen oder hinauf zur Felsenburg zu laufen und sich dort von den Spuren einer großen Vergangenheit gefangen nehmen zu lassen. Beim Grafen Hilgenberg war es, im Gegensatz zu früher, sehr eingeschränkt gewesen. Doch immerhin hatte er einen Zugang zur Felsenburg erlaubt, wenn auch von einer ganz anderen Stelle aus.

      Die Frau war sehr teuer gekleidet, das erkannte Inge auf den ersten Blick, auch wenn sie selbst sich aus Mode nicht viel machte und beim Kauf ihrer Kleidung niemals auf das eingenähte Label achtete. Für sie musste alles von guter Qualität sein, es musste ihr vor allem gefallen, und das Preis-Leistungsverhältnis musste stimmen. Darum machte sich diese Fremde gewiss keine Gedanken, wenn man sich allein den Sportwagen anschaute, für das Geld, das der gekostet haben mochte, bekam man gewiss eine kleine Eigentumswohnung.

      Inge blickte die Frau an, sie war nicht mehr ganz jung, und ihrem Gesicht war anzusehen, dass daran ordentlich gearbeitet worden war.

      »Was kann ich für Sie tun?«

      Die Frau antwortete mit einer Gegenfrage.

      »Wohnen Sie hier?«

      Das konnte Inge bestätigen, und darauf war sie auch sehr stolz.

      »Es wohnt sich hier sehr gut, und die Siedlung wurde von einem sehr bekannten Architekten erbaut und wurde auch mehrfach ausgezeichnet. Bedingt durch die Lage, den See hat man hier eine sehr hohe Lebensqualität. Doch Sie sind doch gewiss nicht an einem Haus in der Siedlung interessiert, sondern Ihr Interesse gilt dem Herrenhaus, dem gesamten Anwesen dort oben.«

      Die Frau wollte ihr eine Antwort geben, doch da kam ein weiteres Auto angefahren, hielt neben ihnen. Es war ein dunkelgrauer Geländewagen, wie man sie immer häufiger auf den Straßen sah.

      Ein junger Mann in feinstem grauen Zwirn sprang elastisch aus dem Wagen, kam auf sie zu und rief entschuldigend: »Es tut mir unendlich leid. Kurz vor Hohenborn gab es einen nicht vorhersehbaren Stau.«

      Er gab zuerst Inge die Hand, dann der aufgetakelten Frau.

      »Gernot Beckmann, ich bin von dem mit dem Verkauf des Anwesens beauftragten Maklerbüro.«

      Dann begann er schon jetzt alles anzupreisen, Inge kannte das Anwesen sehr gut, doch all diese hochtrabenden Worte wären ihr niemals eingefallen. Es war höchste Zeit, dass sie ging, zumal Luna immer unruhiger wurde.

      »Ich gehöre nicht dazu«, sagte sie rasch, dann nickte sie der Frau und dem Makler zu und ging. Er sah ihr ein wenig konsterniert nach, denn hätte er das gewusst, dann hätte er die Frau nicht begrüßt, schon gar nicht zuerst.

      Auf jeden Fall schien dieser junge Mann schon mal hier gewesen zu sein, denn nach kurzem Reden mit der Frau stieg die zu ihm in den Geländewagen, nachdem er die Absperrung beseitigt hatte.

      Zumindest war das eine vernünftige Entscheidung gewesen, denn die Frau wäre mit dem Sportwagen unweigerlich stecken geblieben. Und sollte sie das Anwesen tatsächlich erwerben, dann musste sie sich ein anderes Auto zulegen.

      Inge war nicht neugierig, doch es interessierte sie schon, was diese Frau wohl mit dem Besitz vorhaben mochte. Sie passte so überhaupt nicht hierher.

      Luna zerrte an der Leine, sie hatte wieder einmal etwas entdeckt, und das begann Inge zu nerven, so gern sie den Hund auch hatte.

      »Luna, jetzt ist es genug, jetzt bleibst du gefälligst an meiner Seite. Wenn wir in das Wäldchen kommen, dann lasse ich dich meinetwegen von der Leine, aber bis dahin benimm dich gefälligst.«

      Luna blieb stehen, blickte Inge an, bellte kurz.

      Konnte man diesen wunderschönen braunen Augen widerstehen?

      Inge auf jeden Fall konnte es nicht. Sie griff in ihre Jackentasche und holte daraus ein paar Leckerli hervor.

      Luna winselte vor Freude, und Inge stellte wieder einmal fest, wie klug die Hündin doch war. Sie wusste, wie sie alle herumkriegen konnte, und nicht nur sie fiel immer wieder darauf herein.

      Nachdem Luna ihr Leckerli gefressen hatte, blieb sie ganz brav an Inges Seite, und die hatte endlich Zeit, nachzudenken, nicht über diese Frau. So interessant war die nun auch nicht, und niemand von den Anwohnern hier hatte einen Einfluss darauf, wer den Zuschlag bekommen würde. Das war bei Marianne von Rieding und deren Familie schon anders gewesen. Sie hätten nicht an jedermann verkauft, obwohl sie keine enge Bindung an das Anwesen hatten. Marianne und ihre Tochter Sandra hatten es geerbt und es vorher niemals betreten, weil ein störrischer alter Mann nicht verkraften konnte, dass sein Sohn aus Liebe eine Bürgerliche geheiratet hatte, nämlich Marianne. Und nachdem der, verfeindet mit seinem Vater, früh verstorben war, hatte der alte Herr sich vor seinem Tod besonnen und seine Schwiegertochter und seine Enkelin als Erbinnen eingesetzt.

      Wenn man so wollte, ruhte auf dem Anwesen kein Segen. Marianne, ihr Carlo, der berühmte Architekt Heimberg, der den Sonnenwinkel gebaut und dafür die Preise eingeheimst hatte, Sandra und ihre Familie lebten auf jeden Fall auf der riesigen geerbten Farm in Amerika freier und unbeschwerter. Inge gönnte ihnen auf jeden Fall ihr neues Glück, obwohl es schön gewesen war, als diese Bewohner noch da oben gelebt hatten. Man war sich nahe gewesen, und vor allem für Pamela gehörte das zu ihrer Kindheit.

      Und sie weinte ihrem Freund aus der Kinder- und Jugendzeit noch immer nach. Es war schon bitter, dass Manuel sich nicht mehr meldete und alles, was gewesen war, vergessen zu haben schien.

      So war das Leben. Nichts war für die Ewigkeit bestimmt.

      Bei den Gedanken an früher wurde Inge ein wenig wehmütig.

      Sie besaßen diese wunderschöne Villa, die schon vor dem Bau der Siedlung im Sonnenwinkel gestanden hatte. Was würde aus der werden, wenn sie und Werner mal nicht mehr waren?

      Ricky, als Erstgeborene, hatte mit ihrem Fabian ihr eigenes Leben außerhalb des Sonnenwinkels, und es war nicht anzunehmen, dass die noch einmal zurückkehren würden. Außerdem hatten sie ja noch ihr Haus hier, das sie nach ihrer Heirat bezogen hatten.

      Jörg hatte seinen neuen Lebensmittelpunkt in Stockholm, er hatte mehr als nur einmal zum Ausdruck gebracht, dass das Elternhaus für ihn niemals eine Option sein würde. Hannes? Nein, es war kaum denkbar. Nach dem Abitur hatte er eine Weltreise von fast einem Jahr gemacht, danach in Australien gelebt, wo er immer noch leben würde, hätte es nicht diese Verletzung gegeben, die es ihm unmöglich machte, so zu leben wie bisher, in einer Surf- und Tauchschule, als Werbeträger für ein besonders beliebtes Surfbrett.

      Inge wurde ganz wehmutsvoll zumute, wenn sie daran dachte, dass er jetzt den Jakobsweg entlanglief, um sich zu finden, was die Freundin der Frau Doktor auch gerade machte. Seit es dieses Buch gab, zog es Gott und die Welt auf den Weg, es war eine richtige Modeerscheinung geworden, dann mal loszuziehen.

      Wie auch immer, für sie wäre es nichts. Hier und dann in den Urlaub, das reichte ihr. Sie kam immer wieder sehr gern nach Hause, und hier wollte sie auch bleiben, bis man sie irgendwann einmal hinaustragen würde. Das war ihr Wunsch, doch wie sie aus eigener Erfahrung wusste, gingen Wünsche nicht immer in Erfüllung, das Leben war halt kein Wunschkonzert, man musste nur so richtig krank werden, und schon war alles vorbei.

      Daran wollte sie jetzt nicht denken, das würde sie nur traurig machen.

      Pamela …

      Die liebte den Sonnenwinkel über

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