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Gestaltung der sozialen Verhältnisse, ihre eigentliche Grundlage, ihre Erscheinungsformen und die Garantie für ihr Bestehen liegt darin, dass eine verhältnismäßige Beteiligung an der Regierung dem Mittelstande gewährt ist, auf dem in Wahrheit die Macht der modernen Gesellschaft beruht, und bei dem das moralische Gefühl, die edlen Gesinnungen und die erfolgreiche Arbeit zu Hause sind; aber wir dürfen uns nicht verhehlen, dass die Wahl, die sich auf fast alle Ämter erstreckt, das Verlangen nach Befriedigung des Ehrgeizes, die Sucht etwas zu bedeuten, bis in, gestatten Sie mir das Wort, niedrige gesellschaftliche Schichten vorgedrungen sind, die damit nicht hätten in Erregung versetzt werden dürfen. Einige sehen darin einen Vorzug, andere ein Übel; es kommt mir nicht zu, diese Frage entscheiden zu wollen in Gegenwart von Männern, vor deren geistiger Überlegenheit ich mich beuge; ich begnüge mich damit, sie aufzuwerfen, weil ich auf die Gefahr hinweisen will, die die Parteinahme für unsern Freund laufen kann. Unser ehrenwerter Vertreter im Munizipalrate ist erst vor acht Tagen gestorben, und schon haben sich Untergeordnete mit ihren ehrgeizigen Ansprüchen gemeldet. Man will sich um jeden Preis bemerkbar machen. Der Wahlaufruf wird vielleicht erst in einem Monat stattfinden. Wieviel Intrigen können bis dahin eingefädelt werden! ... Geben wir, ich beschwöre Sie, unsern Freund Thuillier nicht den Angriffen seiner Konkurrenten preis! Liefern wir ihn nicht der öffentlichen Diskussion aus, dieser modernen Harpyie, dem Sprachrohr der Verleumdung und des Neides, dem Vorwand für feindliche Gesinnungen, die alles herabsetzen, was groß, die alles beschmutzen, was achtungswert, die alles beschimpfen, was heilig ist; ... machen wir es wie der dritte Stand in der Kammer: bleiben wir stumm und stimmen wir ab !«

      »Wie gut er spricht«, sagte Phellion zu seinem Nachbar Dutocq.

      »Und wie inhaltreich! ...«

      Der junge Minard war vor Neid grün und gelb worden.

      »Das ist gut und richtig!« rief Minard.

      »Einstimmig angenommen«, sagte Colleville; »meine Herren, wir sind Ehrenmänner, es genügt, dass wir über diesen Punkt im Einverständnis sind.«

      »Wer das Ziel erreichen will, muss auch die Mittel dazu wollen«, sagte Phellion emphatisch. In diesem Moment erschien Fräulein Thuillier, gefolgt von ihren beiden Dienstboten; der Kellerschlüssel hing an ihrem Gürtel, und drei Flaschen Champagner, drei Flaschen alter Ermitage und eine Flasche Malaga wurden auf den Tisch gestellt; aber mit fast andächtiger Sorgsamkeit trug sie eine kleine Flasche, ähnlich einer bösen Fee, und setzte sie vor ihren Platz. Während der allgemeinen Fröhlichkeit, die dieser aus Dankbarkeit herbeigeschaffte Überfluss an guten Dingen verursachte, und den das arme Mädchen in ihrer Seligkeit mit einer Verschwendung austeilte, die ihre sonstige magere Gastfreundlichkeit, die sie alle vierzehn Tage entwickelte, Lügen strafte, erschien auf zahlreichen Schüsseln der Nachtisch: Studentenfutter in Hülle und Fülle, Orangenpyramiden, Konfekt, Eingemachtes aus der Tiefe ihrer Vorratsschränke, was alles, ohne diese besondere Veranlassung, nicht auf den Tisch gekommen wäre.

      »Celeste, man soll eine Flasche Schnaps bringen, den mein Vater im Jahre 1802 gekauft hat; mach uns einen Orangensalat zurecht«, rief sie ihrer Schwägerin zu.

      »Herr Phellion, machen Sie den Champagner auf; hier diese Flasche ist für Sie drei. – Herr Dutocq, nehmen Sie die hier! – Herr Colleville, Sie verstehen sich doch so gut darauf, die Korken springen zu lassen! ...«

      Die beiden Dienstmädchen verteilten die Champagnergläser, und Bordeaux- und kleine Gläser; denn Josephine brachte auch noch drei Flaschen Bordeaux.

      »Das ist ja der Kometenwein!« rief Thuillier aus. »Meine Herren, Sie haben meiner Schwester vollständig den Kopf verdreht.«

      »Und abends gibts Punsch und Kuchen«, sagte sie. »Ich habe auch Tee aus der Apotheke holen lassen. Mein Gott, wenn ich geahnt hätte, dass es sich um eine Wahl handelt,« rief sie aus und sah ihre Schwägerin an, »dann hätte ich Puten gegeben ...«

      Allgemeines Gelächter begrüßte diesen Ausspruch. »Oh, wir haben ja eine Gans gehabt«, sagte der junge Minard lächelnd.

      »Heute geht es aus dem Vollen«, rief Frau Thuillier, als sie die kandierten Maronen und die Baisers erscheinen sah.

      Fräulein Thuilliers Gesicht glühte; sie war prachtvoll anzuschauen, noch niemals hatte schwesterliche Liebe einen so glühenden Ausdruck gefunden.

      »Für den, der sie kennt, ist das wirklich rührend!« rief Frau Colleville aus.

      Die Gläser waren gefüllt, alle sahen sich an, man schien auf einen Toast zu warten, und la Peyrade sagte:

      »Meine Herren, stoßen wir an auf etwas Erhabenes! ...

      Alle waren erstaunt.

      »Auf Fräulein Brigitte! ...«

      Die ganze Gesellschaft erhob sich, man stieß an und rief: »Es lebe Fräulein Thuillier!« mit dem Überschwang wahren Empfindens, wie ihn der Enthusiasmus erzeugt.

      »Meine Herren,« sagte Phellion, und las von einem mit Bleistift beschriebenem Zettel ab, »auf die Arbeit und auf den Glanz, die sich in der Person eines alten Kameraden von uns verkörpern, der ein Bürgermeister von Paris geworden ist, auf Herrn Minard und seine Gattin!«

      Nach einer Pause von fünf Minuten, während der die Unterhaltung weiter ging, erhob sich Thuillier und sagte:

      »Meine Herren, auf den König und das königliche Haus! ... Ich sage nichts weiter, denn damit ist alles gesagt.«

      »Auf die Wahl meines Bruders!« sagte Fräulein Thuillier.

      »Jetzt werden Sie sich amüsieren«, sagte la Peyrade leise zu Flavia.

      Und er erhob sich:

      »Auf die Damen! Auf das schöne Geschlecht, dem wir soviel Glück verdanken, abgesehen von unsern Müttern, unsern Schwestern und unsern Frauen!«

      Dieser Toast rief allgemeine Heiterkeit hervor, und Colleville, schon etwas angeheitert, rief:

      »Ach du Schuft! Du hast mir meinen Gedanken gestohlen!«

      Der Herr Bürgermeister erhob sich jetzt, wobei tiefes Schweigen eintrat.

      »Meine Herren, auf unsre Verfassung! Sie ist die Quelle der Macht und Größe des dynastischen Frankreichs!«

      Die Flaschen verschwanden unter einstimmiger Bewunderung der erstaunlichen Qualität und Feinheit der Getränke.

      Celeste Colleville sagte schüchtern:

      »Liebe Mama, würden Sie mir gestatten, auch ein Hoch auszubringen?«

      Das arme Kind hatte das starre Gesicht ihrer Patin bemerkt, der Herrin des Hauses, die man vergessen hatte, und deren Blick mit dem Ausdruck eines Hundes, der nicht weiß, welchem Herrn er gehorchen soll, von dem Gesicht ihrer schrecklichen Schwägerin bis zu dem Thuilliers über alle hinwegirrte, ohne an sich selbst zu denken; aber die Freude auf diesem Sklavenantlitz, das daran gewöhnt war, nicht mitzuzählen und seine Gedanken und Empfindungen zu unterdrücken, leuchtete nur, wie die bleiche Wintersonne durch den Nebel scheint: sie konnte nur schwer dieses schlaffe, verkümmerte Gesicht aufhellen. Die Gazehaube mit dunklen Blumen, die nachlässige Frisur, das karmeliterbraune Kleid, dessen Taille als einzigen Schmuck eine dicke goldene Kette aufwies, alles dies, ihre ganze Haltung, rührte die junge Celeste, die allein in der Welt den Wert dieser Frau zu schätzen wusste, die zum Schweigen verdammt war, die alles um sich her verstand, unter allem litt und sich mit sich selber und ihrem Gott trösten musste.

      »Lassen Sie das gute Kind seinen kleinen Toast sprechen«, sagte la Peyrade zu Frau Colleville.

      »Auf meine liebe Patin!« sagte das junge Mädchen und neigte ihr Glas respektvoll vor Frau Thuillier und reichte es ihr zum Anstoßen hin.

      Die arme Frau sah ganz verstört, aber durch einen Tränenschleier, abwechselnd ihre Schwägerin und ihren Mann an; ihre Stellung innerhalb der Familie war so bekannt, und die unschuldige ehrerbietige Freundlichkeit, die ihrer Schwachheit erwiesen wurde, war etwas so Schönes, dass jeder Rührung empfand; alle Herren erhoben sich und verneigten sich vor Frau Thuillier.

      »Ach, Celeste!

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