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entgegnete Hortense vergnügt. »Das Wort hat sie nicht angewandt, nein, nein! Aber ich weiß sehr wohl, dass eine heiratsfähige Tochter, die sich nicht verheiratet, ein schweres Kreuz für brave Eltern ist. Mutter glaubt: wenn ein Mann mit Energie und Talent käme, dem dreißigtausend Francs Mitgift genügten, dass wir dann alle miteinander glücklich wären. Kurzum, sie hat es für angebracht gehalten, mich mit meinen bescheidenen Zukunftsaussichten vertraut zu machen, damit ich mich nicht zu sehr in goldenen Träumen wiege.«

      »Deine Mutter ist eine gute, edle und ausgezeichnete Frau!« sagte der Baron tieftraurig und doch recht glücklich über das Vertrauen seines Kindes.

      »Mutter hat mir gestern erzählt«, fuhr Hortense fort, »dass sie dich beauftragt habe, ihre Brillanten zu verkaufen, um mir eine Mitgift zu verschaffen; aber ich möchte lieber, sie behielte ihren Schmuck. Ich werde schon einen Mann finden. Ich glaube, ich habe ihn bereits gefunden, den Bräutigam, der dem Wunsche Mamas entspricht ...«

      »Hier? In den paar Minuten?«

      »Gewiss, Vater. Sieh, das Gute liegt so nah!« sagte sie schelmisch.

      »Gut, mein Kindchen, wir werden ja sehen. Verheimliche mir nur nichts!« Unter einem scherzhaften Tone verbarg er seine innere Unruhe.

      Unter dem Siegel der Verschwiegenheit berichtete ihm nun Hortense das Ergebnis gewisser Gespräche mit Tante Lisbeth. Zu Hause angekommen, zeigte sie ihrem Vater das berühmte Petschaft als Beweis von der Richtigkeit ihrer Vermutungen. Der Vater bewunderte insgeheim die große instinktive Mädchenklugheit, indem er sich die Einfachheit des Planes vergegenwärtigte, den die Liebe diesem unschuldigen Mädchen eingegeben hatte.

      »Du wirst das Meisterwerk, das ich erworben habe, sogleich sehen. Man wird es jeden Augenblick bringen, und mein lieber Stanislaus wird in Begleitung des Händlers mitkommen. Der Schöpfer eines solchen Werkes muss sein Glück machen! Verschaffe ihm durch deinen Einfluss den Auftrag zu einem Denkmal und dann eine Wohnung in der Akademie!«

      »Was du nicht alles willst!« scherzte der Baron. »Wenn du so machen könntest, was du wolltest, wärt ihr nach den gesetzlich vorgeschriebenen elf Tagen miteinander verheiratet.«

      »Elf Tage muss man warten?« Hortense lachte. »Wo ich ihn nach fünf Minuten geliebt habe, so wie du Mutter geliebt hast, als du sie zum ersten Male sahst! Und er liebt mich, als ob wir uns schon zwei Jahre lang kennten. Jawohl!« setzte sie mit einer Gebärde der Beteuerung hinzu. »Seine Augen sagen mir mehr als zehn Bände. Er wird euch schon recht sein, dir und Mutter, wenn er bewiesen haben wird, dass er ein Genie ist! Die Plastik ist die höchste von allen Künsten!« Sie klatschte vor Freude in die Hände. »Halt!« sagte sie auf einmal. »Was ich noch sagen wollte ...«

      »Du hast also noch etwas auf dem Herzen?« fragte der Baron lächelnd. Ihre unschuldsvolle Beichte beruhigte ihn.

      »Ein letztes wichtiges Geständnis!« sagte sie. »Ich liebte ihn, ehe ich ihn persönlich kannte, aber seit einer Stunde, da ich ihn nun kenne, bin ich vernarrt in ihn!«

      »Und nicht zu knapp!« meinte der Baron, den die naive Liebesgeschichte belustigte.

      »Tadle meine Vertrauensseligkeit nicht!« bat sie. »Gibt es etwas Herrlicheres als einem Vaterherzen zu gestehen: ›Ich liebe! Ich bin in meiner Liebe glücklich!‹ Du wirst meinen Stanislaus sehen. Seinen melancholischen Kopf! Seine grauen Augen mit dem Sonnenschein des Genies! Und wie vornehm er aussieht! Weißt du auch, woher er stammt? Ist Livland ein schönes Land? – Tante Lisbeth wollte den jungen Mann heiraten! Sie könnte seine Mutter sein. Das wäre ein Verbrechen! Ich bin riesig eifersüchtig auf sie, weil sie für ihn etwas hat tun können. Ich bilde mir ein, sie wird meine Heirat scheel ansehen.«

      »Wir wollen Mutter nur nichts verheimlichen, mein Engel.«

      »Ich müsste ihr dieses Petschaft zeigen; aber ich habe versprochen, Tante Lisbeth nicht zu verraten. Sie hat Angst vor Mutters Spott.«

      »Du hast Bedenken hinsichtlich eines Petschafts, aber du stiehlst der Tante Lisbeth den Geliebten!«

      »Hinsichtlich des Petschafts habe ich etwas versprochen; hinsichtlich des Künstlers habe ich nichts versprochen!«

      Diese altmodische Romantik passte ausgezeichnet in die geheime Geschichte dieser Familie. Deshalb fügte der Baron dem Lobe ihrer Klugheit hinzu, sie solle sich wenigstens weiterhin auf die Umsicht ihrer Eltern verlassen.

      »Du verstehst, mein liebes Kind«, sagte er, »es kommt dir nicht zu, dich zu erkundigen, ob dein Auserwählter wirklich Graf ist, ob seine Papiere in Ordnung sind und ob sein Vorleben Sicherheit bietet. Was nun Tante Lisbeth betrifft: sie hat die Gelegenheit zu heiraten fünfmal ausgeschlagen, als sie zwanzig Jahre jünger war. Die wäre also kein Hindernis. Das nehme ich auf mich.«

      »Höre, Vater. Wenn du mich verheiratet sehen willst, so sprich, bitte, nicht eher mit Tante Lisbeth von unserm Freunde als in dem Augenblick, wo mein Ehevertrag unterzeichnet wird. Seit einem halben Jahr bestürmte ich sie mit Fragen. Ach, es steckt etwas Rätselhaftes in ihr ...«

      »Wieso?« fragte der Baron betroffen.

      »Schon ihr Blick war falsch, wenn ich zuviel von ihrer Liebesgeschichte wissen wollte.« Hortense lachte. »Ziehe deine Erkundigungen ein, gut! Aber mein Schiffchen lass mich selber steuern! Mein Gottvertrauen muss auch euch beruhigen.«

      »Christus hat gesagt: ›Lasset die Kindlein zu mir kommen!‹ Du bist eins der Kinder, die da kommen ...«, meinte der Baron nicht ohne leisen Spott.

      Nach dem Frühstück meldete man den Kunsthändler, den Künstler und sein Werk. Die Baronin beobachtete, wie ihre Tochter plötzlich rot wurde. Das machte sie unruhig und neugierig. Hortenses Aufgeregtheit, ihre flammenden Augen verrieten ihr das ganze Geheimnis ihres jungen, so wenig verschlossenen Herzens.

      Graf Steinbock machte in seinem schwarzen Rock den Eindruck eines vornehmen jungen Mannes.

      »Könnten Sie den Auftrag für eine Statue in Bronze übernehmen?« fragte ihn der Baron, indem er die Gruppe in die Hände nahm.

      Nachdem er sie verständnisvoll betrachtet hatte, reichte er sie seiner Frau. Sie verstand nichts von Plastik.

      »Nicht wahr, Mutter, das ist schön?« flüsterte Hortense der Mutter leise zu.

      Der Künstler beantwortete die Frage des Barons:

      »Ach, Herr Baron, eine Statue ist kein so schweres Werk wie beispielsweise die Standuhr, die der Herr da gütigst mitgebracht hat.«

      Der Händler packte das Wachsmodell aus: »Amoretten versuchen die zwölfte Stunde aufzuhalten« und stellte es auf das Büfett im Esszimmer.

      »Lassen Sie mir die Uhr da!« erklärte der Baron, von der Schönheit des Werkes entzückt. »Ich will sie den Ministern des Innern und des Handels vorführen.«

      »Wer ist der junge Mann, der dich so außerordentlich interessiert?« fragte die Baronin ihre Tochter.

      Der Kunsthändler, der das Einverständnis zwischen der jungen Dame und dem Bildhauer erkannt hatte, nahm eine geheimnisvolle Kennermiene an und erwiderte: »Ein Künstler, der die pekuniären Mittel dazu hätte, könnte hiermit einhunderttausend Francs verdienen. Man braucht nur zwanzig Exemplare jedes zum Preise von achttausend Francs zu verkaufen. Jedes Stück würde etwa dreitausend Francs Herstellungskosten verursachen. Wenn man die Exemplare nummerierte und die Form zerstörte, fänden sich schon die zwanzig Liebhaber, die ihre Freude daran hätten, zur kleinen Schar der Besitzer dieses Werkes zu gehören.«

      »Hunderttausend Francs!« rief Steinbock aus, indem er erst den Händler, dann den Baron und schließlich Hortense anschaute.

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