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      Graines ist vor Schreck erstarrt. In seinem Gesicht steht sekundenlang ein ungläubiger, verstörter Ausdruck. Dann aber bewegt sich einer seiner Vettern. Der Mann will den Revolver anfassen, als der Alte fauchend sagt:

      »Faß ihn an, dann fällt Graines vom Pferd – und er wird tot sein, wenn er den Boden erreicht. Faß ihn nur an, Mister! Fort mit euch, verschwindet, ihr Heiden, sonst mache ich euch Beine! Und laßt euch hier nie wieder blicken.«

      Der Mann nimmt augenblicklich die Hand wieder hoch. In seinen Augen ist wie in denen seiner Verwandten plötzlich Haß.

      »So ist das!« sagt Zach Graines nach einigen Sekunden heiser. »So also? Nun gut, wir sehen uns wieder, ihr Hungerleider. Und dann werden wir herausfinden, wer hier ein Heide ist. Wir sehen uns wieder.«

      Er zieht mit einem Ruck sein Pferd herum, das anspringt und mit den anderen davonjagt. Der zerschossene Hut, auf den Rachel wie gebannt starrt, bleibt unbeachtet liegen.

      Erst der heftige, röchelnde Atemzug am Wagen läßt Rachel herumfahren.

      Matt Mendan steht noch mit dem Gewehr in der Faust am Wagen. Doch die Mündung der Waffe zeigt nun zu Boden. Das Gesicht des alten Mannes hat sich verfärbt. Er wird kreidebleich, während sich der Alte mit der linken Hand an den Hals faßt und sein seltsames Röcheln zu hören ist. Urplötzlich beginnt Matt Mendan zu schwanken. Er torkelt gegen den Wagen, versucht vergeblich, sich am Rad zu halten, und sinkt um.

      Rachels heller, entsetzter Schrei läßt nun von allen Seiten die Männer und Frauen herbeilaufen. Schon liegt Rachel Mendan auf den Knien, um den Kopf ihres Vaters anzuheben.

      »Dad – mein Gott, Dad«, stammelt sie erschrocken. »Dad, was ist dir?«

      Matt Mendans Glieder zucken. Er verdreht die Augen und versucht etwas zu sagen, aber es werden nur lallende Laute daraus.

      Einen Augenblick später ist Nathan Templar neben Rachel.

      Der große, sehnige Templar wirft nur einen Blick auf den zusammengesunkenen Alten, auf dessen Rat sie alle immer viel gegeben haben. Dann sagt er stockend:

      »Helft mir – wir bringen ihn in den Gemeinschaftsbau hinüber. Allmächtiger, er hat einen Schlaganfall bekommen vor Aufregung.«

      »Nat, er wird doch nicht sterben?« fragt Rachel zitternd. »Um Gottes willen, Nat, sage mir, ob es ernst um ihn steht?«

      »Das kann niemand sagen«, antwortet Templar gepreßt. »Rachel, so hart es sein mag, du hast uns alle, und wir lassen dich nie im Stich, das sind wir Matt schuldig. Geh zur Seite, wir müssen versuchen ihm zu helfen, so gut wir können.«

      Aber die Worte dringen wie aus weiter Ferne an Rachels Ohr. Plötzlich kommen ihr die Tränen, als man ihren Vater aufhebt und auf einem Wagenkastenbrett zum Gemeinschaftshaus trägt. Und nur der eine Gedanke ist in ihr:

      Er stirbt und läßt mich ganz allein.

      An die Drohung von Graines denkt in diesem Augenblick niemand. Aber sie sollen an sie erinnert werden, ehe sie richtig zur Besinnung gekommen sind.

      Um diese Zeit sind die Beziehungen der Mormonen in diesem Gebiet zur Regierung in Washington bis zum Zerreißen gespannt. Truppen sind unterwegs, um die Pläne der Mormonen, einen unabhängigen Staat auszurufen, niederzuschlagen.

      Das alles wissen die Ausgestoßenen dieses Tales nicht. Doch es soll keine drei Tage dauern, dann werden sie es erfahren.

      *

      Der Regen prasselt auf das Dach von Logans Haus. Wind weht böig um die wenigen Gebäude, deren Dächer noch fehlen. Nur hier und da ragen Dachsparren wie Gerippe in den wolkenverhangenen Himmel.

      Mrs. Martinsons sieben Monate altes Baby bekommt zwei Zähne und weint im Gemeinschaftsbau. Das Heulen des Windes läßt manchen Mann kaum schlafen.

      In der linken, von einer Decke abgeteilten Ecke, liegt Matt Mendan, immer noch ohne Bewußtsein und mit Fieber, auf einem einfachen Lager. Neben ihm kauert Rachel und lauscht seinem schweren Atem. Die Finsternis in dieser Ecke und das Geröchel stürzen Rachel seit drei Tagen in eine immer düsterere Stimmung.

      Irgendwo drüben steht Jackson brummelnd auf. Der untersetzte, stämmige Mann tritt an das offene Herdfeuer und greift nach der Kanne, um einen Schluck Kaffee zu trinken, als es geschieht.

      Es kommt wie das Krachen eines Blitzes durch die Nacht und wird auch von einigen für den Schlag eines Gewitters gehalten. Andere aber sehen entsetzt, wie Jacksons Hand herumgeschleudert wird. Im großen Raum des Gemeinschaftsbaues, der einmal als Vorratsscheune dienen soll, ist jäh ein Peitschen.

      In derselben Sekunde fliegt Jackson die Kanne aus der Hand und poltert scheppernd zu Boden.

      Herumgerissen und zu Tode erschrocken starrt Jackson auf das Ausschußloch in der Kanne. Das Blech steht gebogen nach außen. Drüben und rechts von ihm klirren unter Hieben die Scheiben in Stücke. Gewehrläufe richten sich auf die zum Teil am Boden liegenden Frauen, Kinder und Männer. Ehe jemand aufspringen oder zu einer Waffe greifen kann, fliegt die Tür mit einem Ruck auf.

      Jackson steht noch immer so, wie ihn die Kugel hingestoßen hat. Er blickt aus großen, entsetzten Augen auf die Tür und sieht ein halbes Dutzend Gestalten mit Umhängen, von denen das Wasser tropft, hereinstürmen.

      »Liegenbleiben – nicht aufstehen!« brüllt jemand in der Tür scharf. »Wer zur Waffe greift, wird erschossen! Niemand rührt sich!«

      Es kommt Jackson wie ein höllischer Spuk vor. Die Gestalten an der Tür wirken durch ihre Umhänge und die tief in die Gesichter gezogenen Hüte wie Banditen.

      Nun drängen noch mehr herein, und zu Jacksons Schreck bringen sie den gebundenen Logan mit. Logan hat nur Hose und Hemd an. Er trägt keine Stiefel, seine Kleidung ist klatschnaß, und das Wasser rinnt ihm aus den Haaren. Man hält ihn mit zwei Mann und stößt ihn einige Schritt vorwärts.

      »Damit ihr seht, daß wir seine Frau und die Kinder haben!« knarrt die Stimme von der Tür her. »Keine Narrheiten, ihr Hungerleider, sonst passiert den anderen etwas!«

      Logan steht, eine Gewehrmündung im Rücken, zusammengekrümmt und leichenblaß einige Schritte von der Tür entfernt.

      »Um Gottes willen, tut nichts!« sagt er hohl und fröstelnd. »Sie haben meine Familie. Sie klopften an die Tür – und ich ging hin, weil ich dachte, es wäre einer von euch. Das erste, was ich sah, war eine Gewehrmündung. Sie haben meine Familie, Freunde, es sind fünfzig Mann oder mehr draußen – versucht nur nichts.«

      Seine Stimme kippt über, als ihn der harte Stoß in den Rücken trifft. Logan fliegt nach vorn und landet auf allen vieren.

      Drüben ist Nat Templar hochgefahren und steht still. Plötzlich überfällt ihn die Vorahnung kommenden Unheils, als er Zach Graines mit schweren Tritten in den Raum kommen sieht. Auf den ersten Blick muß Templar erkennen, daß die Mormonen bis an die Zähne bewaffnet sind. Nicht nur, daß die meisten Mormonen zwei Revolver und ein Gewehr haben – einige tragen sogar Säbel umgeschnallt. Sie wirken auf Templar wie eine militärisch organisierte Einheit. Jenseits von Templars Standort peitscht der Regen durch eine zerschlagene Scheibe auf Mrs. Martinson und ihr weinendes Baby. Aus Angst vor den drohenden Gewehr- und Revolverläufen wagt sie es aber nicht, aus dem Bereich des hereinprasselnden Regens zu flüchten.

      Zach Graines, der einen breitrandigen Hut trägt, bleibt kurz hinter dem am Boden liegenden Logan stehen und sieht sich suchend um. Da er nicht hinter den Vorhang aus Decken in der Ecke blicken kann, sucht er Matt Mendan vergebens und poltert scharf los:

      »Wo ist dieser alte Mann Mendan – ich will ihn sehen! Wo habt ihr den Kerl versteckt?«

      Unwillkürlich blicken einige der Ausgestoßenen zur Ecke. Graines bemerkt die Blicke, wirft einem seiner Leute ein paar leise Worte zu und geht dann, gefolgt von seinen Vettern, los. Mit wenigen Schritten ist er am Vorhang. Er reißt ihn mit einer Verwünschung zur Seite und steht dann böse glotzend vor dem Lager des alten Mendan.

      Als er auf die neben dem Alten kniende

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