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gegenüberliegenden Wand befand sich eine Bibliothek mit juristischen Büchern. Auf dem Kamin stand eine gewöhnliche Garnitur: eine Uhr mit vier Säulen aus Mahagoni und Leuchter unter Glas. Das Arbeitszimmer, in dem sich die drei Freunde vor ein Steinkohlenfeuer setzten, war das übliche Arbeitszimmer eines jungen Advokaten; es enthielt einen Schreibtisch, einen Armsessel, schmale grünseidene Vorhänge an den Fenstern, einen grünen Teppich, einen Aktenbock und ein Ruhebett, über dem ein elfenbeinerner Christus auf Sammetgrund hing. Das Schlafzimmer, die Küche und der übrige Teil der Wohnung gingen nach dem Hofe hinaus.

      »Nun,« sagte Cérizet, »wie stehts? Kommen wir vorwärts?«

      »Aber gewiss«, antwortete Theodosius.

      »Gestehen Sie zu,« rief Dutocq, »dass ich da eine ausgezeichnete Idee gehabt habe? Indem ich mir ein Mittel ausgedacht habe, um diesen Schwachkopf von Thuillier hineinzulegen ...«

      »Ja, aber ich bin auch nicht zurückgeblieben«, rief Cérizet; »ich werde Ihnen heute die Fäden in die Hand geben, wie wir der alten Jungfer beikommen und sie dann wie einen Kreisel gehen lassen können ... Wir dürfen uns nicht darüber täuschen! Fräulein Thuillier bedeutet hierbei für uns alles: haben wir sie auf unsrer Seite, dann ist die Sache gewonnen ... Reden wir nicht lange, aber deutlich, wie es sich für kluge Männer gehört. Mein früherer Sozius Claparon ist, wie Sie wissen, ein Dummkopf, und er wird sein ganzes Leben das, was er immer gewesen ist, bleiben: ein Strohmann. Augenblicklich dient er als Strohmann einem Pariser Notar, der sich mit Unternehmern zusammengetan hat, und die, der Notar wie die Maurermeister, pleite sind. Und Claparon sitzt in der Patsche; er hat noch niemals Bankerott gemacht, aber alles muss mal einen Anfang haben; augenblicklich hält er sich bei mir, in meinem Loch in der Rue des Poules, versteckt, wo ihn kein Mensch finden kann. Mein Claparon ist wütend, er hat keinen Heller; nun befindet sich unter den fünf oder sechs Häusern, die verkauft werden sollen, ein wahres Prachtstück von Haus, ganz aus echtem Stein gebaut, in der Gegend der Madeleinekirche – eine Fassade wie die Schale einer Netzmelone, mit entzückenden Skulpturen – das aber, da es noch nicht ganz fertig ist, für höchstens hunderttausend Franken weggehen wird; bei einer Anzahlung von fünfundzwanzigtausend Franken kann man in zwei Jahren hiervon eine Rente von etwa zehntausend Franken haben. Wer dieses Grundstück Fräulein Thuillier verschafft, der kann alles von ihr verlangen, wobei man ihr zu verstehen geben muss, dass sich ein ebensolcher Gelegenheitskauf alle Jahre finden wird. Eitle Menschen fängt man damit, dass man ihrer Eigenliebe schmeichelt, oder ihnen droht, Geizige damit, dass man ihren Geldbeutel attakiert oder ihn füllt. Und da, alles erwogen, für die Thuilliers arbeiten bedeutet, für uns arbeiten, so muss man sie bei dieser Sache verdienen lassen.«

      »Und der Notar,« sagte Dutocq, »warum lässt der sich das entgehen?«

      »Der Notar, mein lieber Junge? Der ist ja gerade unser Glück! Er ist genötigt, seine Stelle zu verkaufen, da er auch sonst ruiniert ist, und hat sich dieses Stückchen aus dem Rest des Kuchens vorbehalten. Weil er diesen Esel von Claparon für ehrlich hält, hat er ihn beauftragt, einen vorgeschobenen Käufer für ihn zu finden; denn er muss ebenso vertrauensvoll wie klug sein. Wir werden ihn nun glauben lassen, dass Fräulein Thuillier ein anständiges Fräulein ist, das dem armen Claparon ihren Namen leihen will, und so werden sie alle beide hineingelegt werden, Claparon und der Notar. Ich bin dieses kleine Geschenk meinem lieben Claparon schuldig, der mir damals bei der Gründungsgeschichte alle Schuld aufgebürdet hat, wo wir von Couture betrogen wurden, in dessen Haut zu stecken ich Ihnen nicht wünschen möchte!«, sagte er, und ein Strahl teuflischen Hasses brach aus seinen trüben Augen. »Ich habe gesprochen, meine hohen Herren!« fügte er mit lauter Stimme hinzu, die ganz durch die Löcher seiner Nase drang, und nahm eine theatralische Haltung an, denn in einer der Zeiten seines äußersten Elends war er auch Schauspieler gewesen.

      Als er seine Darlegung beendet hatte, klingelte es an der Tür, und la Peyrade erhob sich, um zu öffnen.

      »Sind Sie immer noch mit ihm zufrieden?« sagte Cérizet zu Dutocq. »Er macht mir einen so merkwürdigen Eindruck ..., ich verstehe mich doch auf Verräterei.«

      »Er ist so vollkommen in unsern Händen,« sagte Dutocq, »dass ich mir nicht die Mühe nehme, ihn zu beobachten; aber, unter uns gesagt, ich hielt ihn nicht für so klug, wie er ist. Wir hatten geglaubt, auf ein Rennpferd einen Mann gesetzt zu haben, der nicht reiten kann, und jetzt zeigt sichs, dass der Kerl ein alter Jockey ist! So stehts ...«

      »Er mag sich in acht nehmen!« sagte Cérizet dumpf, »ich kann ihn umblasen wie ein Kartenhaus. Aber Sie, Papa Dutocq, Sie können ihn ja bei der Arbeit sehen und ihn jeden Augenblick beobachten; passen Sie auf ihn auf! Übrigens habe ich eine Möglichkeit, ihm auf den Zahn zu fühlen, ich werde ihm von Claparon den Vorschlag machen lassen, sich unsrer zu entledigen, und dann werden wir ja sehen ...«

      »Das wäre nicht übel«, sagte Dutocq, »du bist nicht blöde.«

      »Man versteht sein Handwerk, das ist alles!« sagte Cérizet.

      Diese Worte wurden leise gesprochen, während Theodosius bis zur Tür ging und wieder zurückkam. Cérizet musterte alles im Arbeitszimmer, als der Advokat wieder erschien.

      »Es ist Thuillier,« sagte Theodosius, »ich erwartete seinen Besuch; er ist im Salon ... Er braucht Cérizets Überrock nicht zu sehen,« fügte er lächelnd hinzu, »diese Schnüre da würden ihn beunruhigen.«

      »Bah! Du empfängst arme Leute, das ist doch dein Beruf ... Brauchst du Geld?« fuhr Cérizet fort und holte hundert Franken aus der Hosentasche. »Nimm, nimm, das wird dir gut tun.«

      Und er legte den Stapel auf den Kamin.

      »Übrigens«, sagte Dutocq, »können wir uns ja auch durch das Schlafzimmer entfernen.«

      »Also adieu«, sagte der Provenzale und öffnete ihnen die Tapetentür, die von dem Arbeitszimmer ins Schlafzimmer führte. »Treten Sie ein, mein verehrter Herr Thuillier«, rief er dem alten Beau zu. Und als er ihn in der Tür des Arbeitszimmers erscheinen sah, begleitete er seine beiden Genossen durch das Schlaf- und Ankleidezimmer und die Küche, deren Tür auf den Hausflur ging.

      »In sechs Monaten musst du Celestes Mann und aus aller Not sein ... Du bist doch ein glücklicher Mensch, du, du hast nicht auf der Anklagebank vor dem Zuchtpolizeigericht gesessen, zweimal ... wie ich! Das erstemal im Jahre 1825 in einem Tendenzprozesse, ... wegen einer Reihe von Artikeln, die ich nicht geschrieben hatte, und das zweitemal wegen der Gewinne aus der Gründungsgeschichte, die uns vor der Nase weggeschnappt wurden! Aber nun Feuer dahinter, verdammt noch mal! Dutocq und ich, wir haben jeder unsre fünfundzwanzigtausend Franken verflucht nötig; also viel Glück, mein Lieber!« schloss er und reichte Theodosius die Hand, indem er sie prüfend drückte. Der Provenzale reichte Cérizet die Rechte und drückte ihm aufs wärmste die Hand.

      »Sei überzeugt, mein Junge, dass ich unter keinen Umständen jemals vergessen werde, aus welcher Lage du mir herausgeholfen und mich in den Sattel gesetzt hast ... Ich bin euer Angelhaken, aber ihr lasst mir einen schönen Anteil an der Beute, und ich müsste ja niederträchtiger als ein Sträfling, der sich als Spion anbietet, sein, wenn ich nicht offenes Spiel spielen würde.«

      Sobald die Tür geschlossen war, sah Cérizet durchs Schlüsselloch, um Theodosius' Gesicht zu beobachten; aber der Provenzale hatte sich schon umgewandt, um zu Thuillier zurückzueilen, und sein misstrauischer Genosse konnte nicht sehen, welchen Ausdruck seine Physiognomie angenommen hatte.

      Es war weder Widerwille noch Ärger, sondern Freude, was sich jetzt auf seinem unbeobachteten Gesichte malte. Theodosius sah, wie die Chancen des Erfolges sich immer günstiger für ihn gestalteten, und er schmeichelte sich mit dem Gedanken, dass er sich von seinen üblen Helfershelfern, obwohl er ihnen alles verdankte, schon würde losmachen können. Das Elend hat, besonders in Paris, unergründliche schmutzige Tiefen, und wenn ein darin Versunkener wieder an die Oberfläche kommt, so bringt er an seinem Körper und an seinen Kleidern die Spuren des Schmutzes mit herauf. Cérizet, Theodosius' früherer wohlhabender Freund und Beschützer, war der Schmutzfleck, der noch an dem Provenzalen haftete, und der alte Gründungsschwindler ahnte, dass dieser ihn sich würde abbürsten wollen, wenn er in eine Sphäre gelangte, wo ein anständiges Aussehen Bedingung war.

      »Mein

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