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      Table of Contents

       Die Sorgen der Polizei

       Corentins Rache

       Ein politischer Prozess unter dem Kaiserreich

       Schluss

       Impressum - Kontakt

      Honoré de Balzac

       Eine dunkle Geschichte

      Impressum

      ISBN 9783955014636

      2013 andersseitig.de

      Covergestaltung: Erhard Koch

      Digitalisierung: Erhard Koch

      andersseitig Verlag

      Dresden

      www.andersseitig.de

      [email protected]

      (mehr unter Impressum-Kontakt)

      Die Sorgen der Polizei

      Der Herbst des Jahres 1803 war einer der schönsten im ersten Abschnitt dieses Jahrhunderts, den wir das Kaiserreich nennen. Im Oktober hatten einige Regenfälle die Wiesen aufgefrischt. Noch im November waren die Bäume belaubt und grün. Daher begann das Volk zwischen dem Himmel und Bonaparte, der damals zum Konsul auf Lebenszeit ernannt war, ein Einvernehmen zu vermuten, dem dieser Mann einen Teil seines Prestiges dankte. Und seltsam! an dem Tage, da ihm 1812 die Sonne fehlte, hörte sein Glück auf. Am 15. November 1803, gegen vier Uhr nachmittags, lag ein rötlicher Sonnenstaub auf den hundertjährigen Wipfeln der vier Ulmenreihen einer langen herrschaftlichen Allee und ließ den Sand und die Grasbüschel eines jener riesigen Rondele leuchten, wie man sie auf Landgütern findet, wo der Boden damals noch billig genug war, um ihn dem Schmuck zu opfern. Die Luft war so rein, die Atmosphäre so mild, dass eine Familie im Freien saß, als wäre es Sommer. Der Mann trug eine Jagdjoppe aus grünem Zwillich mit grünen Knöpfen, eine kurze Hose aus gleichem Stoff, Zwillichgamaschen bis zu den Knien und dünnsohlige Stiefel. Er putzte eine Büchse mit der Sorgfalt, die geschickte Jäger in ihren Mußestunden bei dieser Beschäftigung zeigen. Der Mann hatte weder Jagdtasche noch Rucksack, kurz, keins der Rüstzeuge, die den Aufbruch zur Jagd oder die Rückkehr von ihr verraten. Zwei Frauen, die neben ihm saßen, sahen ihm mit schlecht verhehlter Angst zu. Wer diese Szene aus einem Gebüsch hätte beobachten können, hätte wahrscheinlich ebenso gezittert wie die alte Schwiegermutter und die Frau des Mannes. Offenbar trifft kein Jäger so gründliche Vorbereitungen, wenn er ein Wild erlegen will, und im Departement Aube benutzt er auch keine gezogene Büchse.

      »Willst du Rehe schießen, Michu?« fragte seine schöne junge Frau und versuchte, ein Lachen aufzusetzen. Bevor Michu antwortete, warf er einen prüfenden Blick auf seinen Hund, der mit dem Kopf auf den vorgestreckten Pfoten in der reizenden Haltung der Jagdhunde in der Sonne lag. Er hatte eben die Nase erhoben und witterte abwechselnd geradeaus in die eine Viertelstunde lange Allee und nach einem Querweg, der links in das Rondel einmündete.

      »Nein,« entgegnete Michu, »aber ein Untier, das ich nicht verfehlen will, einen Luchs.«

      Der Hund, ein prachtvoller Jagdhund mit weißem, braungeflecktem Fell, knurrte.

      »Schön«, sagte Michu zu sich selbst. »Spione! Das Land wimmelt von ihnen.«

      Frau Michu blickte schmerzvoll gen Himmel. Sie war eine schöne Blondine mit blauen Augen und dem Wuchs einer antiken Statue, nachdenklich und in sich gekehrt, als würde sie von einem schwarzen, bittren Kummer verzehrt. Der Anblick des Mannes konnte die Angst der beiden Frauen in gewissem Maße erklären. Die physiognomischen Gesetze gelten ja nicht nur für den Charakter, sondern auch für das Schicksal eines Menschen. Es gibt prophetische Physiognomien. Könnte man eine genaue Zeichnung derer erlangen, die auf dem Schafott enden – und diese lebende Statistik wäre für die Gesellschaft von Wert –, so würde Lavaters und Galls Wissenschaft untrüglich beweisen, dass die Köpfe aller dieser Leute, auch der Unschuldigen, seltsame Merkmale tragen. Ja, das Schicksal drückt den Gesichtern derer seinen Siegel auf, die irgendeines gewaltsamen Todes sterben sollen! Nun war dies Siegel, den Augen des Beobachters sichtbar, den ausdrucksvollen Zügen des Mannes mit der Büchse aufgedrückt. Michu war klein und dick, rasch und behände wie ein Affe, wenn auch von ruhigem Charakter. Sein weißes, blutdurchströmtes Gesicht war zusammengezogen wie das eines Kalmücken, und die roten Kraushaare gaben ihm einen unheimlichen Ausdruck. Seine hellen, gelblichen Augen zeigten, wie die des Tigers, eine innere Tiefe, in der sich der Blick des Betrachters verlor, ohne Bewegung und Wärme zu finden. Diese Augen waren starr, hell und regungslos und flößten, wenn man sie lange ansah, Schrecken ein. Der beständige Gegensatz zwischen der Unbeweglichkeit der Augen und der Lebhaftigkeit des Körpers steigerte den eisigen Eindruck noch, den Michu auf den ersten Blick machte. Das rasche Handeln dieses Mannes musste im Dienst eines einzigen Gedankens stehen, wie bei den Tieren das Leben ohne Überlegung dem Instinkte dient.

      Seit 1793 hatte er sich einen roten Vollbart stehen lassen. Wäre er auch während der Schreckenszeit nicht Vorsitzender eines Jakobinerklubs gewesen, so hätte allein diese Besonderheit seines Gesichts seinen Anblick schrecklich gemacht. Dies sokratische Gesicht mit der Stumpfnase wurde von einer sehr schönen Stirn gekrönt, die aber so gewölbt war, dass sie darüber vorzuspringen schien. Die abstehenden Ohren besaßen eine Art von Beweglichkeit wie bei wilden Tieren, die stets auf der Lauer sind. Sein Mund, der halb offen stand, wie dies bei Bauern ziemlich häufig vorkommt, zeigte starke, mandelweiße, aber unregelmäßig stehende Zähne. Ein dichter, glänzender Backenbart umrahmte dies weiße, stellenweise blaurote Gesicht. Die vorn kurz geschorenen, doch über den Schläfen und am Hinterkopf langen Haare hoben durch ihr falbes Rot all das Seltsame und Schicksalsvolle hervor, was in seinem Ausdruck lag. Der kurze, dicke Hals schien das Fallbeil des Gesetzes zu locken.

      In diesem Augenblick fielen die schrägen Sonnenstrahlen voll auf die drei Köpfe, zu denen der Hund manchmal aufsah. Die Szene spielte übrigens auf einem prächtigen Schauplatz. Das Rondel lag am Rande des Parks von Gondreville, eines der reichsten Güter von Frankreich und unstreitig des schönsten im Departement Aube. Es besaß prächtige Ulmenalleen, ein Schloss nach den Plänen Mansards, einen ummauerten Park von fünfzehnhundert Morgen, neun große Pachthöfe, einen Wald, Mühlen und Wiesen. Dieser fast königliche Besitz gehörte vor der Revolution der Familie von Simeuse. Ximeuse ist ein Lehnsgut in Lothringen. Der Name wurde Simeuse ausgesprochen und schließlich auch so geschrieben.

      Das große Vermögen der Simeuses, eines Geschlechts, das dem Hause Burgund anhing, geht bis auf die Zeit zurück, da die Guises die Valois bedrohten. Erst Richelieu, dann Ludwig XIV. hatten sich der Anhänglichkeit der Simeuses an das aufsässige lothringische Haus der Guises erinnert und sie von sich gestoßen. Der damalige Marquis von Simeuse, ein alter Burgunder, Anhänger der Guises und der Liga und ein alter Mitkämpfer der Fronde, der den vierfachen Groll des Adels gegen das Königtum geerbt hatte, zog nach Cinq-Cygne. Der vom Louvre abgewiesene Höfling hatte die Witwe des Grafen von Cinq-Cygne geheiratet, aus der jüngeren Linie des berühmten Hauses von Chargeboeuf, eines der erlauchtesten in der alten Grafschaft Champagne; aber die jüngere Linie wurde ebenso berühmt und noch reicher als die ältere. Der Marquis, einer der reichsten Leute der Zeit, baute Gondreville, statt am Hofe sein Geld zu vergeuden, brachte die Güter zusammen und kaufte noch Land hinzu, lediglich, um sich eine schöne Jagd zu schaffen. Ebenso erbaute er in Troyes das Hotel Simeuse unweit des Hotels Cinq-Cygne. Diese beiden alten Häuser und der erzbischöfliche Palast waren in Troyes lange die einzigen Steinbauten. Der Marquis verkaufte Simeuse an den Herzog von Lothringen. Sein Sohn vergeudete die Ersparnisse und einen Teil des großen Vermögens unter der Regierung Ludwigs XV. Aber er wurde zuerst Geschwaderchef und dann Vizeadmiral und machte seine Jugendtorheiten durch glänzende Dienste wett. Der Marquis von Simeuse, der Sohn dieses Seemannes, starb zu Troyes auf dem Schafott. Er hinterließ zwei Zwillingssöhne, die auswanderten und gegenwärtig

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