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Das kühle Gel fühlt sich sehr angenehm an auf der heißen Haut. Consuelo erklärt ihm, die Aloe-Vera-Creme wirke Wunder bei Verbrennungen, die Mallorquiner würden darauf schwören. Sie hätten sogar eine eigene kleine Farm im Landesinneren, die nur Aloe-Vera-Produkte herstelle. Sven bedankt sich und will ihr die Tube zurückgeben, doch Consuelo winkt ab. »Behalten Sie die. Die werden Sie noch öfter brauchen.«

      Sven lässt sich treiben. Ohne Ziel läuft er durch die kleinen Gassen und Straßen. Schon nach kurzer Zeit klebt sein Hemd am Rücken und er wischt sich mit einem Stofftaschentuch den Schweiß von der Stirn. Er schmunzelt. Die Einheimischen müssen mich für verrückt halten, in der Mittagshitze durch das Viertel zu laufen, aber ich bin so froh, endlich mal wieder auf Mallorca zu sein. Das letzte Mal dürfte schon mehr als drei Jahre her sein. Da hatte ich mit einigen Freunden eine Finca in S’Alqueria Blanca in der Nähe von Santanyí gemietet. Ein toller Urlaub. Das könnten wir gelegentlich mal wiederholen.

      An der nächsten Ecke biegt er rechts ab, dann nochmal rechts und steht wieder auf der Hauptstraße, die Richtung Andratx führt. Von Weitem sieht er drei kleine Tische auf dem Bürgersteig stehen. Er beschleunigt seine Schritte. San Marino steht auf dem Schild über der Eingangstür. Die einfachen weißen Falttüren sind geöffnet und Sven betritt die kleine, helle Cafeteria. Er schätzt den Raum auf gerade einmal fünfundvierzig Quadratmeter. Vier Tische nur und überall stapeln sich an den weiß gekachelten Wänden die Bierkästen. Der Wirt hinter dem Tresen schaut ihn genauso neugierig an wie die vier Männer an der Bar. Sven grüßt in die Runde.

      »Ich habe Hunger und Durst, was kann ich bei Ihnen bekommen?« Er grinst den Wirt an.

      »Bier, Wein, Gin Tonic, aceitunas und bocadillos«, ist die knappe Antwort. Sven überlegt. Für Gin Tonic ist es eigentlich noch etwas früh, aber ich werde heute sowieso nicht mehr alt.

      »Bitte einen Gin Tonic, eine Portion aceitunas und ein Bocadillo con atuny quesco caliente.«

      Der Wirt greift zur Gin-Flasche, doch Sven hält ihn zurück. »Bitte einen Larios aus der blauen Flasche, den zwölf Jahre alten, den mag ich am liebsten.« Der Wirt kann sich ein anerkennendes Nicken nicht verkneifen. Einer seiner Gäste, ein mürrisch wirkender Mann, spricht Sven neugierig an.

      »Sie sehen aber nicht wie ein Urlauber aus.«

      »Da haben Sie recht, ich bin nur zur Hälfte auf Urlaub hier.« Jetzt ist auch bei den anderen Männern das Interesse geweckt und Sven ahnt, dass er sich da nicht mehr rauswinden kann. Also erzählt er lieber gleich von seinem Auftrag. Noch bevor er seinen ersten Gin Tonic ausgetrunken hat, ist die Diskussion voll im Gange. Die einen finden die Idee prima, endlich erfahren die Touristen auch etwas über die originale mallorquinische Küche und nicht nur über das Zeug, das ihnen in den Hotelhochburgen vorgesetzt wird und das sie dann mit dem landestypischen Essen verwechseln. Die anderen sind skeptisch, da sie befürchten, dass die Urlauber sich auch noch über ihre kleinen Insiderbars und Cafeterias hermachen. Sven hört interessiert zu, greift sich die eine oder andere grüne Olive, die säuerlich eingelegt ist, und lässt sich das überbackene Baguette mit Thunfisch und Käse schmecken. Immer wieder ertönt vom Bürgersteig das »Hola« eines Vorbeieilenden oder ein Bekannter kommt kurz rein, um zu fragen, wie es geht. Sven fühlt sich wohl, doch langsam sollte er aufbrechen. Nach dem dritten Gin Tonic und einer Vielzahl an Anregungen und Empfehlungen, was er sich anschauen muss, bezahlt er und verabschiedet sich von seinen neuen Bekannten. Im Hinausgehen fällt sein Blick wie zufällig auf zwei Einheimische, die etwas versteckt an einem kleinen Tisch sitzen und heftig diskutieren. Worüber die Männer reden, kann Sven nicht hören. Er schmunzelt, weil sich einer der beiden beim Reden pausenlos an seine große Nase fasst. Sven tritt auf die Straße in die Hitze und freut sich unbändig über das Licht, die Sonne und die netten Menschen.

      Kapitel 5

      Cas Català. Gemeinde Calvià. Ein strahlend blauer Himmel wölbt sich über die Insel, nicht eine Wolke ist zu sehen. In dem kleinen Hafen in der Calanova sind die ersten Segler dabei, mit ihren Booten hinauszufahren. Schon seit Stunden schiebt sich ein Kreuzfahrtschiff nach dem anderen durch die Bucht von Palma zum Pier Poniente Quay. Sven steht auf seinem Balkon und schaut fasziniert einem Luxusliner hinterher. Vor zwei Jahren wurde die Verlängerung der Außenmole des Hafens erfolgreich abgeschlossen, seitdem können Kreuzfahrtschiffe von bis zu 350 Metern anlegen und sogar sieben Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig im Hafen festmachen. Sie spucken bis zu achttausend Passagiere pro Tag aus. Er wendet sich ab. Gerade als er mit Kraft die Halterung des Knickmechanismus nach oben schiebt, damit sich der große Sonnenschirm in die gewünschte Richtung neigt, klopft es. »Ja bitte«, ruft er. Kurz darauf steht Consuelo mit dem Frühstückstablett neben ihm. Er dreht sich zu ihr herum.

      »Oh, vielen Dank. Aber morgen hole ich mir das Frühstück selbst. Sie müssen das nicht nach oben tragen.«

      »Kommt gar nicht infrage. Sie sind mein Gast«, erwidert sie freundlich. Sven erkennt an ihrer entschiedenen Haltung, dass es zwecklos ist, sie vom Gegenteil überzeugen zu wollen.

      »Heute gibt es Café con leche und zwei Croissants. Wenn Sie noch Orangensaft oder einen zweiten Milchkaffee haben wollen, sagen Sie kurz Bescheid.«

      Er bedankt sich und nimmt ihr das Tablett aus den Händen, doch die Señora hat nicht die Absicht zu gehen. Er schaut sie fragend an.

      »Und, was haben Sie für heute geplant?«

      »Ich werde mir Santa Catalina anschauen und die Markthalle aufsuchen, so wie Sie es mir empfohlen haben«, antwortet er lächelnd. »Das freut mich.«

      »Consuelo, wo bist du?«, ruft Sergio von unten.

      »Ich komme schon.« Doch einen Tipp hat sie noch für Sven: »Sie müssen unbedingt die frischen Austern bei Antonia in der Bar Ostra probieren!«

      Kaum hat sie die Wohnung verlassen, hört Sven, wie Sergio seine Frau ermahnt, ihrem Gast nicht auf die Nerven zu gehen. Sven lacht laut auf. Diese Art Freundlichkeit kann niemals stören. Während er genüsslich in das Croissant beißt, fährt er das Tablet hoch und schaut sich seine Notizen von gestern an. Einige Empfehlungen der Einheimischen in der Cafeteria scheinen sehr interessant zu sein.

      Die Fahrt mit dem Bus war eindrucksvoll. Sven hat aus dem Fenster gesehen und die vielfältigen Eindrücke aufgesogen. Doch das, was ihn im Szeneviertel Santa Catalina erwartet, ist noch beeindruckender. Das ehemalige Fischerviertel im Westen von Palma ist lange Zeit vernachlässigt worden und etwas heruntergekommen. Doch gerade der morbide Charme fasziniert ihn. Wie in der Altstadt von Palma findet sich hier ein interessanter architektonischer Stilmix aus spanisch-katalanischer Architektur, arabischen Einflüssen und Jugendstilhäusern, aber alles ein wenig kleiner als in der Altstadt und weniger herrschaftlich. Hier fehlen auch die Luxusgeschäfte mit ihren großen Schaufenstern, dafür gibt es zahlreiche Res­taurants und Tapas-Bars. Zwischen der Plaza Progreso und der Via Argentina gelangt er zum ehemaligen Fischmarkt, dessen große Markthalle alles anbietet, was das Herz begehrt: Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch, Wein, Bier, Spirituosen und, was besonders reizvoll ist, an fast allen Ständen bekommt man frisch zubereitete Kleinigkeiten. Für Sven ein Eldorado. Den Eingang zur Markthalle dominiert eine runde Glastür, die sich automatisch aufschiebt. Über dem Eingang prangt ein knallgrünes Schild ›mercat municipal de Santa Catalina‹.

      Schon beim ersten Marktstand bleibt Sven interessiert stehen. Auf der Verkaufstheke sind sechs große Schinkenkeulen in Plexiglashalterungen ausgestellt. Fein säuberlich werden die Schnittstellen des Schinkens gezeigt, sodass der Kunde sehen kann, wie durchwachsen oder mager das Fleisch ist. Er schnuppert. Es riecht nach geräuchertem Fleisch, aber ohne den leicht ranzigen Geruch, den er in den Läden in Andalusien wahrgenommen hat. Dort hingen die Schinken wenig appetitlich von den Decken und das Fett tropfte auf den Boden.

      Auch der nächste Stand macht einen sauberen und gepflegten Eindruck. Eine riesige Käseauswahl wird offeriert. Kleine Schälchen mit Käsestücken laden zum Probieren ein. Hier hängen die Schinkenkeulen an Haken von der Decke, ebenso längere und kürzere Würste in Braun und Rotbraun.

      Es folgt ein Gemüsestand, dessen Waren kontinuierlich mit Wasser besprüht werden. Die Salate sehen wie gemalt aus. Sven starrt auf eine Pyramide aus

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