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Turbane schimmerten im Fackelscheine wie Glieder eines zerrissenen Juwelenbands und alle Dächer waren mit dicht verschleierten Frauen besetzt. In einer halben Stunde sollte der Maharadscha Kunwar aus dem königlichen Tempel treten und sich an der Spitze eines Zuges von festlich geschmückten Elefanten ins Bankettzelt verfügen.

      Zoll für Zoll mußte sich Tarvin durch die dichtgestaute Menschenmenge vor den Tempelstufen seinen Weg bahnen. Er verfolgte keinen andern Zweck, als sich zu überzeugen, ob der Knabe wohlbehalten sei, nur deshalb wollte er ihn aus dem Tempel treten sehen. Als er sich jetzt umsah, ward er inne, daß er der einzige Weiße in diesem ungeheuren Menschenschwarm war, und die neuen Bekannten thaten ihm leid, daß sie viel zu blasiert waren, um an einer solchen phantastischen Scene, wie sie sich jetzt vor ihm abspielte, Gefallen zu finden.

      Die Tempelpforten waren noch geschlossen; die Silber-und Elfenbeinzeichnung, die darin eingelegt war, flimmerte im Fackelscheine. Irgendwo in der Nähe mußten die Elefanten stehen; Tarvin hörte ihr schnaubendes Atmen und hie und da übertönte ihr schriller Schrei das Summen der Menge. Eine kleine Abteilung Berittener, staubbedeckt und abgehetzt von des Tages Arbeit, versuchte vor dem Tempel eine offene Gasse zu schaffen, aber ihr Bemühen war so vergebens, als ob sie einen Regenbogen hätten durchschneiden wollen. Die Frauen auf den Dächern warfen Ringelblumen, Süßigkeiten und buntgefärbten Reis unter die Menge, Privatbarden, die noch keine Anstellung an irgend einem Hof gefunden hatten, sangen Ruhmeshymnen auf den Maharadscha, den Prinzen, den Vizekönig, den Vertreter des Generalgouvernements, den Oberst Nolan und jeden, von dem sich eine anständige Belohnung erwarten ließ. Einer davon bemerkte Tarvin und machte ihn sofort zum Helden seiner Gesänge. Aus fernem, fernem Land, so sang er, sei dieser Mann gekommen, um einen unbändigen Fluß zu dämmen und zu stauen und den Bewohnern des Landes die Taschen mit Gold zu füllen, sein Schritt sei gleich dem Schritt des Dromedars im Frühling, sein Auge furchterregend wie das Auge des Elefanten, und die Anmut seiner Gestalt so groß, daß die Herzen aller Frauen in Rhatore ihm entgegenschlugen, wenn er des Wegs geritten käme. Ein solcher Mann werde den Sänger dieses armen Liedes fürstlich beschenken und sein Name und Ruhm werde fortleben, solange das fünffarbige Banner über Gokral Sitarun wehe und solange Naulahka, das Staatsglück, die Brust seiner Könige, schmücke.

      Jetzt öffnete sich unter ohrzerreißendem Muschelgetute die Tempelthüre nach innen, und mit einemmal schien die tobende Menge in Schauern der Ehrfurcht zu verstummen. Die geöffneten Thüren rahmten pechschwarze Dunkelheit ein und zu dem Kreischen der Muscheln gesellte sich ein vielstimmiger Trommelwirbel. Tarvin faßte die Zügel kurz und beugte sich weit vor über den Hals seines Pferdes; der Weihrauchdunst, der aus dem Tempel drang, benahm ihm selbst im Freien fast den Atem, die Menge aber verstummte unter seinem Hauch vollständig.

      Jetzt trat der Maharadscha Kunwar allein, ohne jede Begleitung aus der Dunkelheit hervor und stand, das Händchen auf den Schwertknauf stützend, einsam vor seinem Volk. Das Kindergesicht unter dem Turban, von dessen Smaragdenschnalle schwere Diamanten auf die Stirne tropften, war aschfahl, die Augen waren blau umrändert, der Mund stand offen, aber das tiefe Mitleid, das Tarvin mit dem gemarterten Kind empfand, wurde verschlungen von einem wilden Pochen des eigenen Herzens – auf dem Goldstoff, der des Maharadscha Kunwar Brust bedeckte, lag das Naulahka.

      Tarvin brauchte niemand zu fragen, ob es das echte sei. Nicht er hatte das Halsband, es hatte ihn gesehen; aus großen Augen starrte es ihn an. Feuersprühend starrte es ihm entgegen, das tiefe Rot des Rubins, das zornige Grün des Smaragden, das kalte Blau des Saphirs, der weiße leidenschaftliche Strahl des Diamanten. Aber all diese Herrlichkeit überstrahlte und verlöschte ein Stein, der über dem großen geschnittenen Smaragd in der Mitte der Schnalle saß. Es war der schwarze Diamant – schwarz wie die Flut des Styx, funkelnd wie die Gluten der Hülle.

      Wie ein flammendes Joch lag das Staatsglück auf des Knaben Schultern. Es überstrahlte die funkelnden Sterne des indischen Firmaments, es wandelte das flackernde Fackellicht in trübgelbe Flecken, es sog allen Glanz des Goldgewebes an sich, worauf es lag.

      Zum Denken, Beurteilen, Würdigen, Bewundern hatte Tarvin keine Zeit, er hatte kaum Zeit, die Thatsache zu begreifen, denn die Muscheln wimmerten und kreischten ein zweites Mal, der Maharadscha Kunwar trat zurück ins Dunkel, die Thürflügel schlossen sich.

      Fünfzehntes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Mit glühendem Gesicht und einer am Gaumen klebenden vertrockneten Zunge kam Tarvin ins Bankettzelt. Er hatte es gesehen. Es war vorhanden; Thatsache, nicht Mythe. Und es würde sein eigen werden, er würde es mit nach Hause nehmen. Frau Mutrie würde es um den schön geformten Hals legen, der so reizend aussah, wenn sie lachte, und die C. C. C. würde nach Topaz kommen. Er war der Helfer und Retter seiner Stadt, die jungen Leute würden ihm die Pferde ausspannen, und seinen Wagen im Laufschritt durch die Pennsylvaniastraße ziehen, und im nächsten Jahr würden Baustellen in Topaz nach dem laufenden Zoll verkauft werden.

      Das alles lohnte wohl des Wartens, der Ableitung von hundert Flüssen, Jahrzehnte des Pachisispiels und einer Reise von Tausenden von Meilen im Büffelkarren. Als er beim Bankett auf die Gesundheit des Maharadscha Kunwar sein Glas leerte, erneuerte er im stillen den Schwur, nicht zu ruhen, bis er sein Ziel erreicht hätte, und wenn er den ganzen Sommer opfern müßte. Der Glaube an seine Erfolge hatte in letzter Zeit manchen Stoß erlitten und war ein wenig schwächlich geworden, aber nun, da Tarvin den Siegespreis gesehen hatte, glaubte er ihn auch schon in Händen zu haben, gerade wie er in Topaz gefolgert hatte, daß Käte ihm gehöre, weil er sie liebe!

      Am andern Morgen erwachte er mit dem unklaren Bewußtsein, auf der Schwelle großer Thaten zu stehen, als er aber später in seinem kalten Bad saß, konnte er sich nicht mehr recht erklären, woher ihm gestern abend die Siegesgewißheit und der Siegesjubel gekommen waren. Freilich, gesehen hatte er ja das Naulahka, aber die Tempelthore hatten sich, sein Traumgesicht verschlingend, darüber geschlossen, und es schien ihm nun fraglich, ob Tempel, wie Halsband überhaupt der Wirklichkeit angehörten oder nur Phantasiegebilde seien, und unter solch aufgeregtem Nachsinnen war er schon halbwegs in der Stadt, ohne recht zu wissen, daß er seine Wohnung verlassen hatte. Als er sich aber erst einmal darauf besann, wußte er sehr genau, wohin sein Weg führte und was für einen Zweck er verfolgte. Hatte er das Naulahka gesehen, so galt es nun, es im Auge zu behalten. Im Tempel war es verschwunden, in den Tempel wollte er darum gehen.

      Ausgebrannte Fackelstummel, zertretene Blumen lagen auf den Tempelstufen zwischen kleinen Lachen verschütteten Oels, welk und schlaff hingen die Ringelblumenkränze an den fetten Stierleibern aus schwarzem Gestein herunter, die den inneren Hof bewachten. Tarvin nahm den weißen Korkhelm ab, denn es war jetzt, zwei Stunden nach Sonnenaufgang, schon drückend heiß, strich sich das spärliche Haar aus der hohen Stirne und betrachtete die Ueberbleibsel der Festwoche. Die Stadt war grabesstill; sie mußte ihren Festjubel ausschlafen. Die Tempelthüren standen weit offen; er stieg die Stufen empor und trat hinein, ohne daß jemand den Versuch gemacht hätte, ihn daran zu hindern.

      Das formlose Bild des vierköpfigen Gottes Isvara, das im Mittelpunkt des Gebäudes stand, war von Weihrauchdunst und geschmolzener Butter geschwärzt und beschmiert. Tarvin betrachtete es neugierig, halb und halb darauf gefaßt, das Naulahka an einem seiner vier Hälse hängend zu finden. Dahinter in den dunkleren Teilen des Tempels standen noch andre mehrköpfige und vielarmige Gottheiten, die diese Arme in die Höhe hoben oder die Zungen herausstreckten und einander angrinsten. Die Ueberbleibsel mannigfaltiger Opfer lagen auf und vor ihnen. Trotz des Dämmerlichts unterschied Tarvin, daß die Kniee des einen schwarz waren von vertrocknetem Blut. Das dunkle Dach lief in eine hindostanische Kuppel aus, und Tarvin hörte über sich das leise Rascheln und Kratzen nistender Fledermäuse.

      Den Helm tief in den Nacken gerückt, die Hände in die Rocktaschen versenkt, hielt Tarvin, leise vor sich hin pfeifend, gründliche Umschau. Er war jetzt seit vier Wochen in Indien, aber ins Innere eines Tempels war er noch nicht eingedrungen. Der Anblick brachte ihm mit neuer Gewalt zum Bewußtsein, wie fern dieses fremde Volk in Lebensanschauungen, Gewohnheiten und Ueberlieferungen allem stand, was ihm gut und richtig dünkte, und es erfaßte ihn ein gewisser

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