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»Nun aber aufpassen, Schuri! Der lahme Junge bleibt hier, die Eule geht wieder ... wohin anders, als zu Bakel und zu Herrn Rudolf, die zusammen beim Rotarm geblieben sind? Die Eule hat also hier bloß baldowern sollen, und heut abend soll was vorgehen, Herrn Rudolf aber haben sie sicher aus dem Wege geschafft, um freie Hand zu haben. – Ich denke weiter: wie die Dinge stehen, gehe ich am besten ... Hm, überlege ich, wenn aber inzwischen Bakel kommt? Am gescheitesten wäre es doch, du gingest zu Herrn Murph und stecktest es ihm! Da lauert aber der verfluchte lahme Junge an der Tür, sage ich mir, und wenn er dich sieht, so warnt er doch die Eule, und das kann alles verderben, zumal sich Herr Rudolf vielleicht doch anders besonnen hat und schon heute abend tun will, was erst morgen sein sollte. Nun ging ich ins Freie, um zu überlegen, zog meine Bluse aus, band mein Halstuch ab, ging in den Graben und nahm den lahmen Jungen beim Kragen, ohne mich an sein Geschrei zu kehren, und schnürte ihn in meine Bluse wie in einen Sack, den ich oben mit den Aermeln, unten mit dem Halstuche zusammenband und auf den Buckel nahm. Nicht lange, so komme ich an einen Gemüsegarten, um den eine kleine Mauer herum läuft. Ich packe meinen Sack und schleudere ihn über die Mauer in ein Rübenfeld. Freilich quiekt der lahme Junge wie ein Schwein, aber weiter als auf etwa zwei Schritte war seine Stimme doch nicht zu hören. Darauf mache ich mich schleunigst auf die Socken, bis ich zu einem Baume komme, von dem aus sich Ihre Tür überblicken läßt. Keine zehn Minuten, so hörte ich Schritte. Der Regen fiel noch immer, und eine Finsternis herrschte, daß der Teufel sich hätte auf den Schwanz treten können. Ich lauschte. Die Eule wars ... »Lahmer, Lahmer!« rief sie leise. Ich aber dachte: »Ja, such du nur!« Da hörte ich Bakels Stimme: »Bei dem Regen wirds dem Jungen zuwider geworden sein zu warten; aber wenn ich ihn morgen erwische, ziehe ich ihm die Haut vom Leder.« – »Männchen«, hörte ich drauf die Eule wieder, »nimm dich in acht! Vielleicht ist er weggegangen, um uns was zu berichten? Wenns nun eine Falle wäre? Der andre wollte doch erst um zehn?« – »Eben darum«, sagte Bakel drauf, »jetzt ists erst sieben: du hast Geld gesehen; wer nicht wagt, gewinnt nicht; drum gib mir die Zange her!«

      »Von wem hatte er die Werkzeuge?« fragte Rudolf. – »Von Rotarm«, versetzte Schuri; »der hält immer Vorrat; im Nu war die Tür aufgebrochen ... Da höre ich wieder die Einäugige: »Du Männchen, schieb den Dolch da hinter deine Weste, damit du ihn gleich bei der Hand hast«, worauf Bakel in den Garten schlich. Ich sagte mir gleich: Herr Rudolf ist nicht dabei, also entweder tot oder irgendwohin verschleppt; ihm kann ich nicht helfen, aber Bakel kann Herrn Murph, Herrn Rudolfs Freund, der nichts Schlimmes vermutet, um die Ecke bringen wollen. Ich bin im Nu vom Baume hinunter und schlage die Eule Mit zwei Fausthieben nieder; dann renne ich in den Garten; aber, Herr Rudolf, dorthin kam ich zu spät, denn Herr Murph, der jedenfalls Geräusch gehört hatte, war schon draußen und mit Bakel auf der Vortreppe im Kampfe. Herr Murph war schon schwer verwundet, hielt aber Bakel noch fest. Ich fiel über beide her und packte den Bakel. »Ich bins, Herr Murph«, rief ich, »ich, der Schuri!« – Bakel aber, wie vom Donner gerührt, schreit: »Spitzbube! Welcher Satan führt dich hierher?« – »Oho! Nicht so neugierig, Kujon!« antworte ich, ihm ein Bein zwischen die Knie stellend und den Arm fassend, in welchem er den Dolch hielt; Bakel schnaubte wie ein Ochse und wehrte sich wie ein Löwe. Den Dolch hatte ihm Herr Murph nicht entwinden können, denn Bakels Faust ist wie ein Schraubstock. Endlich gelang es mir, beide Hände hinter seinen Nacken zu bringen und zusammen zu schlingen, wie wenn ich ihn umarmen wollte ... »Und nun sehen Sie zu«, sagte ich zu Murph, »ob Sie draußen Hilfe finden. Ich will warten, bis Sie zurückkommen; draußen hinter der Gartentür liegt die Eule, die lassen Sie nur mit in Sicherheit bringen, wenn Sie Hilfe haben.« Ich blieb mit Bakel allein, und was ihm bevorstand, das wußte er. Ich hatte noch immer beide Arme um seinen Hals geschlungen. Wir lagen halb auf der Erde, halb auf der untersten Treppenstufe. Mein Gesicht lag auf dem seinen. Ein Bein hatte ich ihm zwischen die Kniee gesteckt. Trotzdem hob er uns beide zusammen mit dem Leibe über einen Fuß hoch empor; aber noch immer hielt ich ihm meine Hände unter dem Kopfe und seinen Arm unter meinem Leibe. Da mit einem Male sehe ich die Eule oben auf den Stufen stehen. Donnerwetter! Mir wars, als sei mir der leibhafte Teufel erschienen. Bakel knirschte mit den Zähnen, das runde Auge des Weibes funkelte wie Grünspan ... »Finette«, rief Bakel, als er ihrer ansichtig wurde, »ich habe den Dolch fallen lassen; heb ihn auf und stoß ihn dem Schuft zwischen die Rippen.« – »Einen Moment!« versetzte keuchend die Eule, »erst muß ich zu mir kommen«, und sie umkreiste uns wie ein Unglück kündender Vogel. Endlich erblickte sie den Dolch, aber als sie nach ihm greifen wollte, gelang es mir, ihr einen Tritt zu versetzen, daß sie stürzte; aber sie raffte sich flugs wieder auf ... da sah ich einige Bewaffnete die Treppe herunter stürzen, zuletzt Murph, der sich leichenblaß auf einen Neger stützte. Nun wurde Bakel gepackt und gebunden, ebenso die Eule. Nun wußte ich aber noch immer nicht, wo Herr Rudolf steckte. Ich nahm die Eule ins Gebet, aber sie wollte nichts sagen. Da packte ich sie am Armgelenk und fing an zu drehen. Sie hielt es aus, bis es zu knacken anfing. Da ging ihr doch die Courage aus, und sie sagte: »Bei Rotarm im Keller vom Blutigen Herzen steckt er.« – Unterwegs wollte ich den lahmen Jungen aus dem Rübenfelde mit heim nehmen, fand ihn aber nicht mehr, denn er hatte sich mit den Zähnen aus dem Sack herausgebissen. Als ich nun ins Blutige Herz kam, fand ich Rotarm nicht sogleich; und als er endlich sichtbar wurde, wollte ich ihn an der Kehle packen; aber er sagte: »Ich kann mir denken, daß du wegen des jungen Laffen kommst, mit dem sich Bakel einen schlechten Witz gemacht hat. Laß mich los! Ich habe von Bakel nicht mehr als von dir. Geh in meinen Keller, da wirst du deinen jungen Laffen finden.« – Ich rannte hin, sprengte den Keller auf, das Wasser schoß mir entgegen. Da erblickte ich Ihre beiden Arme, fischte Sie noch glücklich heraus und trug Sie auf dem Rücken hierher.«

      Rudolf richtete sich auf und reichte Schuri die Hand ... »Ich verdanke dir das Leben, Schuri«, sagte er, »und werde die Schuld, – darauf verlaß dich, – gebührlich wett machen. Du hast Herz genug, um zu wissen, welches Gefühl mich in diesem Augenblicke bewegt: kein anderes als schwere Sorge um einen guten und ehrlichen Freund, dem du gleich mir das Leben gerettet hast, aber auch einen schrecklichen Rachedurst wider den Mann, der uns beinahe umgebracht hätte ... David«, wandte er sich an den Negerarzt, »ein Wort!« und er sprach eine Weile leise mit ihm.

      David schauderte... »Sie zögern?« fragte Rudolf; »und doch haben wir so oft miteinander darüber gesprochen! Jetzt ist die Zeit da, den Plan in Ausführung zu bringen.« – »Von Zögern, gnädiger Herr, ist keine Rede. Ich stehe im Gegenteil ganz auf Ihrer Seite, was Ihre Anschauungen über eine vollständige Reform des Strafwesens anbetrifft. Aber die Strafe, die Sie verhängen wollen, ist, so einfach wie sie ist, doch zugleich schrecklich. Im vorliegenden Falle ist freilich ihre Anwendung gerechtfertigt. Der Räuber, über den sie verhängt werden soll, hat Verbrechen gerade genug begangen, um ihn lebenslänglich ins Bagno zu bringen, drei Totschläge: an dem Viehhändler, an Murph und an Ihnen! Die Strafe ist also nur gerecht.«

      »Dabei bleibt ihm der unbegrenzte Horizont der Reue«, ergänzte Rudolf Davids Worte; »und mit fünftausend Franks, David, wird er doch auskommen?« – »Unbedingt, Hoheit!« – »Mein Freund«, wandte Rudolf sich an Schuri, der ganz verblüfft ihm zugehört hatte, »mit dem Herrn hier muß ich ein paar Worte sprechen. Tritt unterdes hier in dies Nebenzimmer. Auf dem Schreibtische wirst du eine Brieftasche finden. Nimm fünf Tausendfranks-Scheine heraus und bring sie mir her!« – »Für wen?« fragte Schuri unwillkürlich. – »Für Bakel! Zugleich sage den Leuten, daß sie ihn herschaffen.«

      Siebentes Kapitel. Bakels Strafe

      In einem rot ausgeschlagenen, glänzend erleuchteten Zimmer, an einem großen, mit rotem Teppich bedeckten Tische sitzt, im langen schwarzen Schlafrock, der die Blässe seines Gesichts noch mehr hervorhebt, Rudolf zwischen dem schwarzen Arzte und Schuri. Auf dem Tische liegen zwei Brieftaschen. Die eine hat Bakel gestohlen, die andere gehört ihm. Neben ihnen liegt die vergoldete Kette der Eule, an der der kleine heilige Geist aus Lapis Lazuli hängt, ferner der noch blutige Dolch, mit dem Murph verwundet worden, das Brecheisen, dessen sich Bakel bei seinen Einbrüchen zu bedienen pflegt, endlich die fünf Tausendfranks-Scheine, die Schuri aus dem ihm von Rudolf bezeichneten Zimmer geholt hat.

      Bakel liegt, noch immer gefesselt, auf einem in die Zimmermitte geschobenen großen Rollstuhle. Rudolf ist nicht mehr in gereizter Stimmung, sondern ruhig und gefaßt,

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