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      »Dazu haben Sie sich ein kleines Kalbssteak gewünscht, Frau von Waldenburg …, aber wirklich nur ein kleines, weil es Ihnen eigentlich in erster Linie auf die Kartoffeln ankommt.«

      »Ja, richtig«, erinnerte Alexandra sich, und jetzt lachte sie auch, und das aus zwei Gründen, zum einen, weil sie sich auf das Essen freute, und zum anderen, weil sie sich immer mehr in die grandiose Funktionsweise des menschlichen Gehirns hineindenken konnte. Beispielsweise war ihr nachhaltige Forstwirtschaft wichtig. Obschon es nicht ihre eigentliche Arbeit war, wusste sie doch, welche Bäume bleiben sollten, welche eventuell weichen mussten und das die zu fällenden Bäume angesprüht waren. So etwas war wichtig, das durfte nicht vergessen werden. Aber die Welt ging nicht davon unter, dass sie nicht mehr wusste, ob sie Rosmarinkartoffeln oder Spaghetti Bolognese zum Essen bekommen würde.

      Aber die Spaghetti Bolognese konnte sie sich eigentlich auch wieder mal wünschen.

      Alexandra nickte ihrer Köchin zu, doch ehe sie weiterging, erkundigte sie sich: »Und gibt es auch ein Dessert?«

      Monika lachte.

      »Ja, da habe ich mir etwas ausgedacht, Frau von Waldenburg. Aber das wird nicht verraten, soll eine Überraschung sein.«

      Sie wedelte mit ihrem Rosmarinsträußchen, ehe sie sich in Richtung Küche fortbewegte, während Alexandra die Treppe zu ihren eigenen Gemächern hinaufeilte.

      Monika war ganz große Klasse, sie war wirklich so etwas wie das Veilchen, das im Verborgenen blühte, und dort wäre sie bestimmt noch weiter gewesen, wenn Gesa nicht Knall auf Fall gegangen wäre.

      Bei dem Gedanken an Gesa erinnerte sie sich daran, dass sie deren Vorgängerin Klara fragen wollte, warum Gesa ihren Arbeitsplatz aufgegeben hatte.

      Gesa hatte sich nicht mehr gemeldet, während sie zu Klara noch immer ein gutes Verhältnis hatte, sie telefonierten miteinander.

      Aber Klara wäre ja auch nicht gegangen, wenn sie nicht die Verantwortung für ihre alten Eltern, Onkel und Tanten, die kleine Landwirtschaft und den Gasthof hätte übernehmen müssen.

      Nicht übernehmen müssen, übernehmen wollen war da wohl richtiger.

      Im Grunde genommen ging es Klara wie ihr, nur dass ihr Erbe gewaltiger war. Aber eines hatten sie gemeinsam, sie liebten ihre Heimat, wollten die Tradition fortsetzen und scheuten sich nicht, dafür mit Freude die Verantwortung zu übernehmen.

      Klara war schon ein ganz besonderer Mensch, wenn es nach Hubertus gegangen wäre, hätte sie sogar Gräfin werden können.

      Hubertus von Greven und Klara hatten viele gemeinsame Interessen, sie verband die Liebe zur Natur, und von gefährlichen Trekkingtouren, beispielsweise in Nepal oder Tibet, wussten sie um ihren starken Charakter, den man brauchte, um solche Abenteuer bestehen zu können.

      Das alles zu unternehmen traute Klara sich zu, Gräfin von Greven zu sein nicht. Deswegen hatte sie eine klare Grenze gezogen. Aber vielleicht hatte sie da auch bereits geahnt was auf sie zukommen ­würde. Klara wäre in ein ganz schönes Dilemma geraten, wenn sie Hubertus’ Werben nachgegeben hätte.

      Ihr Vater sagte immer, das Schicksal stellte einen ganz genau auf den Platz auf den man gehörte, und das stimmte schon.

      Sie hatte das Erbe der Waldenburgs angetreten, was nur wegen des Fehlverhaltens ihres Bruders Ingo eingetreten war.

      Alexandra blieb stehen, strich sich über die Stirn, als könne sie mit dieser Geste all die Gedanken vertreiben, die im Augenblick in ihr wild durcheinanderpurzelten.

      »Nein! Nein! Und abermals Nein!«

      Das reichte jetzt wirklich. Nun hatte sie genug in der Vergangenheit herumgekramt. Es war Zeit, sich wieder der Gegenwart zuzuwenden, die so schlecht gar nicht war …

      *

      In den nächsten Tagen war Alexandra ein wenig hin und her gerissen.

      Sie dachte schon an Hendrik Hoorgen, musste sie ja, denn die Blumen waren noch frisch wie am ersten Tag und standen da wie kleine Soldaten.

      Jemand vom Personal kümmerte sich offensichtlich hingebungsvoll um die Rosen. Sie musste zu ihrer Schande eingestehen, dass sie nicht so aussähen unter ihrer Obhut. Sie würde vermutlich vergessen die Rosen anzuschneiden, ihnen frisches Wasser zu geben.

      Mit Blumen verhielt es sich bei ihr wie mit dem Essen:

      Sie liebte es, verstand etwas davon, konnte aber nicht besonders gut kochen.

      Hendrik anzurufen hatte sie noch nicht über sich gebracht, weil sie nicht wusste, ob sie da etwas anfangen sollte, was zu nichts führte.

      Gab es da vielleicht doch etwas in ihr, was sie warnte, weil nicht ganz gewiss war, dass sie sich nicht doch in ihn verlieben könnte?

      Im Grunde genommen war das die einzige Erklärung, denn warum sonst eierte sie so herum?

      Freundschaften zwischen Männern und Frauen gab es, das beste Beispiel dafür war doch ihre Freundschaft zu Olaf Christensen, der mit ihrer Schwägerin Marion verbandelt war. Ehe die beiden zusammengekommen waren, hatten Olaf und sie auch ein wenig miteinander geflirtet, aber das war mehr oder weniger oberflächlich gewesen, zu einem Kuss oder mehr als einer freundschaftlichen Umarmung war es nie gekommen.

      Warum sollte es mit Hendrik Hoorgen nicht in diese Richtung gehen?

      Weil sie gerade solo war und sich in Wahrheit nach mehr sehnte als einer freundschaftlichen Beziehung?

      Dass sie so gern mal wieder den Satz – Ich liebe dich – hören wollte?

      Dass sie eine innige Umarmung spüren und in leidenschaftlichen Küssen versinken wollte?

      Alexandra seufzte.

      Welche Singlefrau sehnte sich nicht nach alledem, vor allem dann, wenn ringsum glückliche Paare waren – Marion und Olaf, Liliane und Mark, und ihre Freundin Rita hatte sich jetzt schon ein paarmal mit dem Rechtsanwalt Dr. Richter getroffen.

      Und da gab es noch als leuchtendes Vorbild ihre Schwester Sabrina, die überglücklich mit ihrem Ehemann Elmar war und den liebreizenden vier kleinen Töchtern Anna, Celia, Melanie und Elisabeth.

      Ja, das wünschte sie sich auch.

      Aber mit Hendrik Hoorgen?

      Nein, daran durfte sie überhaupt keinen Gedanken verschwenden. Hendrik eignete sich als Unterhalter, als Flirt vielleicht auch. Doch warum sollte sie mit ihm flirten, wo sie doch jetzt schon wusste, dass das alles nur unverbindlich bleiben konnte.

      Hendrik hatte eine Grenze gezogen, und das auch noch schriftlich dokumentiert.

      Alexandra als Frau ja, Alexandra als Gräfin und Schlossbesitzerin nein.

      Sie musste die Finger von ihm lassen, wollte sie sich nicht verbrennen.

      Und so war es am besten …

      Sie konnte diesen Gedanken nicht zu Ende bringen, denn in dieser Sekunde wurde die Tür aufgerissen, Fanny steckte den Kopf herein und rief ganz aufgeregt: »Graf Benno und Gräfin Elisabeth sind soeben eingetroffen. Sie wollen Ihre Eltern doch ganz gewiss als Erste begrüßen.«

      Und ob sie das wollte!

      Alexandra sprang auf, lief an der lächelnden Fanny vorbei, die für ihre junge Chefin durchs Feuer gegangen wäre. Nicht nur sie, das gesamte Personal liebte die junge Gräfin.

      Darum machte Alexandra sich allerdings jetzt keine Gedanken, sie stürmte vielmehr durch die riesige Halle und kam gerade an der schweren Eichentür an, als diese geöffnet wurde und ihre Eltern hereinkamen.

      Alexandra fiel ihnen abwechselnd lachend um den Hals.

      »Mama, Papa, wie schön, dass ihr endlich da seid, herzlich willkommen daheim«, rief sie glücklich.

      Benno von Waldenburg strich seiner jüngsten Tochter über das seidige Haar, während er gerührt sagte: »Ich wollte, wir würden überall so herzlich begrüßt.«

      Alexandra

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