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dem Auto gekommen war, konnte sie den leckeren Wein, den sie so mochte, leider nicht bestellen. Aber das machte nichts. Es gab hier ein sehr gutes italienisches Mineralwasser, das man bereits bei dem vorherigen Wirt trinken konnte. Julia Herzog hatte gut daran getan, es ebenfalls aufzunehmen, obwohl es ein wenig teurer war und manche Gäste deswegen meckerten. Aber was sollte es, man konnte es eh nicht allen Leuten recht machen.

      Teresa saß an einem hübschen kleinen Tisch am Fenster und hatte einen guten Blick auf viele der Tische. Sie liebte es, Leute zu beobachten. Und deswegen fiel ihr auch gleich eine Veränderung an Julia Herzog auf.

      »Meine Liebe, Sie strahlen richtig. Freuen Sie sich so sehr, weil Ihr Restaurant jetzt immer gut besucht ist. Glauben Sie mir, Frau Herzog, darüber sind nicht nur Sie glücklich. Anfangs lief es ja wirklich nicht.«

      Julia nickte.

      »Darüber möchte ich nicht mehr nachdenken, nicht mehr über die vielen schlaflosen Nächte, in denen ich mir Gedanken machen musste, ob und wie es am nächsten Tag weitergehen würde. Es ist vorbei. Und auf einmal scheine ich wirklich in jeder Hinsicht auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen, Frau von Roth … da gibt es etwas, was ich Ihnen unbedingt gleich erzählen möchte. Es ist unglaublich, und ich hoffe nur, Sie haben genug Zeit mitgebracht, denn zwischendurch muss ich mich ebenfalls um die übrigen Gäste kümmern, obwohl ich, ehrlich gesagt, am liebsten bei Ihnen sitzen bleiben würde, um Ihnen alles zu erzählen, was sich ereignet hat. Es ist viel, es ist wunderschön, und ich ersticke daran, wenn ich es nicht endlich jemandem erzähle.«

      Jetzt war Teresa neugierig. Sie behielt die Wirtin im Auge, und auf einmal war ihr klar, dass es für das Strahlen der jungen Frau nur eine einzige Erklärung gab.

      Julia Herzog war bis über beide Ohren verliebt, und das sagte Teresa ihr auch auf den Kopf zu, als Julia das nächste Mal vorbeigehuscht kam.

      Julia war so perplex, dass sie sich erst einmal hinsetzen musste.

      »Frau von Roth, woher wissen Sie das?«

      Teresa lächelte fein.

      »Man sieht es Ihnen an, mein Kind. Und schließlich war ich ebenfalls einmal jung, auch wenn das schon lange zurückliegt. Ich kann mich aber dennoch sehr gut daran erinnern, wie es sich anfühlt, wenn man Schmetterlinge im Bauch hat.«

      Für einen Augenblick lang war Julia Herzog nicht mehr die aufmerksame, um all ihre Gäste gleichermaßen bemühte Wirtin, sondern sie war eine junge Frau, die tatsächlich bis über beide Ohren verliebt war.

      »Stellen Sie sich das bloß einmal vor, Frau von Roth«, platzte es aus ihr heraus, »er war einfach da.«

      Dann erzählte sie die unglaubliche Geschichte von dem Gast, der mittags plötzlich aufgetaucht war, um zu essen, ja, doch in erster Linie hatte er nach ihr gesucht und war unendlich froh, sie gefunden zu haben.

      »Und als er mir sagte, woher er mich kannte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Er war der Journalist, der damals, als ich den Stern für meine Kochkünste bekam, ein Interview mit mir machen wollte. Das lehnte ich ab, weil er mich verwirrte und ich keine Komplikationen haben wollte. Ich hatte gerade eine sehr unangenehme Trennung hinter mir und wollte mit Männern nichts zu tun haben. Man konnte dran fühlen, dass es für mich nicht gut sein würde, mehr Zeit mit diesem Mann zu verbringen.«

      »Doch manchmal kann man sich irren«, fügte Teresa hinzu, »und seinem Schicksal entgeht man nicht, auch wenn es manchmal sehr seltsame Wege geht. Er war auch von Ihnen fasziniert, nicht wahr? Und deswegen hat er sich auf den Weg gemacht. Ach, Frau Herzog, was für wundervolle Geschichten das Leben manchmal schreibt. So etwas kann man sich nicht ausdenken. Ich freue mich für Sie, ich freue mich sehr.«

      Julia erzählte von ihrem Daniel, und dabei hatte sie ganz glänzende Augen. Und es war ihr anzusehen, wie sehr sie es bedauerte, sich wieder um die anderen Gäste kümmern zu müssen. Sie war zwar verliebt, doch sie war auch die Wirtin des ›Seeblicks‹, und das durfte sie nicht vergessen, wollte sie auch nicht.

      Sie ließ sich nicht anmerken, wie es in ihr aussah, und es bekam auch niemand mit, außer Teresa von Roth vielleicht, dass sie in Gedanken bei ihrem Daniel war, der mit ihr die Straße des Lebens gemeinsam gehen wollte. Ohne Eile, mit viel Neugier und mit sehr, sehr viel Gefühl.

      Sie war ein Glückspilz, und das, was sich augenblicklich bei ihr abspielte, das hätte sie nicht in ihren kühnsten Träumen voraussehen können, ein gut gehendes Restaurant mit sehr netten Gästen und einen Mann, in den sie sich auf den ersten Blick verliebt hatte. Jetzt konnte sie es zugeben, schließlich war es Daniel nicht anders gegangen.

      Und er war in ihr Leben hineingeschneit, wie der Prinz, den sich alle Frauen ersehnten. Einen kleinen Schönheitsfehler hatte das Bild … er war ohne Pferd gekommen!

      Das Leben war schön …

      *

      Inge Auerbach machte einen Spaziergang, und sie war ganz stolz auf sich, dass sie sich immer öfter dazu aufraffte.

      Heute allerdings ging sie nicht zum See, obwohl das ein wunderschöner Weg war und manche Leute sogar aus der Ferne kamen, um den Sternsee zu umrunden.

      Es hatte in den letzten Tagen geregnet, und die Wege waren noch immer aufgeweicht.

      Wenn Inge ehrlich war, so hatte sie das als Grund angesehen, nicht laufen zu müssen. Doch dann hatte sie ihren inneren Schweinehund überwunden, und jetzt war sie froh, unterwegs zu sein. Und auch Luna, die wunderschöne weiße Labradorhündin freute sich, dass es mal etwas anderes zu schnüffeln gab. Sie war ganz aufgeregt, und Inge musste hier und da stehen bleiben, weil Luna einfach nicht weitergehen wollte, ehe sie nicht alles erkundet und erschnuppert hatte.

      Sollte Luna, Inge war nicht in Eile, und sie hatte auch überhaupt kein Ziel vor Augen.

      Als sie den Privatweg erreichte, der hinauf zu dem herrschaftlichen Anwesen führte, blieb sie stehen, und leichte Wehmut machte sich in ihr breit. Der Weg war abgesperrt, und das große Verkaufsschild einer bekannten Maklerfirma, die sogar international arbeitete, war nicht zu übersehen. Das Anwesen samt der alles überthronenden Felsenburg wurde zum Verkauf angeboten.

      Nachdem die Vorbesitzer alles verkauft hatten, war nicht vorherzusehen gewesen, dass der Graf Hilgenberg sich so schnell wieder von allem trennen würde. Er hatte lange nach einem derart repräsentativen Besitz gesucht und war sehr glücklich gewesen, ihn endlich gefunden zu haben.

      Wie lautete noch mal der Spruch, der so simpel und doch so zutreffend war?

      »Du machst deine Pläne, und der liebe Gott lacht sich kaputt.«

      Das Schicksal mischte immer wieder die Karten neu, und dann wurden auch jahrhundertalte Hausgesetze außer Kraft gesetzt.

      Mathias von Hilgenberg hatte sehr darunter gelitten, der Zweitgeborene zu sein, und sein älterer Bruder wäre unter der Last beinahe zusammengebrochen, plötzlich der Chef der Hilgenbergs zu sein und die Verantwortung dafür zu haben, den Besitz, einschließlich des Schlosses, für die nächste Generation zu bewahren. Er war krank geworden, und das hatte alles verändert. Mathias war an seine Stelle getreten, und für ihn erfüllte sich ein Traum. Er hatte leichten Herzens alles hier aufgeben können.

      Und es ging die Bewohner des Sonnenwinkels zwar nichts an, wie es weitergehen würde mit dem Besitz und dem Wahrzeichen, der Felsenburg. Aber es interessierte alle schon, was sich da oben tun würde. Da schloss Inge sich nicht aus.

      Sie war noch in ihre Gedanken versunken, als neben ihr mit quietschenden Bremsen ein teurer roter Sportwagen hielt. Er war tiefergelegt, und Inge fragte sich unwillkürlich, ob er es bis oben schaffen würde. Autos dieser Art waren entweder für Rennen geschaffen oder für ›Gesehenwerdenfahrten‹ auf exklusiven ebenen Straßen.

      Sie blickte zur Seite. Es wurde eine Fensterscheibe heruntergekurbelt, und eine arrogant klingende Frauenstimme erkundigte sich: »Sind Sie die Maklerin?«

      Oh Gott, das war eine Interessentin für den Besitz.

      »Tut mir leid.«

      »Und warum stehen Sie dann hier herum?«

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