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nicht Angrezi sprechen, wie Sahibs tun.«

      Der Lama hustete, richtete sich auf und griff nach seinem Rosenkranz.

      »Es soll nicht getötet werden,« murmelte er. »Gerecht ist das Rad! Übel auf Übel –«

      »Nein, Heiliger. Wir sind alle hier,« sagte der Ao-chung-Mann, schüchtern des Lamas Füße streichelnd. »Keiner soll getötet werden, wenn Du es nicht befiehlst. Ruhe ein wenig. Wir wollen hier ein kleines Lager machen und später, wenn der Mond aufgeht, gehen wir nach Shamlegh–unter–dem–Schnee.«

      »Nach einem Schlag,« sprach bedeutungsvoll ein Spiti-Mann, »ist es geraten zu schlafen.«

      »Es ist gleichsam ein Schwindel in meinem Hinterkopf und ein Schmerz darin. Laß mich den Kopf auf Deinen Schoß legen, Chela. Ich bin ein alter Mann, aber nicht frei von Leidenschaft … Wir müssen an die Ursache der Dinge denken.«

      »Gebt ihm eine Decke. Ein Feuer dürfen wir nicht anzünden, sonst würden die Sahibs es sehen.«

      »Besser ist es, nach Shamlegh zu gehen, nach Shamlegh wird uns niemand folgen,« sagte der ängstliche Rampur-Mann.

      »Ich war Fostum Sahibs Shikarri, und ich bin Yankling Sahibs Shikarri. Ohne diesen verfluchten Kerl wäre ich jetzt bei Yankling Sahib. Zwei Männer sollen unten mit Gewehren aufpassen, daß die Sahibs nicht neue Torheiten machen. Ich will diesen Heiligen nicht verlassen.«

      Sie setzten sich etwas entfernt vom Lama nieder und ließen eine Wasserpfeife rund gehen, deren Gefäß eine alte Whiskyflasche war. Das Glimmen der roten Kohle, als die Pfeife von Hand zu Hand ging, warf einen Schein auf die blinzenden Augen, die hohen chinesischen Backenknochen und die ochsenartigen Gurgeln, die halb in den dunklen Düffelfalten um ihre Schultern verschwanden. Sie sahen aus wie Kobolde aus einer verzauberten Grube, wie eine feierliche Versammlung von Berggeistern. Und während sie sprachen, wurden die Stimmen der Schneewasser rund umher schwächer, denn der Nachtfrost hemmte die Flüßchen und hielt sie gefangen.

      »Wie er aufstand gegen uns!« sagte voll Bewunderung ein Spiti-Mann. »Ich erinnere mich, wie ein alter Steinbock am Ladakh-Wege, den Dupont Sahib in die Schulter geschossen hatte, genau so gegen uns aufstand. Dupont Sahib war ein guter Jäger.«

      »Nicht so gut wie Pankling Sahib.« Der Ao-chung-Mann nahm einen Schluck aus der Whisky-Flasche und ließ sie rund gehen. »Nun hört mich – wenn Kein anderer denkt, es besser zu wissen –«

      Die Herausforderung wurde nicht angenommen.

      »Wenn der Mond aufgeht, gehen wir nach Shamlegh. Dort wollen wir das Gepäck ehrlich teilen. Ich bin zufrieden mit dieser kleinen neuen Flinte und allen Patronen.«

      »Sind die Bären nur gefährlich, wenn sie Dich treffen?« fragte einer, der an der Pfeife sog.

      »Nein; aber Moschus-Felle sind jetzt sechs Rupien das Stück wert, und Deine Weiber können das Segeltuch von den Zelten und etwas Kochgeschirr bekommen. Wir wollen das alles in Shamlegh ordnen, vor Morgengrauen. Dann gehen wir alle unserer Wege und vergessen, daß wir jemals diese Sahibs gesehen oder Dienste bei ihnen genommen haben. Wer kann dann noch sagen, daß wir ihr Gepäck gestohlen haben?«

      »Das ist gut für Dich! Aber was wird unser Rajah sagen?«

      »Wer soll es ihm berichten? Diese Sahibs, die unsere Sprache nicht sprechen, oder der Babu, der aus eignem Antrieb uns Geld gegeben hat? Wird der eine Armee gegen uns führen? Welcher Beweis liegt vor? Was wir nicht brauchen, werfen wir nach Shamlegh-Mitte, wo bis jetzt kein Mensch hingekommen ist.«

      »Wer ist diesen Sommer auf Shamlegh? Es ist nur ein Weideplatz, mit drei oder vier Hütten.«

      »Die Frau von Shamlegh. Sie liebt die Sahibs nicht. Die andern können durch kleine Geschenke gewonnen werden; und hier ist genug für uns alle.« Er klopfte auf den nächsten wohlgefüllten Korb.

      »Aber – aber« –

      »Ich sage Euch, sie sind keine wahren Sahibs. Alle ihre Felle und Köpfe sind im Basar von Leh gekauft. Ich kenne die Zeichen. Ich zeigte sie Euch schon auf dem letzten Marsch.«

      »Wahr. Es sind alles gekaufte Felle und Köpfe. Einige hatten schon Motten.«

      Das war ein schlaues Argument, und der Ao-chung-Mann kannte seine Leute.

      »Im schlimmsten Fall werde ich es Yankling Sahib erzählen. Er ist ein lustiger Mann und wird lachen. Wir tun keinem Sahib, den wir kennen, Unrecht. Diese aber sind Priester-Schläger. Sie jagten uns in Furcht. Wir flohen! Wer weiß, wo wir das Gepäck fallen ließen? Meint Ihr, Yankling Sahib würde der Polizei von da unten erlauben, über seine Hügel zu laufen und sein Wild aufzustören? Es ist ein weiter Schrei von Simla nach Chini und weiter noch von Shamlegh nach Shamlegh-Mitte.«

      »So mag es sein: aber ich trage das große Zelt. Den Korb mit dem roten Überzug, den die Sahibs jeden Morgen selbst packten.«

      »Das ist ein Beweis, daß sie keine wahren Sahibs sind,« sagte der verschlagene Shamlegh-Mann. »Wer hat jemals gehört, daß Fostum Sahib oder Yankling Sahib oder selbst der kleine Peel Sahib, der in der Nacht aufsitzt, um Serus zu schießen, – ich sage, wer hat je gehört, daß diese Sahibs in die Zügel gekommen wären ohne einen Koch von da unten und einen Träger und – und alle Arten von wohlbezahltem, hochfahrendem und tyrannischem Volk in ihrem Gefolge? Was können diese Sahibs uns anhaben? Was ist’s mit dem Zelt?«

      »Nichts. Nur, daß es voll ist von dem Geschriebenen Wort – Bücher und Papiere, in die sie selbst geschrieben haben, und sonderbare Werkzeuge, wie zum Gottesdienst.«

      »Shamlegh-Mitte wird sie alle aufnehmen.«

      »Wahr! Aber wenn wir dadurch die Götter der Sahibs beleidigen? Ich gehe nicht so mit dem Geschriebenen Wort um. Und ihre metallenen Götzenbilder kenne ich erst recht nicht. Sie sind keine Hausgeräte für einfältige Bergleute.«

      »Der alte Mann schläft noch. Hst! Wir wollen seinen Chela fragen.« Der Ao-chung-Mann erfrischte sich wieder und blähte sich als Wortführer.

      »Wir haben hier,« flüsterte er, »ein Zelt, dessen Eigenschaften wir nicht kennen.«

      »Aber ich kenne sie,« sagte Kim leise. Der Lama atmete in leichtem, natürlichem Schlaf und Kim hatte über Hurrees letzte Worte nachgedacht. Als ein Spieler des Großen Spiels war er gerade jetzt geneigt, dem Babu alle Hochachtung zu zollen. »Es ist ein Zelt mit rotem Überzug, voll von wunderbaren Dingen, die Toren nicht in Händen haben sollten.’

      »Sagte ich es nicht?« Sagte ich es nicht?« rief der Träger des Ballens. »Glaubst Du, es wird uns verraten?«

      »Nicht, wenn man es mir gibt. Ich will den Zauber austreiben. Sonst aber kann es großes Unheil bringen.«

      »Ein Priester nimmt immer seinen Anteil.« Der Whisky demoralisierte den Ao-chung-Mann.

      »Mir liegt nichts daran,« antwortete Kim, mit der Schlauheit seines Mutterlandes. »Teilt es unter Euch und sehet, was kommt.«

      »Nicht ich. Ich scherzte nur. Gib den Befehl. Es ist mehr als genug für uns alle da. Wir gehen unseres Weges gegen Shamlegh im Morgendämmern.«

      Sie verabredeten immer von neuem ihre harmlosen kleinen Pläne und Kim erschauerte vor Kälte und Stolz. Der Humor der Situation kitzelte das Irische und das Orientalische in seiner Seele. Die Emissäre gefürchteter nordischer Mächte, vielleicht so hochstehend in ihrem eigenen Lande wie Mahbub oder Oberst Creighton hier, lagen plötzlich hilflos niedergeworfen. Einer von ihnen, das wußte er allein, würde für einige Zeit lahm sein. Sie hatten Königen Versprechungen gemacht. Diese Nacht lagen sie irgendwo da unten, ohne Wagen, ohne Nahrung, ohne Zelt, ohne Gewehre – und wäre Hurree Babu nicht bei ihnen, auch ohne Führer. Und dieser Zusammenbruch ihres Großen Spiels (Kim fragte sich, wem sie es wohl berichten würden), diese kopflose Flucht durch die Nacht war weder durch eine List Hurree Babus noch durch einen Anschlag Kims herbeigeführt; nur einfach, hübsch und unvermeidlich: wie die Gefangennahme von Mahbubs Fakir-Freunden durch einen eifrigen jungen Polizeibeamten zu Umballa.

      »Da

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