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ich. Schick's per Mail. Hab dich lieb.«

      »Ich dich auch.«

      Marcus wusste, sie verlebten gerade die goldenen Jahre ihrer Ehe.

      Kapitel 5

      13. Oktober 2037, 10:15 Uhr – Jahr 5 nach dem Ausbruch – östlich von Rising Star, Texas

      »Sie werden wiederkommen«, beharrte Battle. »Nach allem, was du mir über diese Kerle erzählt hast, gibt's für sie kein ›Schwamm drüber‹. Sie schicken einen Trupp her, um dich und deinen Sohn zu finden. Dass sie drei ihrer Männer verloren haben, werden sie nicht auf sich sitzen lassen.«

      Er rammte den Spaten in den für Texas typisch trockenen Boden und hob einen weiteren Erdklumpen aus. Lola stand mit verschränkten Armen hinter ihm.

      »Du bestätigst nur, was ich mir sowieso gedacht habe«, sagte sie vorwurfsvoll.

      »Was soll das heißen?«, grunzte Battle beim Schaufeln. Er war wie eine Maschine, mühte sich schon seit zwei Stunden in dem Loch ab. Sie waren im hinteren Bereich seines Grundstücks, verborgen hinter einem Grüppchen Mesquitebäume. Er hielt inne, um einen Schluck Wasser aus einer großen Flasche zu trinken, und wischte sich mit der Oberseite seines Handschuhs die Stirn ab.

      »Falls sie zurückkommen, sind wir besser nicht mehr hier, sondern auf der Flucht … und wenn wir fliehen, sollten wir meinen Sohn suchen. Das schaffe ich nicht allein. Ich bin verletzt. Mir fehlen die Kraft und die Fähigkeiten, um jemanden umzubringen, also …«

      Battle blinzelte, weil ihm Schweiß in die Augen lief. Dann widmete er sich wieder seiner Arbeit: den Spaten in die Erde treiben, sie lockern und an den Rand des Lochs lupfen. Rein, raus, hoch und weg. Rein, raus, hoch und weg.

      »Hörst du mir zu?« Lola beugte sich nach vorn, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. »Wir verschwinden besser von hier.«

      »Ich verschwinde nirgendwo hin.« Rein, raus, hoch und weg. »Hier wohne ich.« Rein, raus, hoch und weg. »Ich lebe überhaupt nur deshalb noch, weil ich hiergeblieben bin. Verlasse ich das Grundstück, bin ich tot.« Rein, raus, hoch und weg.

      »Mein Sohn stirbt, wenn du es nicht tust.«

      Battle unterbrach seine Arbeit und steckte den Spaten vor sich in den Boden. »Gut möglich, das sehe ich ein, aber du musst dir Folgendes begreiflich machen: Ich trage keine Verantwortung für dich, seit der Pest für niemanden mehr. Wie ich schon sagte, du darfst eine Woche oder so bei mir bleiben, bis du wieder laufen kannst, aber dann musst du weiterziehen.«

      »Du wirfst mich wirklich raus? Wirfst mich diesen … diesen Wölfen zum Fraß vor?«

      »Ich habe dich vor den Wölfen gerettet.«

      »Nicht, wenn du mich verstößt. Nicht, wenn du dich weigerst, mich auf der Suche nach meinem Sohn zu begleiten.«

      Battle hielt den Griff des Spatens fest, um aus dem Loch zu steigen. Dann trat er einen Schritt auf Lola zu und hielt ihr einen behandschuhten Zeigefinger vors Gesicht.

      »Dir hat hier niemand den roten Teppich ausgerollt«, antwortete er in scharfem Ton. »Gestern Nacht hätte ich dich fast erschossen. Wäre vielleicht besser gewesen. Je länger du hier bist, desto gefährlicher wird's für mich. Du solltest begreifen, dass jene Welt des Mitgefühls und der Nächstenliebe mit zwei Dritteln der Menschheit untergegangen ist. Ich bin kein Ungeheuer, aber ich werde mich auch nicht um Kopf und Kragen bringen.«

      Lola umschlang ihren Oberkörper krampfartig und hatte die Fäuste geballt. »Falls du mir nicht hilfst, hättest du mich gestern genauso gut erschießen können. Ich wäre lieber tot, als in einer Welt zu leben, wo jemand, der kein Ungeheuer ist, seine Herzensgüte verloren hat.«

      Sie humpelte zurück zu dem Gatter am hinteren Zaun. Battle beobachtete einen Moment, wie sie sich wutschnaubend verzog, bevor er weitermachte.

      Rein, raus, hoch und weg. Rein, raus, hoch und weg. Rein, raus, hoch und weg.

      »Aus genau diesem Grund bleibe ich gern allein«, murmelte er leise. »Genau deshalb. Ich hätte sie töten sollen. Dann wäre mir das alles nie zu Ohren gekommen.«

      Während der ersten Monate, nachdem seine Familie und zahllose andere von dem Massensterben dahingerafft worden waren, hatte Battle mit dem Gedanken gespielt, sich anzupassen. Er hatte überlegt, Fremde einzuladen, um mit ihnen zusammenzuleben und eine Zweckgemeinschaft zu gründen. Dazu hätte er mehr Land erschließen, weitere Teile seines Grundstücks urbar machen und mehrere Dutzend Personen in seinem Denken beziehungsweise Handeln unterweisen müssen.

      Gebetet hatte er auch deswegen, alles mathematisch durchgerechnet … und sich letztlich doch dagegen entschieden. Es wäre unmöglich gewesen, diejenigen zu impfen, die er aufgenommen hätte. Seit er aus dem Krieg zurückgekehrt war und das Militär verlassen hatte, führte er vorsätzlich ein spartanisches Leben.

      Sein Job hatte ihm ermöglicht, dies überall zu tun. Gemeinsam mit Sylvia war er zu Land mitten im Nirgendwo gekommen und im siebten Monat ihrer Schwangerschaft aus einer Wohnung am Armeestützpunkt in Fort Worth auf dieses Gut in der Nähe der County Road 133 im texanischen Bezirk Eastland gezogen. Die Einwohnerzahl der nächsten Stadt Rising Star, einem Gebiet von zwei Quadratmeilen, hatte siebenhundertzweiundsechzig betragen.

      »Wir haben keine Nachbarn«, hatte Sylvia mit beiden Händen auf ihrem Bauch gemeint, als sie irgendwo auf den fünfzig Morgen stehen geblieben waren. »Und kaum Bäume.«

      »Ich kann welche besorgen. Wir umgeben uns damit. Die bieten uns Schutz.«

      »Nachbarn?«

      »Bäume.«

      »Aber was ist mit Nachbarn?«

      »Wir wollen keine Nachbarn. Darum geht's doch.«

      Sylvia war nicht begeistert gewesen. Sie hatte die Frauen der anderen Soldaten und ihre wöchentlichen Margarita-Abende vermisst. Marcus war zu oft verreist. Dennoch hatte sie die Zivilisation bereitwillig aufgegeben, um ihren Gatten die meiste Zeit über bei sich zu haben, ungeachtet der Umstände.

      Sie hatten knapp zwei Jahre in einem geräumigen Winnebago-Wohnmobil gelebt, während Marcus den Bau des Hauses, der Scheune und der Garage beaufsichtigt hatte. Abgesehen von einer Woche im Eastland Memorial Hospital, als sie ihren Sohn zur Welt gebracht hatte, und einem Wochenende pro Monat in einem Hotel in Abilene waren sie auf engstem Raum ausgekommen.

      »Besser als in einem Bunker zu pennen«, hatte er oft behauptet.

      »Aber nicht besser als eine Latrine«, war stets ihre Antwort gewesen.

      Er sah Sylvia als engelsgleiche Frau. Schließlich unterstützte sie den Mann, den sie liebte. All der Nächte zum Trotz, in denen er auf der anderen Seite des Planeten gewesen war, hatte sie ihn und ihr Baby gemeinsam in einem Heim auf Rädern in die Arme geschlossen.

      Während der Bauarbeiten waren ein paar Bauern aus der Nähe vorbeigekommen – Wichtigtuer, sonst nichts. Keiner hatte Hilfe angeboten.

      Eine Frau aus einer Kirche in Abilene hatte in der ersten Woche, nachdem sie eingezogen waren, einen Pfirsichkuchen vorbeigebracht. Sylvia hatte sie im Baumarkt Bible kennengelernt und in ihre Pläne eingeweiht. Bei diesem einen Besuch war es geblieben, obwohl sie Marge – so ihr Name – ab und zu sonntags morgens wiedergetroffen hatten.

      Vor der Pestepidemie war Marcus ganz bewusst mit niemandem befreundet oder geneigt gewesen, sich auf Nachbarn zu verlassen. Darum blieb er auch jetzt allein. Das Wagnis, in harten Zeiten Vertrauen zu Fremden aufzubauen, erschien dem skeptischen Soldaten zu unberechenbar, als dass er es eingegangen wäre.

      Rein, raus, hoch und weg. Rein, raus, hoch und weg. Rein, raus, hoch und weg.

      Schließlich stand Battle bis zu den Ellbogen in dem Loch. Es war jetzt eineinhalb Meter lang und tief genug für seine Zwecke, also kletterte er wieder hinaus. Ein paar Fuß weit entfernt stand eine Schubkarre, die er nun holte. Die vordere Querstrebe knarrte unter der Last in der

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