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      Daran zu denken tat nur weh.

      Warum tat sie sich das immer wieder an, sich diesen selbstquälerischen Gedanken hinzugeben? Warum akzeptierte sie nicht, dass es aus und vorbei war, sie und Joe so etwas waren wie die Königskinder, die nicht zueinander kommen sollten.

      Wenn sie nicht endlich damit aufhörte, sich an diese aussichtslose Liebe zu klammern, dann musste man kein Hellseher sein, um ihr vorauszusagen, dass sie als alte Jungfer sterben würde.

      Sie idealisierte etwas, was bei einer einzigen Begegnung entstanden war. Sie hatte mit Joe nicht eine einzige Stunde Alltag miteinander geteilt. Vielleicht passten sie überhaupt nicht zusammen, langweilten sich im normalen Leben.

      Und sie klammerte sich daran fest, dass Joachim von Bechstein seinen Arbeitsvertrag bei den Scheichs in den Vereinigten Emiraten vermutlich verlängern wollte.

      Sie versuchte sich einzureden, dass er es ihretwegen tat, dass seine Seelenliebe zu ihr auch noch da war, dass er seiner Braut Benita ausweichen, sie nicht heiraten wollte.

      Das waren ihre ureigensten Phantastereien, für die es nicht eine einzige Bestätigung gab, und auch wenn ihre Schwester Sabrina sagte, dass Benita sauer auf ihren Verlobten war, der sich bei ihr auch kaum meldete, war das bedeutungslos.

      Wäre sie, Alexandra, was Joe anbelangte, so realistisch wie sonst in ihrem Leben, dann hätte sie sich schon einmal die Frage stellen müssen, warum er sich bei ihr nicht meldete, um wenigstens einmal vorsichtig vorzufühlen, ob überhaupt ein Interesse ihrerseits bestand.

      Alexandra hatte ihr Büro gerade erreicht, als ihr Telefon klingelte, und darum war sie sehr froh, denn das lenkte sie von Joe ab und den Gedanken, die doch ohnehin alle in einer Sackgasse landeten und bei ihr ein Gefühl tiefster Traurigkeit hinterließen.

      Es war ihre Schwester Sabrina.

      »Sind Mama und Papa schon angekommen?«, wollte sie nach der Begrüßung wissen.

      Und als Alexandra das bestätigte, fragte sie: »Und warum hast du dann noch nicht angerufen, um mir das zu sagen?«

      Alexandra setzte sich, lehnte sich in ihrem bequemen Stuhl zurück.

      »Hey, Sabrina, langsam mit den Pferden. Mama und Papa sind gerade erst eingetroffen, und ich bin soeben in mein Büro zurückgekommen.«

      »Dass du nicht da warst, habe ich bemerkt«, beschwerte Sabrina sich. »Ich habe ewig durchklingeln lassen und wollte gerade schon wieder auflegen. Aber sag mal, wieso bist du im Büro und nicht bei Mama und Papa?«

      »Weil es Mama nicht so gut geht und Papa sie erst mal nach oben gebracht hat, damit sie sich ein wenig hinlegen kann.«

      »Ach ja, die arme, arme Mama«, seufzte Sabrina bekümmert. »Sie schwächelt schon die ganzen letzten Tage, und schuld daran ist nur dieser nichtsnutzige Ingo, dem ich, wenn ich könnte, am liebsten den Hals zudrehen würde.«

      »Sabrina, ich bitte dich«, rief Alexandra entsetzt, »du sprichst über deinen Bruder.«

      »Halbbruder, genauer gesagt, Ex-Halbbruder, denn ich will mit ihm nichts mehr zu tun haben, bei mir ist er durch bis zum nächsten Kaisermanöver, und wie du weißt, wird es das nicht mehr geben, und deswegen ist dieser Ingo für mich das Never-Come-Back-Programm.«

      »Sabrina, sei nicht so hartherzig, in Wirklichkeit bist du doch überhaupt nicht so. Man muss auch verzeihen können.«

      »Das kann ich sehr wohl, Schwesterlein, aber Ingo, der hat den Bogen überspannt. Was der uns alles angetan hat. Der Krug geht zum Brunnen bis er bricht, und genau das ist geschehen …, wenn ich sehe, wie sehr Mama leidet.«

      »Das stimmt, Sabrina. Aber sag, was ist geschehen, dass das Leid jetzt wieder besonders stark ist? Mama war doch schon ganz gefestigt und hatte sich mit der Situation arrangiert.«

      »Es ist seit der Entführung von Michelle«, sagte Sabrina. »Da hat er den Helden gespielt, und Mama und du, ihr habt ihn doch gleich wieder angebetet und auf einen Sockel gestellt, dabei war es doch wohl das Wenigste, was er für seine Tochter, um die er sich nicht kümmert, tun konnte. Die Entführer waren schließlich seine Freunde.«

      »Sabrina, das waren sie nicht, es waren Leute … Na ja, welche von denen, die …, verflixt noch mal, Ingo war in schlechte Gesellschaft geraten. Bitte, lass uns das jetzt nicht mehr aufwärmen, rückgängig machen können wir eh nichts. Ich für meinen Teil glaube auf jeden Fall daran, dass Ingo sich bessert, dass er in seinem Leben wieder andere Prioritäten setzt. Es ist doch schon anerkennenswert, dass er sich für diese Therapie zur Bekämpfung seiner Spielsucht entschlossen hat. Sein leiblicher Vater Wolf von Dommeln, der auch dieses üble Spielergen hat, hat nichts in dieser Hinsicht unternommen, und der fristet jetzt sein Dasein als Sozialhilfeempfänger. Ingo hat zum Glück rechtzeitig die Reißleine gezogen, um nicht auch so zu enden.«

      »Alexandra, Alexandra, du siehst immer nur das Gute in einem Menschen, irgendwann wirst du als so eine Art Mutter Theresa in die Geschichte eingehen. Erst mal gibt es kein Spielergen, es gibt nur leichtfertige Menschen, und es scheint wohl so zu sein, dass es in jeder Familie ein schwarzes Schaf gibt. Bei den von Dommelns, einem ehrbaren Adelsgeschlecht, ist es ganz offensichtlich dieser Wolf, der irgendwann Mama geschwängert und sich der Verantwortung entzogen hat. Wir haben Ingo, der unseren Namen in Misskredit bringt, ohne überhaupt ein echter Waldenburg zu sein. Er sollte unseren Namen ablegen, ehe er ihn weiter beschmutzt, aber was dann? Die von Dommelns wollen ihn auch nicht haben, sie haben an einer tauben Nuss genug. Du glaubst doch wohl, dass Ingo längst versucht hat, sich dort einzuschleichen. Aber die sind halt nicht so dumm wie unser Papa, der ihn erzogen und geliebt hat wie seinen eigenen Sohn und der jetzt noch seine schützende Hand über ihn hält, warum hätte er sonst hunderttausend Euro Spielschulden übernommen, und warum hat er ihn nicht angezeigt, als er in den Waldenburgschen Wäldern herumgeräubert hat, und warum hat Papa es so lange hingenommen, dass Ingo leichtfertig die Konten abgeräumt und die Kreditkarten zum Glühen gebracht hat? Ingo, Ingo …, seinetwegen bekomme ich noch ein Magengeschwür. Ich wollt, er würde auf Nimmerwiedersehen verschwinden, ich wollt, es hätte ihn nie in unserem Leben gegeben, dann wäre uns viel erspart geblieben, und die arme Mama würde jetzt nicht so fürchterlich leiden.«

      Alexandra ging auf das alles jetzt nicht ein, weil sie sehr genau wusste, dass es eine unendliche Geschichte war, solange nicht, durch Ingos wahre Läuterung oder was auch immer, Frieden einkehrte, und so griff sie nur die letzten Worte ihrer Schwester auf:

      »Sabrina, bring es auf den Punkt, warum leidet Mama jetzt wieder so sehr wie damals, als alles begann.«

      »Weil sie andauernd versucht, ihn zu erreichen. Jetzt, da er wegen Michelle sogar schon mal kurz auf Waldenburg war, hatte sie wohl gehofft, alles sei wieder Friede-Freude-Eierkuchen. Sie hat auch keine Angst mehr, Ingo könne seine Drohung wahrmachen und Mama und dir seine Anwälte auf den Hals hetzen, wenn ihr euch ihm noch mal nähert oder euch bei ihm meldet.«

      »Das wird er nicht mehr tun«, sagte Alexandra, und das war nicht nur so dahergesagt, das glaubte sie auch.

      »Das ist mir, ehrlich gesagt, wurscht. Auf jeden Fall kurbelt man sich die Finger wund, und sie hat ihm auch schon mehrfach geschrieben, klammheimlich, wie sie glaubte, aber ich habe es mitbekommen. Mama versteht sich nicht auf Heimlichkeiten, dafür ist sie eine viel zu ehrbare Person. Auf jeden Fall hüllt sich der gnädige Herr in Schweigen, und die arme Mama zerreißt es. Sie weiß ja, wie ich zu Ingo stehe, deswegen hält sie sich mir gegenüber zurück. Aber ich könnte darauf wetten, dass sie dich weichklopfen wird, mit ihr zu Ingo zu fahren. Das habt ihr ja schon mal, wenn auch vergebens und mit schrecklichen Folgen. Erinnere dich an Mamas Zusammenbruch, der so schlimm war, dass sie sogar im Krankenhaus gelandet ist … Alexandra, wenn Mama dich bittet, dann bleib hart. Rede ihr die Flausen aus dem Kopf. Ingo taugt nichts, es wird zu einer neuen Katastrophe kommen. Bleib hart«, wiederholte sie nochmals mit eindringlich klingender Stimme, »und fahre nicht mit ihr zu ihm.«

      Alexandra antwortete nicht sofort.

      »Alexandra, versprich es, um Mamas willen.«

      »Tut mir leid, Sabrina,

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