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und zerrte sie über die Kante in ihr Gemeinschaftsgrab, falls man es so nennen konnte.

      Sie wurden schon steif, was Battle die Arbeit erschwerte. Als alle drei Männer unten lagen, betete Battle für sie und machte sich daran, das Grab zuzuschaufeln.

      Rein, raus, hoch und weg. Rein, raus, hoch und weg. Rein, raus, hoch und weg.

      »Du hast für ihre Seelen gebetet?« Lola war zurückgekommen. Sie lehnte an einer kahlen dreißigjährigen Eiche. »Warum machst du dir die Mühe?«

      Battle unterbrach das Schaufeln und seufzte. »Was spricht dagegen?«

      »Dass sie dich umbringen wollten.«

      »Gerade deshalb sollte ich für sie beten.«

      Sie schürzte die Lippen und stieß sich mit dem Rücken vom Baum ab, bevor sie mehrere Schritte auf Battle zuging. »Du hast deinen Glauben noch nicht verloren?«

      »Glauben woran?«

      »An Gott?«

      Da lachte er. »Selbstverständlich nicht. Warum sollte ich?«

      Sie fuhr mit einer Hand über ihre rote Nase. Ihre Augen waren verweint. »Sag's mir.«

      »Gott stellt uns vor Prüfungen«, hob er an. »Er führt uns in Versuchung. Er verletzt und baut uns wieder auf. Ich fühle mich Gott nie näher als in der Finsternis. Solange alles gut geht, brauche ich Gottes Kraft nicht, aber ich brauche sie, wenn eine Bande Kartellmitglieder an meine Tür klopft und mir was zuleide tun will.«

      Battle drehte sich um und schaute auf die Leichen hinab, die halb zugeschüttet am Grund des Lochs lagen. Derart verdreht konnte man ihre Glieder nicht auseinanderhalten. Diese Männer hatten Mütter und Väter gehabt, vielleicht auch Geschwister, Ehefrauen und Kinder. Sie waren ebenfalls von der Seuche betroffen gewesen. Genau wie er hatten sie getan, was sie für notwendig hielten, um zu überleben. Obwohl es keine Rechtfertigung dafür gab, eine Frau und ihren Sohn zu versklaven, urteilte er deswegen nicht über sie. Er hatte sie erschossen, weil es unerlässlich gewesen war. Gott allein würde anhand ihrer Entscheidungen über sie richten, in gleicher Weise wie eines Tages über Battle.

      »Du hast geweint, stimmt's?«

      Lola nickte.

      Sein Blick ruhte einen Moment auf ihr, dann griff er wieder zu seinem Spaten. Nachdem er die Handschuhe angepasst und fest über seine Finger gezogen hatte, arbeitete er sich weiter an dem Haufen aus Erde und Wurzeln am Rand der Grube ab, der zusehends kleiner wurde. Rein, raus, hoch und weg. Rein, raus, hoch und weg. Rein, raus, hoch und weg.

      »Wie kannst du ihrer Seelen gnädig sein und meiner nicht?«

      Battle ging zunächst nicht darauf ein. Er wollte hier fertig werden. Rein, raus, hoch und weg. Rein, raus, hoch und weg. Rein, raus, hoch und weg.

      »Wie«, wiederholte sie lauter, »kannst du ihrer Seelen gnädig sein und meiner nicht?«

      Rein, raus, hoch und weg. Rein, raus, hoch und weg. Rein, raus, hoch und weg.

      »Warte.« Er rammte den Spaten in die Erde und stellte sich vor Lola. Seine Brust hob und senkte sich sichtlich, während sein Herz raste.

      »Du hast für sie gebetet«, fuhr sie fort, »wirfst mich aber raus und nimmst in Kauf, dass ich sterbe … ich und mein Sohn.«

      Battle fragte sich, weshalb sie ihn so bedrängte. Gedachte sie, einen wunden Punkt zu treffen? Versuchte sie, ihm Zweifel an seinem Glauben einzureden? Klar, sie war verzweifelt. Das wäre er an ihrer Stelle auch. Aber er durfte nicht nachgeben. Er konnte sich nicht auf so ein hoffnungsloses Unterfangen einlassen – sein Haus aufzugeben, um einen Jungen zu suchen, der vielleicht gar nicht mehr lebte.

      »Das stimmt so nicht«, sagte er mit angespannten Kiefermuskeln. »Du kannst mich nicht dafür kritisieren, wie ich mein Leben führe. Es steht dir nicht zu, Mutmaßungen anzustellen, warum ich tue, was ich tue. Falls es dir nicht passt, kannst du dich sofort verziehen. Ich habe jede meiner eigenen Regeln gebrochen, indem ich dich am Leben und hierbleiben ließ. Reiz mich ruhig weiter, irgendwann verliere ich die Geduld. Dann schick ich dich mit nichts in die Wüste.«

      Lola diskutierte nicht weiter mit ihm. Auch sah sie davon ab, zu schmollen oder zum Haus zurückzugehen. Stattdessen ließ sie sich auf die Knie fallen und faltete die Hände zu einem Gebet. Sie bat Gott um Unterstützung. Er sollte auf ihren Sohn achtgeben. Er sollte ihr auf dem Weg beistehen, den sie nun antreten musste. Er sollte ihren Gastgeber beschützen, egal wie stur der Kerl war.

      Als sie wieder aufstand, war Battle mit der Beerdigung der Leichen fertig. Er hielt den Spaten in einer Hand und die andere an Lolas Rücken, während er sie zum Hauptgebäude führte.

      »Ich brauche deine Hilfe«, sagte er. »Wir müssen uns auf einen möglichen Angriff vorbereiten. Gebete nutzen nur bis zu einem gewissen Grad.«

      13. Oktober 2037, 10:46 Uhr – Jahr 5 nach dem Ausbruch – Abilene, Texas

      Queho stieg mit Schwung von seinem Pferd und landete diesmal auf seinem gesunden Fuß. Er rückte seinen Hut zurecht, schob die Sonnenbrille auf seiner Nase hoch und wickelte die Zügel locker um einen hüfthohen Pfosten vor dem Hauptquartier des Kartells in der Stadt.

      »Beeilung«, drängte er Salomon Pico. »Wir haben zu tun.« Er betrat den Gehsteig unter der breiten, grünen Markise des Gebäudes. Sein Klumpfuß schmerzte wie immer, als er die Doppelglastür aufdrückte und hineinging. Dabei beachtete er keinen der einfachen Soldaten, die neben dem Eingang Wache hielten.

      »Du siehst nicht gut aus, Sal«, sagte einer von ihnen zu Pico.

      Dieser trat langsam auf den Gehsteig. »Frag nicht weiter.«

      »Wo sind die anderen?«, wollte der zweite Mann wissen.

      Pico winkte ab und folgte Queho, nachdem er die Tür wieder aufgestoßen hatte. »Frag nicht weiter.«

      Als er in das schwach beleuchtete Gebäude trat, war er froh um den Schwall kühler Luft, der ihm entgegenwehte. Der Ort, von dem aus das Kartell weite Teile von Zentraltexas regierte, hätte ebenso gut ein Saloon sein können, weil er so verraucht und muffig war. Pico entdeckte Queho auf der rechten Seite, wo er sich zu einer Gruppe anderer Cowboyhut tragender Bosse gesellt hatte, blieb jedoch stehen, bis er von ihm gerufen wurde.

      Queho hatte auf einem Holzstuhl mit hoher Rückenlehne Platz genommen. Er war einer von fünf Anführern an einem runden Tisch, wo auch Cyrus Skinner saß, der Captain ihres Bezirks. Dieser trug einen weißen Hut und stieß Qualm durch die Nase aus, während eine Zigarette auf seiner dicken Unterlippe aus dem Mund ragte.

      »Erzähl ihnen, was du mir erzählt hast«, verlangte Queho.

      »Welchen Teil davon?«, fragte Pico.

      Der Klumpfüßige schaute sich am Tisch um, bis er Skinners Blick begegnete, der ihm gegenüber saß. »Den Teil über Mad Max.«

      Pico zog seine Schultern hoch und wäre unter den Augen der Bosse am liebsten im Boden versunken. Er schluckte mühevoll.

      »Erzähl uns von Mad Max«, knurrte der Captain. Er hatte eine regelrechte Grabesstimme. »Diesem einzelnen Mann, der drei unserer Brüder auf dem Gewissen hat.«

      »I-i-ich habe ihn n-n-nicht aus der Nähe ges-s-sehen«, stotterte Pico. »Es war dunkel. Er war schnell und stark, traf zielgenau.«

      »Du hast ihn nicht gesehen?«

      Pico zuckte wieder mit den Schultern. »Wie ich schon sagte, Boss, es war dunkel. Ich konnte nur einen kurzen Blick auf ihn werfen.«

      »Und du bist dir sicher, dass er allein war?«, hakte Queho nach. »Mir hast du versichert, es genau zu wissen.«

      »Das tu ich auch.«

      Skinner zog noch einmal kräftig an seiner Kippe. Der Qualm waberte um seinen Hut herum. »Wie kommt es, dass wir diesen Mann nicht kennen?« Er riss seinen Blick von Pico los, um die anderen am Tisch anzuschauen. »Wir beherrschen dieses Gebiet seit mehr als drei Jahren

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