Скачать книгу

hinauf, die Täler hinab gehen sie und sprechen: »Hier ist ein Platz, um eine Feldschanze aufzurichten; hier könnt Ihr eine Festung erbauen. Hier könnt Ihr die Straße gegen eine Armee behaupten,« – dieselbe Straße, für die ich monatlich die Rupien auszahlte. Die Regierung weiß es, tut aber nichts. Die drei anderen Könige, die nicht für Bewachung der Pässe bezahlt sind, berichten durch einen Eilboten über den Treubruch von Benár und Hilás. Als alles Böse geschehen ist, seht Ihr? – Als diese beiden Fremden, mit Richtscheit und Kompaß, die fünf Könige glauben machen, daß eine große Armee morgen oder übermorgen die Pässe überschwemmen wird – Gebirgler sind alle Narren – da kommt Befehl an Hurree Babu: »Gehe nordwärts und siehe, was jene Fremden tun.« Ich sage zu Creighton Sahib: »Dies ist doch kein Prozeß, daß wir umherlaufen, um Beweise aufzutreiben …« Mit einem Ruck kehrte er wieder zum Englischen zurück: »Donnerwetter!« sagte ich, »warum, in Teufels Namen, gebt Ihr nicht irgend einem braven Manne unoffiziellen Befehl, sie zu vergiften, um ein Beispiel zu statuieren? Es ist, wenn Ihr die Bemerkung gestattet, sehr tadelnswerte Schlappheit von Eurer Seite.« Und Oberst Creighton – lachte mich aus. Das kommt von Eurem abscheulichen englischen Hochmut. Ihr denkt, es wagt niemand zu konspirieren. Das ist alles Blödsinn.«

      Kim rauchte langsam und überlegte die Sache mit seiner raschen Auffassung.

      »So gehst Du also vorwärts, um den Fremden zu folgen?«

      »Nein – um ihnen zu begegnen. Sie kommen nach Simla, um die Köpfe und Hörner zum Präparieren nach Calcutta abzusenden. Die Herren sind sehr jagdlustig und die Regierung gewährt ihnen gefällige Erlaubnis. Natürlich, das tun wir immer. Das ist unser britischer Stolz.«

      »Was ist denn aber von ihnen zu fürchten?«

      »Donnerwetter, Schwarze sind sie nicht. Mit schwarzem Volk kann ich natürlich alles Mögliche anfangen. Sie sind Russen und sehr vorurteilslos. Ich – ich möchte nichts mit ihnen zu tun haben ohne einen Zeugen.«

      »Würden sie Dich denn töten?«

      »Oah, das tut nichts. Ich bin Herbert Spencerianer genug, um einer Kleinigkeit wie dem Tod, der doch einmal mein Los ist, entgegen zu gehen, wißt Ihr. Aber – aber sie könnten mich prügeln.«

      »Warum?«

      Hurree Babu schnappte ungeduldig mit den Fingern. »Natürlich werde ich mich ihrem Lager zugesellen in untergeordneter Eigenschaft, vielleicht als Dolmetscher, oder als Blödsinniger, oder Hungriger oder so etwas. Und dann muß ich, denke ich, aufschnappen, was ich kann. Das ist so leicht für mich, als vor der alten Dame den Doktor spielen. Nur – nur – Ihr seht, Mister O’Hara, ich bin unglücklicherweise Asiate, was in mancher Beziehung nachteilig ist, und bin ebenfalls Bengale – ein furchtsamer Mann.«

      »Gott schuf den Hasen und den Bengalen. Ist das schimpflich?« sagte Kim, das Sprichwort anführend.

      »Das ist Descendenz-Theorie, Naturnotwendigkeit, denke ich, aber das Faktum bleibt in seinem cui bono. Ich bin, o! furchtbar furchtsam! – Ich erinnere mich, einmal auf dem Wege nach Lhassa wollten sie mir den Kopf abschneiden. (Nein, ich bin niemals nach Lhassa gekommen.) Ich setzte mich nieder und weinte, Mister O’Hara, ich hatte Vorempfindung von chinesischer Folter. Ich vermute nicht, daß diese Gentlemen mich foltern werden, aber es ist besser, für mögliche Fälle europäischen Beistand in Bereitschaft zu haben.« Er hustete und spuckte das Cardamon aus. »Es ist ein vollständig unoffizieller Vorschlag, auf den Ihr »Nein, Babu« antworten könnt. Wenn Ihr nicht gerade dringende Geschäfte mit Eurem alten Mann vorhabt. Könnt Ihr ihn vielleicht – etwas vom Wege ablenken; vielleicht kann ich seine Phantasie beschäftigen – ich möchte mit Euch in amtlicher Berührung bleiben, bis ich diese jagdlustigen Burschen finde. Ich habe eine große Meinung von Euch, seitdem ich meinen Freund in Delhi traf. Euren Namen werde ich meinem offiziellen Bericht einverleiben, sobald die Angelegenheit endgültig erledigt ist. Das wird eine nette Feder auf Euren Hut. Dies ist es, warum ich wirklich gekommen bin.«

      »Humpf! Das Ende der Geschichte mag wahr sein, aber wie steht es mit der Einleitung?«

      »Von den fünf Königen? Oah, die steckt voller Wahrheit, haufenweise, mehr, als Ihr ahnt,« sagte Hurree ernsthaft. »Ihr kommt mit – he? Ich gehe von hier gerade in die Doon, sie ist grün, mit blumigen Wiesen. Ich werde nach Mussoovie gehen – gutes, altes Mussoovie Pahar, wie die Damen und Herren sagen. Dann bei Rampur nach China hinein. Das ist der einzige Weg, den sie kommen können. Ich warte nicht gern in der Kälte, oder warten muß ich auf sie. Ich will mit ihnen nach Simla. Der eine Russe, wißt Ihr, ist ein Franzose, und ich verstehe Französisch ganz flott. Ich habe Freunde in Chandernagore.«

      » Er würde sich jedenfalls freuen, die Berge wieder zu sehen,« sagte Kim nachdenklich. »Diese letzten zehn Tage hat er von nichts anderem gesprochen. Wenn wir zusammen gehen –«

      »Oah! Auf dem Wege können wir uns ganz fremd bleiben, wenn Euer Lama das will. Ich werde vier oder fünf Meilen voraus gehen. Eile hat Hurree nicht; Ihr folgt mir. Zeit genug bleibt uns. Sie werden komplottieren und vermessen, und topographische Aufnahmen machen, natürlich. Ich werde morgen fortgehen und Ihr den folgenden Tag, wenn es Euch beliebt. Überlegt es Euch bis morgen. Verflucht! Es ist beinahe Morgen.« Er gähnte laut und ohne weiteres Wort stolperte er nach seiner Schlafstelle. Kim schlief wenig: er dachte nach in Hindostanisch:

      »Mit Recht nennt man das Spiel groß! Vier Tage war ich Küchenjunge bei der Frau des Mannes in Quetta, dem ich das Buch stahl. Und das war ein Teil des Großen Spiels! Vom Süden her, Gott weiß wie weit – kam der Mahratta, der das Große Spiel um Gefahr seines Lebens spielte. Jetzt soll ich fern und fern in den Norden hinein und das Große Spiel spielen. Wahrlich, es geht wie ein Schauer durch ganz Hind. Und meinen Anteil und meine Freude daran« – er lächelte der Dunkelheit zu – »danke ich dem Lama. Auch Mahbub Ali – auch Creighton Sahib – aber am meisten dem Heiligen. Er hat Recht – eine große und eine wundervolle Welt – und ich bin Kim – Kim – Kim – allein – einer – in der Mitte von allem. Aber diese Fremden mit Kette und Richtscheit will ich sehen …«

      »Was war das Resultat der Unterhaltung gestern Abend?« fragte der Lama nach beendetem Gebet.

      »Es kam ein umherstreifender Verkäufer von Medikamenten – ein Schmarotzer der Sahiba – ich bewies ihm durch Argumente und Gebete, daß unser Zauber seine gefärbten Wasser übertreffe.«

      »Alas! Mein Zauber! Wünscht die tugendhafte Frau noch immer, einen zu bekommen?«

      »Sehr dringend wünscht sie es.«

      »Dann muß er geschrieben werden oder sie macht mich taub mit ihrem Lärm.« Er tastete nach seinem Federkasten.

      »In den Ebenen ist immer zu viel Volk,« sagte Kim. »In den Bergen, so höre ich, soll es ruhiger sein.«

      »Oh! Die Berge, und der Schnee auf den Bergen!«

      Der Lama riß ein kleines Stück Papier ab, wie es in ein Amulett paßt.

      »Aber was weißt Du von den Bergen?«

      »Sie sind sehr nahe.« Kim öffnete die Tür und blickte auf die lange, ruhevolle Linie der Himalayas, die im Morgengold erglühte. »Nur einmal, im Kleide eines Sahib, setzte ich einen Fuß hinein.«

      Der Lama sog die Luft sehnsüchtig ein.

      »Wenn wir nordwärts wandern« – Kim richtete die Frage an die aufgehende Sonne – »könnte dann nicht viel Mittagshitze vermieden werden, wenn man wenigstens zwischen den niedrigeren Bergen wandelte? … Ist der Zauber geschrieben, Heiliger?«

      »Ich habe die Namen von sieben albernen Teufeln geschrieben; keiner von ihnen ist ein Körnchen Staub auf der Straße wert. So ziehen törichte Frauen uns ab von dem Weg.«

      Hurree Babu kam hinter dem Taubenschlag hervor. Er wusch seine Zähne mit ostentativem Ritual. Vollfleischig, schwerhüftig, stiernackig und mit tiefer Stimme, glich er nicht gerade einem furchtsamen Mann. Kim gab ihm ein unmerkliches Zeichen, daß alles in bestem Zuge sei, und als die Morgentoilette beendet war, kam Hurree Babu herbei, um dem Lama in blumenreicher Sprache Ehrfurcht zu erweisen. Sie aßen jeder für sich, und nachdem erschien

Скачать книгу