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Gesammelte Werke von Rudyard Kipling. Редьярд Киплинг
Читать онлайн.Название Gesammelte Werke von Rudyard Kipling
Год выпуска 0
isbn 9788027209255
Автор произведения Редьярд Киплинг
Издательство Bookwire
»Ist er denn auch einer von Uns?« Kim duckte sich durch unter der fettigen Armhöhle eines Kameltreibers von Mewar und prallte gegen einen Trupp schwatzender Sikh-Matronen.
»Nicht weniger als der Größte. Wir haben beide Glück. Ich werde ihm berichten, was Du getan hast. Ich bin sicher unter seinem Schutz.«
Er arbeitete sich durch das Gedränge, das die Wagen belagerte, hindurch und hockte sich nieder auf der Bank, nahe dem Telegraphen-Büro.
»Gehe zurück, damit Dein Platz Dir nicht genommen wird! Trage keine Sorge um das Werk, Bruder, oder um mein Leben. Du hast mir Zeit zum Aufatmen verschafft, und Strickland Sahib hat mich an Land gezogen. Wir werden noch zusammen in dem Spiel arbeiten. Fahrwohl!«
Kim eilte nach seinem Magen, verwirrt, wie trunken. Es wurmte ihn, daß ihm der Schlüssel zu den Geheimnissen um ihn her fehlte.
»Ich bin nur ein Anfänger in dem Spiel, das ist sicher,« flüsterte er, seinen Sitz in dem gedrängt vollen Abteil einnehmend. »Ich hätte mich nicht in Sicherheit bringen können, wie der Saddhu tat. Er wußte, daß es am dunkelsten unter der Lampe ist. Ich hätte nicht daran gedacht, unter Flüchen Enthüllungen zu machen … und wie geschickt war der Sahib! Aber dennoch … ich habe einem das Leben gerettet … wo ist der Kamboh geblieben, Heiliger?«
»Eine Furcht packte ihn,« erwiderte der Lama, mit einem Hauch von sanfter Malize. »Er sah Dich in einem Augenblinzeln den Mahratta zu einem Saddhu umwandeln, um ihn vor Unheil zu schützen. Das erschreckte ihn. Dann sah er den Saddhu geradezu in die Hände der Polizei fallen – alles Wirkung Deiner Kunst. Da raffte er seinen Sohn auf und floh, denn, sagte er, Du habest einen friedlichen Handelsmann in einen Schreihals verwandelt, der unflätige Reden den Sahibs gegenüber führte, und er fürchtete ein ähnliches Schicksal. Wo ist der Saddhu?«
»Bei der Polizei,« sagte Kim, «… aber ich rettete doch des Kambohs Kind.«
Der Lama schnupfte ruhig.
»Ach, Chela, sieh wie betört Du bist! Das Kind des Kamboh heiltest Du, um Verdienst zu erwerben. Bei dem Mahratta aber wandtest Du Zauberworte an, mit stolzem Tun – ich beobachtete Dich – und ließest Deine Blicke seitwärts schweifen, um einen alten Mann und einen törichten Bauer in Erstaunen zu setzen, daher Angst und Argwohn.«
Kim beherrschte sich mit einer Anstrengung über sein Alter hinaus. Wie jeden jungen Burschen, verdroß es ihn, gescholten oder falsch beurteilt zu werden; er befand sich aber jetzt in einer Klemme. Der Zug rollte aus Delhi in die Nacht hinein.
»Gewiß ist,« murmelte er, »daß ich Unrecht tat, wenn ich Dich gekränkt habe.«
»Es ist mehr, Chela. Du hast eine Tat in die Welt entsendet, und wie die Kreise eines in den Teich geworfenen Steines sich weiter und weiter verbreiten, so die Folgen Deiner Tat, Du kannst nicht wissen, wie weit.«
Dies nicht zu wissen war gut für Kims Eitelkeit wie für des Lamas Seelenfrieden, wenn wir bedenken, daß eben in Simla eine abgekürzte Drahtung die Ankunft von E. 23. zu Delhi meldete und was noch wichtiger: den Verbleib eines Briefes den zu – entwenden E. 23 beauftragt war. Zufällig hatte auch gerade ein übereifriger Polizist einen höchst ergrimmten Baumwoll-Makler aus Ajmir, unter Beschuldigung eines in einem fernen südlichen Staat begangenen Mordes, verhaftet, der sich auf dem Bahnsteig in Delhi vor einem Mr. Strickland verteidigte, indes E. 23. auf Seitenwegen dahintrollle, bis in das verschlossene Herz der Stadt Delhi. Innerhalb zweier Stunden erreichten mehrere Telegramme den zornigen Minister eines südlichen Staates, die meldeten, daß jede Spur eines verwundeten Mahratta verloren sei; und zur selben Zeit, als der gemächlich fahrende Zug bei Saharunpore hielt, schlug die letzte Bewegung des Steines, den Kim geworfen, gegen die Stufen einer Moschee im fernen Roum – wo sie einen frommen Mann im Gebet störte.
Der Lama verrichtete das seine in umständlicher Weise neben einem taufeuchten Obstspalier nahe dem Bahnsteig, beglückt durch den klaren Sonnenschein und die Gegenwart seines Schülers. »Wir wollen diese Dinge hinter uns lassen,« sprach er, auf die eherne Maschine und die glitzernden Schienen weisend. »Das Rütteln des Zuges, obwohl er ein wundervolles Ding ist, hat meine Knochen zu Wasser gemacht. Von jetzt an wollen wir freie Luft versuchen.«
»Laß uns nach dem Haufe der Kulu-Frau gehen.«
Kim schritt heiter aus unter seinen Bündeln. Am frühen Morgen ist der Weg nach Saharunpore rein und duftig. Er gedachte der Morgen zu St. Xavier, und dies verdoppelte sein schon dreifach verdoppeltes Vergnügen.
»Woher denn diese frische Hast? Verständige Menschen laufen nicht wie junge Hühnchen in der Sonne herum. Wir haben Hunderte und Hunderte von Kos gemacht, und bis jetzt war ich kaum einen Augenblick mit Dir allein. Wie kannst Du Belehrung empfangen im wüsten Gedränge? Wie ich, überschwemmt von Flut von Worten, über den Weg meditieren?«
»Ihre Zunge ist also nicht kürzer geworden mit den Jahren?« Der Schüler lächelte.
»So wenig wie ihre Begier nach Zaubermitteln. Ich entsinne mich, als ich einst von dem Rad des Lebens redete« – der Lama tappte auf seiner Brust herum nach der letzten Kopie – »da fragte sie nur nach den Teufeln, die Kinder belagern. Sie soll Verdienst erwerben, indem sie für unsern Unterhalt sorgt – in einer kurzen Weile – bei späterer Gelegenheit – langsam, langsam. Jetzt wollen wir gemächlich wandern und achten auf die Kette der Dinge. Die Suche ist sicher.«
So wanderten sie mit Muße unter und zwischen den blütevollen Fruchtgärten – auf der Straße von Aminabad, Sahaigunge, Akrola bei der Furt und Klein-Phulesa – die Linie der Sewaliks im Norden und hinter ihnen wieder die Schneegipfel.
Nach langem, süßem Schlaf unter den glänzenden Sternen folgte die herrliche, ruhige Wanderung durch erwachende Dörfer; die Bettelschale wurde schweigend vorgehalten, die Blicke aber schweiften, trotz des Gesetzes, nach dem Himmelsgewölbe oben.
Dann wieder fand Kim seinen Meister unter einem Mango oder im leichteren Schatten eines weißen Doon (Gummibaum, Siris), und sie aßen und tranken in Ruhe. Am die Mittagsmahlzeit, nach kurzen Wanderungen und Gesprächen, schliefen sie und traten erfrischt, bei kühleren Lüften, wieder in die Welt. Die Nacht fand sie auf dem Wege in neues Gebiet, auf ein Dorf zugehend, das in der flachen Marsch weit hinaus sichtbar wurde.
Da erzählten sie ihre Geschichten – eine neue jeden Abend, soweit es Kim betraf – und da wurden sie willkommen geheißen von dem Priester oder dem Dorfältesten, nach dem Brauch des gastfreundlichen Ostens. Wenn die Schatten kürzer wurden und der Lama sich schwerer auf Kim stützte, wurde das Rad des Lebens hervorgeholt, unter rein abgewischten Steinen glatt gelegt und Kreis auf Kreis mit einem Strohhalm nachgewiesen. Zier saßen die Götter in der Höhe – und sie waren Träume von Träumen. Hier war unser Himmel und die Welt der Halbgötter – Reiter, die zwischen den Bergen kämpften. Hier waren die Torturen, den Tieren zugefügt – Seelen, welche die Leiter emporsteigen und niedersteigen, deren Wege man nicht durchkreuzen soll. Hier waren die Höllen, die heißen und die Kalten, der Aufenthalt der gequälten Geister. Möge der Chela studieren die Leiden, die aus Unmäßigkeit entstehen – geschwollener Magen und brennende Eingeweide. Gehorsam, mit gebeugtem Haupt und flinkem, braunem Finger dem Zeigenden folgend, studierte der Chela. Als sie aber an die Menschenwelt kamen, die geschäftig und nutzlos gerade über den Höllen ist, wurde seine Aufmerksamkeit abgelenkt, denn draußen am Wege drehte sich das Rad selbst, warm, lebendig, essend, trinkend, feilschend, heiratend, zankend. Oft nahm der Lama die lebenden Bilder zum Gegenstand seines Textes und forderte Kim auf, zu beachten, wie das Fleisch tausend und tausend Gestalten annimmt, begehrenswerte und verabscheuenswerte, nach Menschenschätzung, aber in Wahrheit nach beiden Richtungen nichts bedeutend? und wie der dumme Geist, sklavisch gebunden an Eber, Taube und Schlange, lüstern nach Betelnuß, einem neuen Joch Ochsen, nach Weibern und der Gunst der Könige, verurteilt ist, dem Körper zu folgen durch alle