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in ihre Studentenwohnung war, fragte sie sich immer wieder, warum, in Gottesnamen, sie »Ja« gesagt hatte.

       Kapitel 5

      Lucys täglicher Ablauf bestand weiterhin, nur eines würde sich heute als Variable darstellen, nämlich das Treffen mit ihren Regenbogenprobanden.

      Sie hatte sich bereits in das vorhandene Profil des Paares, das ihr zugeteilt worden war, eingelesen, doch war ihr diese Art von Sexualität fremd. Naja, eigentlich war ihr mehr oder weniger jegliche Variation der Sexualität fremd. Lucy war einfach niemand, der bunt gut fand, sie gehörte eher zu der Sorte Uni-Ton. Nur wusste sie nicht, ob sie Weiß oder Schwarz wählen sollte. In ihrem Leben gab es eher die Zweckbeziehung. Es ging hierbei lediglich um das Befriedigen von Bedürfnissen. Sie musste sich aber eingestehen, dass Befriedigung überbewertet wurde.

      Lucy würde heute auf ein Paar um die Vierzig treffen, die seit achtzehn Jahren liiert und seit fünfzehn Jahren verheiratet waren. Die Eheleute hatten vor Kurzem erst die Vielfalt der Möglichkeiten entdeckt und lebten sie nun aus. Vier einfache Buchstaben, die sie in das Netz der Farben einflochten: »BDSM«. Natürlich hatte Lucy theoretische Nachforschungen betrieben. Sie spulte es nochmals in ihrem Kopf ab: BDSM hieß »Bondage & Disziplin, Sadismus & Masochismus«. Hierbei stand das Spiel der Dominanz und der Demut im Vordergrund. Wobei die Dominanz nicht als tatsächlich verletzend angesehen wurde, sondern von dem devoten Part als Lust empfangen wurde.

      Lucy grübelte viel über diese Art von Lust nach und war sehr daran interessiert, zu erfahren, wie so etwas gelebt werden konnte.

       Kapitel 6

      Am späten Nachmittag traf sie vor dem Haus des Ehepaares ein. Lucy blickte sich um. Es war ein ganz normales Haus mit Vorgarten. Was hatte sie auch erwartet? Fleischfressende Pflanzen im Beet, ein Holzkreuz mit Ketten an der Außenwand, Wimmern aus dem Inneren? Schuldbewusst verzog sie ihr Gesicht. Für einen kleinen Augenblick waren ihr tatsächlich diese Klischeegedanken durch den Kopf geschossen.

      Sie atmete ruhig durch, öffnete ihren Geist, ging auf die Haustür zu und klingelte. Einen Moment später erschien eine Frau hinter dem Glaseinsatz der Tür, lächelte und ließ Lucy mit einer netten Begrüßung eintreten.

      »Sie müssen die Studentin sein, die uns Dr. Miller angekündigt hat«, stellte die sympathisch wirkende Dame fest. »Mein Mann wartet schon auf Sie. Wir sind gespannt auf das Projekt. Wissen Sie, wir hatten sehr gehofft, dass unsere Bewerbung bei dieser Studie berücksichtigt würde. Und nun sind Sie hier.« Die Dame unterstrich diesen Satz mit einem Lächeln, das ihre Augen strahlen ließ.

      »Ich bin auch schon sehr gespannt auf unsere Gespräche und auf die Auswertung durch die Studiengruppe«, antworte Lucy etwas mechanisch, da sie befürchtete, die Erwartungen der Probanden nicht erfüllen zu können.

      Die braunhaarige Frau führte sie in ein großes Wohnzimmer, wo bereits ein Mann auf einer dem Raum ebenbürtigen Ledercouch saß. Er stand auf, um Lucy zur Begrüßung die Hand zu reichen und nahm dann wieder Platz. Seine Frau setzte sich zu ihm und wies Lucy einen Platz in ihrer Nähe zu.

      Lucy packte ihre Schreibutensilien und den Inspirationskatalog aus. Sie hoffte sehr, dass dieser ihr aus einem möglichen Stocken heraushelfen könnte.

      »Als Erstes würde ich mich gern vorstellen. Mein Name ist Lucy Smith. Ich bin eine dreiundzwanzigjährige Studentin der Medizin und habe mich für dieses Projekt gemeldet. Da mir das Thema doch sehr fremd ist, entschuldige ich mich gleich für meine Wissenslücken. Ich gehöre wohl eher zu den Theoretikern.« Kaum hatte sie das letzte Wort gesprochen, kamen ihr Zweifel, ob man es nicht falsch verstehen könnte. Sie versuchte, ihre innere Unsicherheit mit einem schiefen Lächeln zu überspielen, das ihr wohl die Frau abnahm. Der Mann aber schaute sie über seinen Brillenrand nur eindringlich an.

      »Ähm, dann fangen wir mal am besten an«, räusperte Lucy sich verlegen. »Laut meinen Unterlagen …«, sie wandte sich dem Ehemann zu, »… sind Sie Dean Johnson. Sie sind einundvierzig Jahre alt und selbstständig in der Produktbranche.«

      Der blondhaarige Mann nickte zustimmend und schaute sie wieder mit seinen blauen Augen an, als ob er ihre Gedanken lesen wollte.

      Lucy unterbrach rasch den Blickkontakt und fuhr fort. »Und Sie sind Melissa Johnson. Hauptberuflich Hausfrau und helfen ihrem Mann bei der Büroarbeit.«

      »Ja, das ist richtig.«

      »Okay, dann können wir den ersten Teil schon mal als erledigt abhaken.« Sie schaute von ihren Unterlagen auf. »Nun kämen wir zu dem nächsten Punkt: Wie haben Sie festgestellt, dass das Ihre Art der Sexualität ist?«

      Nun lehnte sich die Ehefrau etwas zurück und überließ ihrem Mann das Erklären.

      »Es war für uns eine Überraschung«, begann er. »Wie es in einer Ehe eben passieren kann, schlich sich ein nebeneinanderher leben ein. Jeder hatte seinen eigenen Tagesablauf und unsere gemeinsame Zeit beschränkte sich meist lediglich auf das Wahrnehmen von familiären Terminen. Sie wissen schon: Kinder, Schule und Verwandtschaft. Unser Sexualleben war mittlerweile genauso standardisiert. Als berufstätige Eltern konnten wir nur die kleinen Zeitfenster nutzen, die uns unser Umfeld ließ. Und glauben Sie mir, es steigert nicht gerade den Lustgewinn, wenn man Sex nicht auf Verlangen, sondern mit Zeitdruck hat.«

      »Ja, das ist richtig«, stimmte ihm Mrs Johnson zu.

      Er fuhr fort: »Eines Nachts, als wir uns die Zeit nahmen, um miteinander zu schlafen, legte ich, während ich in sie stieß, meine Hand um ihre Kehle. Ich kann nicht sagen warum, es überkam mich einfach. Als ob sich meine geheimen Fantasien ihren Weg nach draußen bahnen wollten. Zu meiner Überraschung stöhnte Melissa vor Lust auf und ihre Möse schien ebenfalls zu reagieren. Nicht wahr, Schatz?«

      »Oh ja, ich wurde richtig nass.«

      »Danach haben wir über das gerade Passierte gesprochen und festgestellt, dass wir beide geheime Fantasien hegten, die wir aus Scham vor dem anderen nicht ausgesprochen hatten. Nachdem uns klar wurde, was das für uns bedeuten konnte, fingen wir an, uns über BDSM zu erkundigen und schlauzulesen. Das war der Anfang einer geilen Zeit, die bis heute anhält.« Er unterstrich seine Aussage, indem er seiner Frau die Hand auf ihr Knie legte und mit einem selbstgefälligen Lächeln auf den Lippen ihren Oberschenkel auf und ab streichelte.

      Lucy war noch etwas irritiert über die Wortwahl ihres Probanden und über die Art, wie er seine Frau darstellte. War sie etwa nur ein Sexobjekt für ihn?

      »Mrs Johnson, wie fühlen Sie sich dabei, zu wissen, dass er Sie für seine Fantasien benutzt?«

      »Moment, Miss Smith, da verstehen Sie etwas falsch. Er benutzt mich nicht. Er gibt mir das, was ich brauche. Von dem ich vorher nicht wusste, wie sehr ich es wollte. Dean ist mein Herr, und ich genieße jegliche Berührung, jeden Befehl und jede Bestrafung, die er mir zuteilwerden lässt.«

      »Bestrafung?«, fragte Lucy fast schon in einem schockierten Ton.

      »Ja, Bestrafung. Ich kann ein echt ungezogenes Mädchen sein, und der Herr muss seiner Sub zeigen, wer hier der Meister ist.«

      Lucy sah, wie sich die Wangen von Mrs Johnson röteten, ihre Atmung sich beschleunigte und ihr Brustkorb sich schneller hob.

      »Bitte verzeihen Sie mir, Miss Smith, die Erinnerung an unsere Spiele lässt mich immer wieder aufs Neue in Verzückung geraten«, entschuldigte sie sich.

      »Sie müssen sich von der Standardbegrifflichkeit distanzieren«, sagte Mr Johnson. »Hier geht es nicht darum, jemandem Schmerz als Bestrafung im üblichen Sinne zuzufügen. Hier geht es darum, jemandem Schmerz als Bestrafung zur Steigerung seiner Lust zuzufügen. Bildlich erklärt, bin ich der Herr, der Dominate, in unserer Beziehung, der Sadist und sie ist meine Sub, meine devote Sklavin, die durch Schmerz eine höhere Ebene der Lust erreicht. Wir fallen immer noch unter die Begrifflichkeit eines liebenden Ehepaares. Aber wir spalten uns von der Norm ab, wie wir unsere Liebe miteinander ausleben.« Er blickte Lucy direkt in die Augen, wahrscheinlich um ein Begreifen ihrerseits zu entdecken.

      »Ähm, ja, ich verstehe, was

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